2. April 2015

Marokko: Applaus-Applaus, ein vegetarisches Schaf

Tafroute. Ganz unerwartet weckt uns die Morgensonne. Blau statt grau, welch eine Überraschung. Ganz aufgeregt schlinge ich das Frühstück runter und dann nichts wie los - zu den blauen Steinen.

Ein paar Kilometer hinter Tafraoute hat der belgisch/französische Künstler Jean Vérame 1984 die Felsen angemalt. Die riesenhaften Felskugeln leuchten himmelblau, violett und rosa.

Ursprünglich waren die Felsen tintenblau und rot bemalt. Als die Original-Farbe langsam verblasste, pinselten die Marokkaner die Steine neu an. Selbstverständlich im allerorts so beliebten Hellblau. Leider.

Zwischen den Steinen treffen wir Pia und Heinz, die schon ein Leben lang reisen und seit vielen Jahren im Auto wohnen. Wir setzen uns zu ihnen uns verplappern den ganzen Nachmittag. Dann kommen die Wolken und wir gehen nachhause.

Auch heute wohnen wieder im Zentrum von Tafraoute. Im Atlas-Café nebenan gibt’s heissen Tee und WiFi, später auch noch eine Gemüse-Tajine. Diese enthält zwar kaum Gemüse, dafür aber viel Schaffleisch.
Knapp vor den ersten Regentropfen erreichen wir unsern Möbelwagen. Es ist kalt und der Muezzin heiser. Noch lange lümmeln wir auf unsern Sofas herum und lauschen den Regentropfe auf dem Dachfenster. Hört sich an wie Applaus.

1. April 2015

Marokko: ohne Hosen im Regenland

Amtoudi. Seit gestern Abend werde ich von einer Erkältung geplagt. Heisse Stirn, kalte Füsse und eine saftende Schnuddernase. Deshalb bleibe ich heute Morgen liegen, während Frau G. ganz allein zur Speicherburg hinauf wandert. Es ist stark bewölkt und kaum 10°C, als sie losmarschiert.
Später nutze ich die Wartezeit und wasche meine Hosen. Als ich eine neue Hose anziehen will, haben die alle kurze Beine. Ich habe doch tatsächlich nur ein einziges paar lange Hosen mit – und die hängen jetzt nass an der Leine!
Nach etwa eineinhalb Stunden kommt Frau G. zurück und nötigt mich, bis meine Hosen trocken sind, ihre Trainerhosen zu tragen. Also den ganzen Tag!

Inzwischen hat es begonnen zu regnen. Eigentlich wollten wir dem schlechten Wetter ausweichen, doch es regnet überall. So beschliessen wir heute weiter zu fahren. Wenn sich dann in zwei drei Tagen das Wetter bessert, sind wir wenigstens schon da.

Frau G. fährt. Ich sitze daneben und kritisiere ihre Fahrweise. Sie fährt immer so nahe am ausgefransten Strassenrand und weicht jedem Entgegenkommenden bereitwillig aus.
«Wie ein Hosenscheisser, der immer der Hauswand entlang geht und glaubt, keiner rieche ihn» sage ich. «Dann fahr du doch!» war ihre nicht sehr subtile Reaktion! Seit sie diese Ausbildung „Personalführung und Kommunikation“ macht, ist sie irgendwie aufmüpfig.

Wir fahren auf einer kleinen Nebenstrasse durch die Hügel. Nebel, Regen, manchmal beides. Kaum Dörfer, aber überall blühende Blumen.

Dann kommen wir nach Tafraoute, dem Städtchen bei den blauen Steinen. Wir finden einen ruhigen Platz im Zentrum, wo wir übernachten wollen. Rundherum gibt es zwar einige Campingplätze, aber die sind voller französischer Wohnmobile und viel zu weit vom Stadleben.

