9. Mai 2016

Iran: Welt der Wunder

Das Frühstück war heute wie immer, aber mit Wurst. Und mit Pulverkaffee. Es ist wieder ein wunderschöner Frühlingsmorgen. Die Blumen blühen still vor sich hin und die Bäume schütteln ihre Blätter im Wind. Ein Vogel lässt mir einen spiegeleigrossen Schiss auf den Kopf fallen, nur gut dass ich meine neue Mütze trage.

Im Bazar wie jeden Tag dämmriges Licht. Nur durch die kleinen Öffnungen in den Kuppeln fingern da und dort Sonnenstrahlen herein. Die Auslagen in den Ladengeschäften sind dann aber hell beleuchtet. Alles glänzt, glitzert und lockt. Und dazwischen sitzen die Händler und warten auf Kunden. Anders als zum Beispiel in Istanbul sprechen die Händler die Kunden nicht an, sondern warten geduldig, bis sich jemand für etwas interessiert.

Wir schlendern durch die Bazar Gassen und schauen uns die Augen aus dem Kopf. Die Kupferschmiede schmieden Gefässe aus Kupfer. Die Goldschmiede schmieden Gold und die Baumwolldrucker drucken – öööhm, ihr versteht das Prinzip.
Frau G. kauft sich eine kleine Schmuckschatulle aus Ebenholz und Kamelknochen. Ich nix.

Im Bazar gibt es auch einige Moscheen und einige Innenhöfe mit schönen Gärten und üppigen Wasserspielen. Was es aber nur wenig gibt, sind Gaststätten oder Kaffeehäuser. Eines gibt es gleich beim Eingang, das „Café Narvan“ mit dem feinen Kuchen und den netten Kellnern. Ein anderes ist das „Café Espadana“ in einem Innenhof neben der Lotfollah Moschee.

Zufällig kommen wir an einem Handtaschengeschäft vorbei. Frau G. erwirbt eine iranische Designer-Handtasche. Wozu weiss ich nicht; denn ich könnte wetten, zuhause hat sie schon eine.

Am Abend spazieren wir durch die nächtlichen Strassen. Alles ist buntzappelnd erleuchtet. Und alles was Beine oder Räder hat ist unterwegs. Wir trinken eisgekühlten Granatapfelsaft und essen türkische Sandwiches. Isch gut - Isfahan.

7. Mai 2016

Iran: unser Miet-Schwan

Welcher Weltreisende träumt nicht sein Leben lang davon, einmal mit einem iranischen Schwanen-Tretboot zu fahren? Jeder. Odr so.
Und heute fliesst im Zayandeh Rud, dem grossen Fluss Isfahans, besonders viel Wasser. Also wollen wir – öööhm, also eher ich – die Gelegenheit nutzen und uns einen Schwan mieten. Der Zweier kostet bloss 60 Tausend Rial, was ich für so ein Gefährt recht preiswert finde.

Frau G. verbirgt ihre Begeisterung anfänglich recht geschickt hinter ihrem ausdruckslosen Gesicht. Doch nach dem Ablegen hat sie dann keine Wahl mehr, sie muss mitfahren. Wir pedalen genüsslich zur „Si-o-se Pol“ hinunter. Erst als wir wieder flussaufwärts strampeln, merken wir, dass bis jetzt weniger unsere athletischen Beine, sondern vielmehr die Strömung für Vortrieb gesorgt hat.

Die Vorstellung, wie wir zwei in einem Schwan aus Polyester erst mit einem Brückenpfeiler kollidieren und danach im knietiefen Wasser untergehen ist zwar reizvoll, aber auch unbeschreiblich schrecklich. Also strampeln wir unsern Schwan bergwärts. Wo uns Frau G. gekonnt zum rettenden Pier steuert und anlegt.
Keiner wird je erfahren, war‘s die Anstrengung, Abschiedstränen oder der Angstschweiss?

6. Mai 2016

Iran: das zweitschönste Haus der Welt

Isfahan. Die Imam-Moschee hiess früher Königs-Moschee und ist die prächtigste Moschee Isfahans. Sie steht am südlichen Ende des Meidan-e Imam. Das grosse Gebäude mit den beiden Türmen direkt am Platz ist aber nicht etwa die Moschee, sondern bloss das Eingangstor.
Hinter dem Torgebäude kommen wir zuerst in den grossen Hof, wo sich jeden Freitag die Gläubigen treffen. Heute sind grad Arbeiter daran, das Stangengerüst für das Schattendach aufzubauen. Wenn es fertig ist, wird man von den grossartigen Fassaden kaum mehr was sehen können.

