14. April 2015

Marokko: Fruchtbare Einöde und Frauen

Ein wunderbarer Frühlingsmorgen in Beni-Mellal. Es ist noch ganz ruhig und die Sonne wirft Lichtstreifen aufs Frühstückbrot. Nebenan wäscht einer im Bach seinen blaugrünen Peugeot.
Wir fahren zwei drei Kilometer den Berg hinauf und schauen von hier oben über die Stadt und die Landschaft.

Als wirklich schön kann man Beni-Mellal wohl nicht bezeichnen, eher als Häuserbrei, wie in die Landschaft ge... - öööhm – gebaut.
Unser Benz brummt mit uns gemütlich nordwärts. Die Landschaft ist sehr fruchtbar, auf saftiggrünen Wiesen weiden kugelrunde Kühe und die Orangenbäume tragen grad Früchte. Und selbst viele der Frauen tragen kleine Kinder auf dem Rücken.

Uns gelüstet es nach Kaffee und Mittagsschlaf. Beides erledigen wir in Zaouiat Cheikh. Entlang der Hauptstrasse steht eine lange Reihe von Tajine-Küchen. Die Leute sitzen unter Schattenzelten und schlemmen. Sogar einen Touristenbus hält an und spuckt seine Gäste raus.

Wir fahren noch bis Khénifra, finden in der recht grossen Stadt keinen brauchbaren Übernachtungsplatz. Es gibt hier bloss staubige Strassen mit zahllosen Ladengeschäften, aber keine Plätze. Und schon gar keine netten mit Schattenbäumen und etwas Ruhe. Fahren wir halt etwas weiter und schauen weiter.
Am Rande von M'Rirt stellen wir uns an den Bach (N33.15307, W5.56258). Es sind einige Ausflügler da, picknicken, spielen Fussball und einige Buben baden sogar.

Heute haben wir auf der Hauptstrasse wieder einen dieser Fahrrad-Reisenden gesehen. Man meint immer, die hätten viel Kontakt zur Bevölkerung und sähen viel vom Land. Aber allen denen wir begegnen, blickten immer nur stur gerade und strampeln ihrem Etappenziel entgegen. Den heutigen haben wir nach jeder unserer Pausen und Ausflügen wieder überholt. Jedesmal war er am pedalen, für kleine Ausflüge und Umwegen scheint er keine Zeit, Kraft oder Musse zu haben? Immer nur tretentreten-treten.

13. April 2015

Marokko: wir tollkühnen Reiter

Heute in einer Woche fährt unser Schiff. So langsam sollten wir ein stückweit nach Norden fahren. Immer noch herrlich bunte Frühlings-Hügel. Wir rollen gemütlich dahin. Im Städtchen Ait-Âttab sind auffallend viele Leute unterwegs. Am Stadtrand sehen wir erst einen riesigen Markt, dann weisse Zelte und bunte Pferde.

Das müssen wir uns aus der Nähe anschauen. Der Parkplatzeinweiser erzählt, dass heute der Moussem zu Ehren von Moulay-Âïssa-Rendriss, einem hochverehrten Lokalheiligen stattfinde.

Zuerst schauen wir den Reiterspielen zu. Es sind mehrere Dutzend Reitergruppen da. Alle in traditionellen Gewändern und bis auf die Zähne bewaffnet. Gruppenweis galoppieren sie quer über den Platz auf die Zelte der Ehrengäste zu und schiessen mit ihren Flinten in die Luft. Nacheinander jede Gruppe.

Hinter dem Platz wurde ein ganzes Zeltdorf aufgebaut; Wohnzelte, Stallungen, Festsäle. Entlang des Reitplatzes ist ein riesiger Markt; bestimmt einen Kilometer lang. Wir knabbern Erdnüsse, frisch gebratenen Chips und trinken Orangensaft. Die Leute sind sehr nett und zurückhaltend. Nicht ein einziges Mal werden wir dumm angemacht.

Am Ende des Marktes ist noch ein grosser Vergnügungspark mit allerlei Ständen. Man kann auf Zigarettenpäckli schiessen, Karussell fahren oder dem wagemutigen Motorradfahrer an der Todeswand zuschauen.

Mit ohrenbetäubendem Lärm rast der Artist an der senkrechten Wand entlang rundherum. Zur Belustigung macht er noch Kapriolen und allerlei Spässchen, fährt freihändig, oder spreizbeinig. Und das alles ohne Helm, dafür mit einer Zigarette im Mundwinkel.
Ich besuche den tollkühnen Steilwandfahrer nachher hinter den Kulissen und gratuliere ihm zur gelungenen Vorstellung. Er freut sich riesig und sein Kumpel auch.

