15. April 2015

Marokko: al-Eyjafjallajökull

Und wieder ein wunderschöner Morgen. Heute wollen wir nach Azrou fahren; Zedern und Affen schauen. Von unserem Schlafplatz in M'Rirt fahren wir auf einer kleinen Nebenstrasse direkt zu den Hügeln im Osten. Schon bald verlässt uns der Asphalt und vor uns liegt ein steiniger Feldweg. Der windet sich den steilen Hang hinauf, und dann durch den dichten Wald. Eng, Geröll, Matsch – und immer weiter.

Die Hügel werden zu Bergen. Im Schatten liegt Schnee und wir holpern durch karge Hochtäler. Nach mehr als einer Stunde Fahrt begegnen wir dem ersten und einzigen Gegenverkehr. Einem uralter Bedford mit Männern und Schafen auf der Ladefläche. Der Fahrer lacht zahnlos und wünscht uns gute Fahrt.

Langsam geht es wieder bergab. Immer noch über Stoch und Stein, aber etwas besser. In den Zedernwäldern liegt noch Schnee wie im tiefsten Winter und ich trage kurze Hosen wie im Hochsommer.

Nach mehr als drei Stunden Fahrt kommen wir an den Lac Afenourir (N33.28652, W5.24986). Ein einsamer See in einer flachen Mulde auf etwa 1‘800 Meter Höhe.


Die ganze Gegend ist mit vulkanischen Bomben übersäht und da und dort sehen wir auch grosse Dolinen. Irgendwie sieht es aus wie in Island. Fehlt nur noch so ein ein Eyjafjallajökull - oder wie dieser Hügel heisst.

14. April 2015

Marokko: Fruchtbare Einöde und Frauen

Ein wunderbarer Frühlingsmorgen in Beni-Mellal. Es ist noch ganz ruhig und die Sonne wirft Lichtstreifen aufs Frühstückbrot. Nebenan wäscht einer im Bach seinen blaugrünen Peugeot.
Wir fahren zwei drei Kilometer den Berg hinauf und schauen von hier oben über die Stadt und die Landschaft.

Als wirklich schön kann man Beni-Mellal wohl nicht bezeichnen, eher als Häuserbrei, wie in die Landschaft ge... - öööhm – gebaut.
Unser Benz brummt mit uns gemütlich nordwärts. Die Landschaft ist sehr fruchtbar, auf saftiggrünen Wiesen weiden kugelrunde Kühe und die Orangenbäume tragen grad Früchte. Und selbst viele der Frauen tragen kleine Kinder auf dem Rücken.

Uns gelüstet es nach Kaffee und Mittagsschlaf. Beides erledigen wir in Zaouiat Cheikh. Entlang der Hauptstrasse steht eine lange Reihe von Tajine-Küchen. Die Leute sitzen unter Schattenzelten und schlemmen. Sogar einen Touristenbus hält an und spuckt seine Gäste raus.

Wir fahren noch bis Khénifra, finden in der recht grossen Stadt keinen brauchbaren Übernachtungsplatz. Es gibt hier bloss staubige Strassen mit zahllosen Ladengeschäften, aber keine Plätze. Und schon gar keine netten mit Schattenbäumen und etwas Ruhe. Fahren wir halt etwas weiter und schauen weiter.
Am Rande von M'Rirt stellen wir uns an den Bach (N33.15307, W5.56258). Es sind einige Ausflügler da, picknicken, spielen Fussball und einige Buben baden sogar.

Heute haben wir auf der Hauptstrasse wieder einen dieser Fahrrad-Reisenden gesehen. Man meint immer, die hätten viel Kontakt zur Bevölkerung und sähen viel vom Land. Aber allen denen wir begegnen, blickten immer nur stur gerade und strampeln ihrem Etappenziel entgegen. Den heutigen haben wir nach jeder unserer Pausen und Ausflügen wieder überholt. Jedesmal war er am pedalen, für kleine Ausflüge und Umwegen scheint er keine Zeit, Kraft oder Musse zu haben? Immer nur tretentreten-treten.

13. April 2015

Marokko: wir tollkühnen Reiter

Heute in einer Woche fährt unser Schiff. So langsam sollten wir ein stückweit nach Norden fahren. Immer noch herrlich bunte Frühlings-Hügel. Wir rollen gemütlich dahin. Im Städtchen Ait-Âttab sind auffallend viele Leute unterwegs. Am Stadtrand sehen wir erst einen riesigen Markt, dann weisse Zelte und bunte Pferde.

Das müssen wir uns aus der Nähe anschauen. Der Parkplatzeinweiser erzählt, dass heute der Moussem zu Ehren von Moulay-Âïssa-Rendriss, einem hochverehrten Lokalheiligen stattfinde.