Als der Nieselregen nachlässt schlendern wir durch die Gassen. Ich will Hosen kaufen, sagt Frau G. Sie haben meine Grösse aber nicht vorrätig und bis morgen sind meine alten sowieso wieder trocken. Also kaufe ich stattdessen diese fettgebacken Teigkringel; sechs Stück für fünf Dirham. Heiss und knusprig schmecken die wie – öööhm - guuut.

31. März 2015

Marokko: dunkelschwarze Wolken auf der Burg

Guelmin. Kaum ist der Regen vorbei, machen wir uns auf den Weg. Von Guelmin fahren wir auf einer kleinen Nebenstrasse südlich um die Berge herum. Immer in einem breiten Flusstal. Kaum Leute, aber überall diese lila Blumen.

Wolken jagen über den Himmel, zwischendurch regnet es, dann scheint aber auch wieder die Sonne.
Bei Taghjijt überqueren wir die Hauptstrasse und fahren nach Norden bis nach Amtoudi. Hier alle Wege zu Ende. Hinter dem Dorf thront hoch auf einem Felsen oben die alte Speicherburg „Agadir-id-Aissa“. Ein Weg führt zickzack den Geröllhang hinauf.

Kaum sind wir da, kommen wieder dunkelschwarze Wolken und eisiger Wind. Wir verkriechen uns in unseren Möbelwagen und tun Dinge. Und nix oder dösen herum.

Amtoudi ist ein abgelegenes Dorf zwischen einem Wildbach und einer Felswand. Auf den wenigen ebenen Flächen pflanzen sie Getreide und etwas Gemüse. Dazwischen ein paar Oliven- und Feigenbäume. Und im Geröll fressen hagere Ziegen dürres Gestrüpp. Aber es gibt eine Trinkwasserversorgung, einen Schulbus, Strom, Telefon und eine Teerstrasse – wie überall in Marokko. Der König will das Land unbedingt entwickeln und die Armut überwinden.

Wir wandern durchs Dorf und weiter in die Schlucht hinein. An den Felsen entlang führen offene Wasserkanäle für die kleinen Gärten und die wenigen Häuser. Es ist scheisskalt, aber wunderschön.

30. März 2015

Marokko: das Wüstenschiff

Nach dem wir unsere Post und unseren Haushalt erledigt haben, beschliessen wir die Schönwetterlücke zu nutzen und einen Ausflug zu machen. Nach Foum Draa, da wo der Fluss Draa in den Atlantik mündet.
Von hier führen gut 32 Kilometer Piste direkt dahin. Unterwegs sehe ich in der Ferne einen Panzer-Schrottplatz. Also quer hinüber und die Dinger anschauen. Knapp bevor wir da sind kommen zwei Männer gelaufen und fuchteln wild mit den Armen. Dies sei ein Sperrgebiet, militärisch, geheim, nix für uns. Ich entschuldige meine Unwissenheit und besänftige die beiden mit einer Packung Keksen.

In Foum Draa blicken wir hinunter in die Flussmündung. Die Flut drückt gerade herein und die Möwen hocken auf den Felsen und beraten den Tagesplan.

Nach weiteren 30 Kilometer kommen wir wieder nach Tan-Tan. Etwas ausserhalb besuchen wir den grossen Festplatz, wo jedes Jahr der „Moussem“ stattfindet; ein religiöses Fest mit Reiterspielen und Volksfest.

Auf dem Hügel stehen zwei Beton-Kamele (N28.4596, W11.1008). Ich verstecke mich dahinter, aber irgendwie findet mich Frau G. sofort.
Auf der anderen Seite des Berges ist eine längst verlassene Siedlung und das Grab vom Scheich Mohamed Laghdaf Ma el Ainin (N28.4602, W11.0892), einem hochverehrten Widerstandskämpfer gegen die Kolonialmächte Frankreich und Spanien. Er ist übrigens der Sohn vom von Scheich Maouelainin aus Samara.

Mitten im Fluss Oued Khil stehen die Überreste eines gemauerten Schiffes. Im Bug steht eine Palme, im Heck ist ein Kiosk und im Rumpf ein Schwimmbad. Jetzt ist es aber nur noch ein Wrack - und dem Fluss fehlt das Wasser.