Die Imam-Moschee ist ein Meisterwerk islamischer Baukunst. Die blaue Kuppel schwebt hoch über dem Innenhof. Sie werde um 1620 erbaut und ist insgesamt etwa fünfzig Meter hoch. Seither wurde sie immer wieder erneuert und repariert. Ich habe sie jedenfalls noch nie ohne Gerüst gesehen.

Die farbig glasierten Ziegelsteine der Kuppelaussenseite werden am Boden in einer Negativform zusammengestellt und dann zu handlichen Bauplatten vergossen. Diese transportiert man dann zur Kuppel hinauf und vermauert sie zu dem einzigartigen Dekor.
Da die glasierten Ziegelsteine den Frost und Regen nicht gut vertragen, ist das ein ewiges Werk.

Gleich nebenan hält ein Ladengeschäft so frittierte Teigtaschen feil. Aus rein wissenschaftlichen Gründen – der Soziologe spricht da von „teilnehmender Beobachtung“ – erwerbe ich eine. Aussen goldgelb und knusprig, innen mit weichen Wurst-Schnipseln und Käse gefüllt. Nicht schlecht, aber kein kulinarischer Meilenstein. Da hilft auch die mitgelieferte Sosse nix.

Die Scheich Lotfollah Moschee steht wie die Imam-Moschee schräg hinter den Arkaden des Meidan. Hinter dem monumentalen Tor kommen wir zuerst in einen engen, finsteren Gang. Der führt um die halbe Moschee herum, so dass wir schlussendlich genau gegenüber der Mihrab, der Gebetsnische, in den grossen Innenraum treten.
Die Lotfollah Moschee ist kleiner und viel schlichter als die Imam-Moschee nebenan. Aber sie ist nicht minder beeindruckend. Die Kuppel ist aussen wie innen karamellfarbig und üppig dekoriert.

Nur die wenigen Fenster unterhalb der Kuppel lassen etwas Licht in den Gebetsraum. Sonst ist er von der Aussenwelt abgeschottet; kein Lärm, keine Aussicht – alles konzentriert sich auf die Andacht. Ausser wenn schnatternde Touristen da sind…

Interessanterweise ähnelt das Raumgefühl dem des Pantheons in Rom. Das ist aber eineinhalb Tausend Jahre älter und etwa doppelt so gross.
Für mich ist es das schönste Gebäude der islamischen Welt. Perfekte Proportionen und Fayencen. Wo man hinschaut entdeckt man immer wieder neue Details und Zusammenhänge.

Ganz in der Nähe der Lotfollah Moschee gibt es diese herrliche Safran-Eiscreme. Die darf man keinesfalls verpassen - würden wir auch nie.

5. Mai 2016

Iran: atemberaubender Ritt mit der Seilbahn

Der markante Berg am südlichen Stadtrand von Isfahan heisst „Soffeh“. Sein Gipfel ist auf etwa 2‘200 Meter über Meer – und dahinauf gibt es seit kurzem eine Seilbahn. Genaugenommen sind es sogar zwei. Und damit möchte ich natürlich unbedingt einmal fahren.
Die Talstation (n32.5916, e51.6564) befindet sich auf etwa 1‘800 Meter Höhe und mitten in einem Vergnügungspark. Als wir ankommen ist grad Mittagspause und ich habe Zeit mir die Seilbahntechnik anzuschauen. Es ist ganz eindeutig eine vonRoll-Seilbahn aus der Schweiz. Doch vonRoll baut seit fast zwanzig Jahren keine Seilbahnen mehr; demnach ist das hier eine Occasionsbahn!

Die erste Bahn wurde 2007 eröffnet. Sie ist eine typische Umlaufbahn mit 6-er Gondeln und etwa 1‘600 Meter lang. Die Gondeln schauen gut aus, aber die Masten und die Antriebstechnik sind übel. Alt und altmodisch. Aber was soll‘s, die Fahrt ist schön.
In der Mittelstation (n32.5913, e51.6386) steigen wir gleich in die zweite Bahn um. Wieder ein Umlaufbahn, die allerdings als Pendelbahn gefahren wird. Je drei Gondeln rauf und runter, immer hin und her! Diese Bahn wurde erst im Mai 2015 in Betrieb genommen.

Die Bergstation (n32.5951, e51.6429) ist auf etwa 2‘150 Meter über Meer. Und noch im Bau. Wir landen auf einer unfertigen Plattform ohne jede Infrastruktur.
Aber der Ausblick von hier oben ist überwältigend. Ein schier unglaubliches Häusermeer breitet sich unterhalb von uns aus. Erst jetzt sehen wir, wie gross Isfahan eigentlich wirklich ist.

Der Ritt mit der „neuen“ Seilbahn auf den Soffeh hat sich auf jeden Fall gelohnt. Wo sonst bekommt man für 3,5 Millionen Rial so einen atemberaubende Ausblicke und eine Fahrt mit einem Seilbahn-Oldtimer?