Nebenan stehen kleine Zelte auf lauter Männerbeinen. Ich schaue in eines hinein. Die Männer drängen sich um einen Spieltisch und würfeln um Geld! Glückspiele, doch der liebe Gott kann’s ja nicht sehen.

Als Abschluss machen wir einen Ritt auf dem Riesenrad. Ein klappriges Konstrukt mit Riemenantrieb und Gondeln mit lustigen Blütendächern. Zusammen mit zwei Mädchen nehmen wir Platz und fahren los.

Das Riesenrad schafft eine volle Drehung nur mit Anlauf und einigem hin und her. Als es dann in Fahrt kommt, dreht es sich dafür viel schneller als erwartet. Wir sausen rundherum, den Wind im Resthaar und die Fliehkraft zerrt an den Gliedern. Dazu macht das Riesenrad jammernde Geräusche und knackige Bewegungen. Als wir einmal auf dem höchsten Punkt zu stehen kommen, schaue ich mir eine Schweissnaht an – sieht nach Konditoren-Handwerk aus. Reflexartig halte ich mich fest. Doch wozu, und woran? Wenn’s zusammenbricht gibt es wohl eh kein Halten mehr.

Gegen Abend fahren wir noch bis Beni-Mellal, einer Viertelmillionen-Stadt. Frau G. findet einen schönen Übernachtungsplatz im Stadtzentrum (N32.33156, W6.35435). Direkt an einem Bächlein und unter einer grossen Trauerweide. Der Schatten tut gut, heute war ein heisser Tag.

11. April 2015

Marokko: Blut und Knochen, Hand gebrochen

Der Frau G. ihr Sturz hatte nun doch schlimmere Folgen als ich damals vermutet habe. Der Mittelhandknochen vom kleinen Finger ist gebrochen. Saubere Schrägfraktur mittendurch.

Trotzdem Glück im Unglück, es hätte viel schlimmer kommen können: Schlüsselbein oder Rippe oder - öööhm - Arbeitslosigkeit.

10. April 2015

Marokko: Wasserfall, Regenbogen und blöder Aff

Wir fahren weiterhin durch die „Atlas-Voralpen“; hügelauf und ab. Bis nach Ouzoud mit seinen berühmten Wasserfällen (N32.01532, W6.71931). Bei Wasserfällen im Ausland bin ich ja immer etwas vorsichtig: Entweder fällt kein Wasser oder es fällt bloss hüfttief. Doch hier soll das anders sein!

Die Wasserfälle befinden sich praktischerweise gleich hinter den Souvenir- und Fress-Ständen. Ein gemauerter Pfad führt dem Hang entlang und schon bald hören wir die Wasserfälle tosen. Und dann sehen wir sie.

Der Bach stürzt wehrlos über die Kante und dann mehr als hundert Meter in die Tiefe. Das Wasser brodelt und die Gischt spritzt hoch hinauf. Die Sonne zaubert einen doppelten Regenbogen in den Sprühnebel.

Es sind einige Touristen hier, aber alles Marokkaner, vor allem Schulklassen. Wir schlendern auf die andere Seite der Schlucht und schauen uns das Spektakel auch von hier an. Wenn man ganz an den Rand steht, kann man ganz weit nach unten schauen.

In der Schlucht leben auch Berberaffen, eine Makaken-Art. Man kennt diese possierlichen Tierli vom Fernsehen, doch diese hier sind blöde Affen. Nie halten sie still für ein Foto; immer nur rumzappeln, wegschauen oder rennen. Bloss einer der Affen hockt seelenruhig da und fingert an seinem Pfiffli herum. Sowas mag doch keiner fotografieren! Ein anderer macht immerzu Grimassen, als ob er mich verspotten wollte.

Wir hausen gleich gegenüber der neuen Markhalle am Rande eines Olivengartens. Wunderbar ruhig und doch mitten im Dorf.

9. April 2015

Marokko: wer hat die Dinosaurier eingemauert?

Gestern Nacht hörte ich plötzlich seltsame Geräusche vom Bach unten herauf. Ich ging nachschauen: Ein betagter Peugeot war mitten im Bach „en panne“ und wurde grad herausgezerrt. Nix für mich – schlafen gehen.

Im Morgenlicht sieht die Landschaft unglaublich schön aus. Grasgrün, rote Mohnblumen, Schneeberge und tintenblauer Himmel. Die Strasse schlängelt sich gemütlich durch die Hügellandschaft. Wir ihr nach.

Vom Strassencafé aus schauen wir dem Treiben der Leute zu. Alle sind unterwegs. Und hier auf dem Land gibt es auch noch viele alte Fahrzeuge. Manche fallen schon fast auseinander, andere wurden liebevoll und bunt angemalt. Alte Ford Transen und uralte Bedford. Und alle Arten von Mercedes.

