Ich sag’s gleich im voraus; heute war ein wunderschöner Tag
– und ich meine damit nicht nur das Wetter. Angefangen hat alles an unserem
Übernachtungsplatz in Taroudannt. In der Palme über uns hockt ein Vogel und
pfeift die Nokia-Wecker-Melodie. Also stehen wir auf und frühstücken.
Die Sonne scheint und es weht ein lauer Wind. Heute wollen
wir über den Hohen-Atlas drüber und dann bis in die Gegend von Marrakesch
fahren. Und zwar über den Tizi-n-Test, den spektakulärsten der Atlas-Pässe.
Der Aufstieg zur Passhöhe ist kurz und kurvenreich, nur 35
Kilometer für die 1‘500 Höhenmeter. Ein Teil der Strasse wurde seit dem letzten
Mal stark verbreitert und verbessert worden, doch der obere Teil ist immer noch
herrlich – öööhm – herzhaft.
In den Spitzkehren kann man wunderbar in den Abgrund
blicken. Oder zu den Schneebergen weiter oben. Oder über das Souss-Tal hinüber
zum Anti-Atlas, wo wir gestern waren. Nebelschwaden ziehen den Hang hinauf und
die Dohlen kreisen im Aufwind.
An den Schattenhängen liegt immer noch etwas Schnee. Und die
Viertausender gegenüber sind schneeweiss. Wir fahren gemütlich bergab. Die
Abfahrt ist mit weit über hundert Kilometer wesentlich länger als der Anstieg.
Vom Winter kommen wir nach und nach in den Frühling. Alles blüht und grünt. Auf
einem Stein hocken sogar zwei Wiedehopfe. Oder heisst das Wiedehöpse?
Wir fahren durch grandiose Schluchten. Immer wieder sehen
wir am Gegenhang kleine Dörfer. Kümmerlich und aus Lehm gebaut. Zitterige
Holzstege führen über den Bach.
Die Regenfälle der letzten Woche haben unzählige Felsstürze,
Steinschläge und Murgänge ausgelöst. Wir fahren durch Schlammpfützen und
Geröllfelder. Irgendwo liegt ein Stein so gross wie ein Smart auf der Strasse;
daneben ein Einschlagkrater in derselben Grösse.
Gegen Abend kommen wir ins Flachland hinter Marrakesch. Wir
fahren in ein Dorf hinaus und finden einen lauschigen Schlafplatz (N31.345397,
W7.894189) zwischen Olivenbäumen und blühenden Kakteen. In der Ferne kläfft ein
Köter. Aufziehende Wolken verhindern einen ordentlichen Sonnenuntergang.
Gleich hinter uns geht der Weg über ein Bächlein, das „Hochwasser“ führt. Nur dreissig Zentimeter Wasser, doch die haben ausgereicht um die Furt wegzuschwemmen. Der Weg ist seit fünf Tagen unbefahrbar. Die Leute müssen nun durch den Bach waten und alles bis zu ihrem Dorf hinauf tragen.
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