An einem Fresskiosk wird ein Mais-Gericht angeboten. Es heisse „Khorn“ und es besteht aus Mais, weissem Käse, eingelegten Pilzen und verschiedenen Gewürzen. Und es schmeckt viiiel besser, als es ausschaut.
Und zum Tee gibt es wieder diese Zucker-Stäbchen. Einfach damit im Tee rühren bis es süss genug ist.

4. Mai 2016

Iran: mehr oder weniger Armenier

In Isfahan lebten seit dem 17. Jahrhundert viele verschiedene Völker – mehr oder weniger frei und mehr oder weniger freiwillig. Zu denen gehören auch die Armenier. Sie wohnen bis heute ennet dem Fluss im Quartier Jolfa. Wir fahren rüber und schauen uns um.

Die armenisch-apostolische Bedchem-Kirche (n32.6364, e51.6579) ist von aussen eher unscheinbar, der Innenraum ist dann umso prächtiger. Er ist von oben bis unten mit Bibel-Szenen bemalt und üppig vergoldet. Es riecht nach Weihrauch und alten Socken.

Gar nicht weit entfernt steht die Vank-Kathedrale (n32.6349, e51.6558). Der Kirchenraum ähnelt dem der Bedchem-Kirche. Über und über mit heiligen bemalt. Ich frage einen der Aufpasser nach der heiligen Agatha? Aber ausgerechnet von ihr gibt es hier kein Bild.

Noch beeindruckender als den Innenraum gefällt uns der Hof. Hohe Bäume und Mauern bilden wunderschöne Plätze und Räume. Und hoch über all dem thront die schlichte Backsteinkuppel der Kathedrale.
Neben der Kathedrale gibt es auch noch ein Museum mit Exponaten aus der Geschichte der Armenier in Isfahans. Da ist aber grad eine Gruppe Engländer drin, deshalb sitzen wir in eine Mauernische und warten bis die Karawane weiter zieht. Das interessanteste Ausstellungsstück ist ein halbiertes Haar, wo jemand einen frommen Text drauf geschrieben hat! Man sieht es nur mit einem Mikroskop. Ich bin − öööhm − sprachlos.

3. Mai 2016

Iran: drei Brücken in Isfahan

Da wir heute noch unseren „Tondar“ haben, wollen wie eine Stadtrundfahrt machen und die etwas weiter entfernten Sehenswürdigkeiten anschauen. Jetzt am Vormittag sollte auch der Strassenverkehr noch einigermassen erträglich sein. Um es gleich vorneweg zu sagen; ist er nicht!

Gleich unterhalb unseres Hotels ist die bekannteste Brücke Isfahans, die „Si-o-se Pol“ – die 33-Bogen-Brücke (n32.6445, e51.6675). Sie wurde um 1600 erbaut uns ist knapp 300 Meter lang. Heute fliesst Wasser und damit sieht sie toll aus.

Früher war unter den ersten Brückenbögen ein Lieblings-Café, jetzt leider nicht mehr.
Wir fahren am Zayandeh Rud, dem grossen Fluss Isfahans entlang nach Osten. Am den Ufern entlang sind viele Kilometer weit wunderbare Parks mit Frühlings-Bäumen. Das Blätterdach glitzert in der Morgensonne und auf der Strasse sind deutlich zu viele Autos unterwegs.

Unser zweiter Halt ist bei der „Pol-e Joui“ (n32.6381, e51.6776), einer Steinbrücke aus dem Jahr 1665. Einst durfte sie nur vom Schah und seinen Höflingen benutzt werden.


Die Brücke ist etwa 150 Meter lang und hat 21 Bögen. Und in der Mitte zwei Teehäuser.
Etwas weiter Flussabwärts ist noch eine alte Brücke, die „Pol-e Chādschu“ (n32.6368, e51.6833). Sie ist etwas kürzer und etwas älter, hat dafür aber 23 Bögen.

Die Brücke ist zugleich auch ein Stauwerk, damit der Fluss oberhalb auch in der trockenen Jahreszeit Wasser hat. Letzte Woche war er ja noch fast trocken, dank der Regenfälle in den Bergen führt er jetzt reichlich Wasser. Zwar braunes, aber immerhin so viel, dass der Unrat weggespült wird.

In der Mitte der Brücke befindet sich ein achteckiger Vergnügungspalast mit Aussichtsterrassen. Leider ist er jetzt zugemauert. Aber in den Mauernischen kuscheln sich schon jetzt am Morgen die Liebespaare. Zwischen den Brückenbögen sind Kunststudentinnen mit Kameras unterwegs. Am Ufer sitzen alte Männer auf den Parkbänken und debattieren. Die Brücken sind viel mehr als nur Fluss-Querungen, sie sind Lebensraum.