Am Mittag erreichen wir den Felsbogen von Imi n‘ifri  (N31.72407, W6.97123). Hier hat sich der Bach durch die Felsen gefressen, und die Marokkaner haben obendrüber eine Strasse gebaut. Und daneben einige Restaurants für die Touristen. Doch wir sind die einzigen hier.

Da wir wegen des ungünstigen Lichtes und dem Hochwasser den Felsbogen nicht fotografieren können, zeige ich euch stattdessen unser Mittagessen: Omlette bérbère für Frau G. und für mich einen Eimer Spaghetti.

Etwas weiter hinten im Tal ist die Landschaft noch schöner, kitschig wie in einer Joghurt-Reklame. Blumen und Schneeberge. Und weiter im Tal hinten, in Iwaridène, roten Sandsteinplatten mit Dinosaurier-Fussspuren (N31.72668, W6.90852) drauf. Wir schauen uns eine der über vierzig Fundstellen an. Insgesamt hat man in dieser Gegend etwa 1‘500 Fussabdrücken gefunden. Und sogar eine Dinosaurierart, die es nur hier gibt.

Über die Felsplatten laufen zwei Spuren von Dreizehen Dinosauriern: Einem zweibeinigen Fleischfresser mit einer Schrittweite von fast drei Meter und mit Schuhnummer 60. Wie ein riesiger Strauss, aber eben viiiel älter und ausgestorbener.

8. April 2015

Marokko: die geilste Strasse über den Atlas

Ich sag’s gleich im voraus; heute war ein wunderschöner Tag – und ich meine damit nicht nur das Wetter. Angefangen hat alles an unserem Übernachtungsplatz in Taroudannt. In der Palme über uns hockt ein Vogel und pfeift die Nokia-Wecker-Melodie. Also stehen wir auf und frühstücken.
Die Sonne scheint und es weht ein lauer Wind. Heute wollen wir über den Hohen-Atlas drüber und dann bis in die Gegend von Marrakesch fahren. Und zwar über den Tizi-n-Test, den spektakulärsten der Atlas-Pässe.

Der Aufstieg zur Passhöhe ist kurz und kurvenreich, nur 35 Kilometer für die 1‘500 Höhenmeter. Ein Teil der Strasse wurde seit dem letzten Mal stark verbreitert und verbessert worden, doch der obere Teil ist immer noch herrlich – öööhm – herzhaft.
In den Spitzkehren kann man wunderbar in den Abgrund blicken. Oder zu den Schneebergen weiter oben. Oder über das Souss-Tal hinüber zum Anti-Atlas, wo wir gestern waren. Nebelschwaden ziehen den Hang hinauf und die Dohlen kreisen im Aufwind.

Auf der Passhöhe (N30.868397, W8.379051) kehren wir im Strassencafé ein, sitzen am Kaminfeuer und trinken Kaffee. Der Mustapha bringt das Gästebuch und ich finde unseren Eintrag vom letzten Mal! Wir plaudern und scherzen und verarzten einen Kranken.

An den Schattenhängen liegt immer noch etwas Schnee. Und die Viertausender gegenüber sind schneeweiss. Wir fahren gemütlich bergab. Die Abfahrt ist mit weit über hundert Kilometer wesentlich länger als der Anstieg. Vom Winter kommen wir nach und nach in den Frühling. Alles blüht und grünt. Auf einem Stein hocken sogar zwei Wiedehopfe. Oder heisst das Wiedehöpse?

Wir fahren durch grandiose Schluchten. Immer wieder sehen wir am Gegenhang kleine Dörfer. Kümmerlich und aus Lehm gebaut. Zitterige Holzstege führen über den Bach.
Die Regenfälle der letzten Woche haben unzählige Felsstürze, Steinschläge und Murgänge ausgelöst. Wir fahren durch Schlammpfützen und Geröllfelder. Irgendwo liegt ein Stein so gross wie ein Smart auf der Strasse; daneben ein Einschlagkrater in derselben Grösse.

Gegen Abend kommen wir ins Flachland hinter Marrakesch. Wir fahren in ein Dorf hinaus und finden einen lauschigen Schlafplatz (N31.345397, W7.894189) zwischen Olivenbäumen und blühenden Kakteen. In der Ferne kläfft ein Köter. Aufziehende Wolken verhindern einen ordentlichen Sonnenuntergang.

Gleich hinter uns geht der Weg über ein Bächlein, das „Hochwasser“ führt. Nur dreissig Zentimeter Wasser, doch die haben ausgereicht um die Furt wegzuschwemmen. Der Weg ist seit fünf Tagen unbefahrbar. Die Leute müssen nun durch den Bach waten und alles bis zu ihrem Dorf hinauf tragen.