In Tan-Tan kaufen wir Proviant und sitzen ausgiebig im Café. Dann machen wir uns auf den Weg nach Guelmin. Die Wolken stürmen über den Himmel, aber zwischendurch scheint auch die Sonne. Bunte Landschaft und zwei freundliche Polizeikontrollen.

Wie es der Zufall so will, kommen wir mitten in Guelmin direkt vor dem BAHJA-SNACK zum Stehen. Wir mampfen gemischten Salat, Bohneneintopf und gebratenen Fisch. Frau G. stattdessen Huhn mit Gemüse. Schmeckt gut und dann platzt ein Regen über uns. Gut dass unsere Wohnung gleich vor der Tür steht.
Wir übernachten am Stadtrand auf dem Knutsch-Platz der einheimischen Jugend. Es regnet mehr oder minder meistens. Die Liebespaare scheint das aber nicht zu stören.
Jetzt wo sie in der Schweiz auf Sommerzeit umgestellt haben, beträgt die Differenz schon zwei Stunden. Und ich bin am Abend noch müder als vorher.

28. März 2015

Marokko: der Sack mit dem Lavendel

Neulich kauften wir zwei Rollen Müll-Säcke. Die waren preiswert und lavendelfarbig. Später musste ich dann schmerzlich erfahren, dass sie auch nach Lavendel „duften“. Also sehr lavendelig - als ob ein durchgedrehter Chemiker Amok gelaufen wäre. Ich würde sagen, es geht schon eindeutig in Richtung stinken. 

27. März 2015

Marokko: Spuren des Krieges

Im Grenzgebiet Westsahara. In der Nacht stürmte es ghörig. Am Morgen ist es noch kälter als gestern, aber wenigstens scheint wieder die Sonne. Wir fahren weiterhin nordwärts. Am Horizont sehen wir eine Regenfront, also machen wir langsam.

Einige Kilometer neben der Strasse sehe ich ein Marabut, ein Grab eines frommen Mannes. Wir fahren hin – und finden ein grosses Gräberfelder (N27.7455, W11.5382). Alte Gräber in Reih und Glied, vielleicht Opfer des Marokkokrieges vor dreissig Jahren?

Später lese ich, dass im April 1979 hier ein heftiger Kampf tobte. Dabei starben 25 Saharaoui und 5 marokkanische Soldaten. Traurig, die Saharaoui liegen wohl immer noch hier in der Einsamkeit.

Ziemlich genau 100 Kilometer vor Tan-Tan entdecken wir im Westen zahlreiche bienenkorbförmige Hütten. Wie Trulli, aber aus Lehm gebaut. Eigenartig. Immer um einen grossen rechteckigen Platz angeordnet. Vermutlich alte Feldlager der Armee?

Eine halbe Stunde vor Tan-Tan überseicht uns ein Platzregen. Wir fahren in die Stadt und schauen die Wetterprognose an. Die sieht gar nicht gut aus. Nördlich von hier erwartet man in den nächsten Tagen schlechtes Wetter, kalt und Regensturm.
Sowas können wir jetzt gar nicht gebrauchen. Wir beschliessen einige Tage hier zu bleiben und das schlechte Wetter auszusitzen.

Wir fahren an den 25 Kilometer entfernten Strand von El Ouatia und verkriechen uns auf einem Campingplatz hinter der Oleanderhecke. Am Nachmittag besser sich das Wetter wieder, doch der eiskalte Wind bleibt. Dann kommt der Regen, dann wieder die Sonne, dann ...

Dazwischen kommen zwei Fischer mit einer frischgefangenen Languste vorbei. Das riesige Tier schimmert in allen Farben. Schmeckt bestimmt lecker, doch kaufen will ich es nicht. Ich habe nämlich keine Ahnung, wie man sowas tot macht und kocht.