Zuerst schauen wir den Reiterspielen zu. Es sind mehrere Dutzend Reitergruppen da. Alle in traditionellen Gewändern und bis auf die Zähne bewaffnet. Gruppenweis galoppieren sie quer über den Platz auf die Zelte der Ehrengäste zu und schiessen mit ihren Flinten in die Luft. Nacheinander jede Gruppe.

Hinter dem Platz wurde ein ganzes Zeltdorf aufgebaut; Wohnzelte, Stallungen, Festsäle. Entlang des Reitplatzes ist ein riesiger Markt; bestimmt einen Kilometer lang. Wir knabbern Erdnüsse, frisch gebratenen Chips und trinken Orangensaft. Die Leute sind sehr nett und zurückhaltend. Nicht ein einziges Mal werden wir dumm angemacht.

Am Ende des Marktes ist noch ein grosser Vergnügungspark mit allerlei Ständen. Man kann auf Zigarettenpäckli schiessen, Karussell fahren oder dem wagemutigen Motorradfahrer an der Todeswand zuschauen.

Mit ohrenbetäubendem Lärm rast der Artist an der senkrechten Wand entlang rundherum. Zur Belustigung macht er noch Kapriolen und allerlei Spässchen, fährt freihändig, oder spreizbeinig. Und das alles ohne Helm, dafür mit einer Zigarette im Mundwinkel.
Ich besuche den tollkühnen Steilwandfahrer nachher hinter den Kulissen und gratuliere ihm zur gelungenen Vorstellung. Er freut sich riesig und sein Kumpel auch.

Nebenan stehen kleine Zelte auf lauter Männerbeinen. Ich schaue in eines hinein. Die Männer drängen sich um einen Spieltisch und würfeln um Geld! Glückspiele, doch der liebe Gott kann’s ja nicht sehen.

Als Abschluss machen wir einen Ritt auf dem Riesenrad. Ein klappriges Konstrukt mit Riemenantrieb und Gondeln mit lustigen Blütendächern. Zusammen mit zwei Mädchen nehmen wir Platz und fahren los.

Das Riesenrad schafft eine volle Drehung nur mit Anlauf und einigem hin und her. Als es dann in Fahrt kommt, dreht es sich dafür viel schneller als erwartet. Wir sausen rundherum, den Wind im Resthaar und die Fliehkraft zerrt an den Gliedern. Dazu macht das Riesenrad jammernde Geräusche und knackige Bewegungen. Als wir einmal auf dem höchsten Punkt zu stehen kommen, schaue ich mir eine Schweissnaht an – sieht nach Konditoren-Handwerk aus. Reflexartig halte ich mich fest. Doch wozu, und woran? Wenn’s zusammenbricht gibt es wohl eh kein Halten mehr.

Gegen Abend fahren wir noch bis Beni-Mellal, einer Viertelmillionen-Stadt. Frau G. findet einen schönen Übernachtungsplatz im Stadtzentrum (N32.33156, W6.35435). Direkt an einem Bächlein und unter einer grossen Trauerweide. Der Schatten tut gut, heute war ein heisser Tag.

11. April 2015

Marokko: Blut und Knochen, Hand gebrochen

Der Frau G. ihr Sturz hatte nun doch schlimmere Folgen als ich damals vermutet habe. Der Mittelhandknochen vom kleinen Finger ist gebrochen. Saubere Schrägfraktur mittendurch.

Trotzdem Glück im Unglück, es hätte viel schlimmer kommen können: Schlüsselbein oder Rippe oder - öööhm - Arbeitslosigkeit.

10. April 2015

Marokko: Wasserfall, Regenbogen und blöder Aff

Wir fahren weiterhin durch die „Atlas-Voralpen“; hügelauf und ab. Bis nach Ouzoud mit seinen berühmten Wasserfällen (N32.01532, W6.71931). Bei Wasserfällen im Ausland bin ich ja immer etwas vorsichtig: Entweder fällt kein Wasser oder es fällt bloss hüfttief. Doch hier soll das anders sein!

Die Wasserfälle befinden sich praktischerweise gleich hinter den Souvenir- und Fress-Ständen. Ein gemauerter Pfad führt dem Hang entlang und schon bald hören wir die Wasserfälle tosen. Und dann sehen wir sie.

Der Bach stürzt wehrlos über die Kante und dann mehr als hundert Meter in die Tiefe. Das Wasser brodelt und die Gischt spritzt hoch hinauf. Die Sonne zaubert einen doppelten Regenbogen in den Sprühnebel.

Es sind einige Touristen hier, aber alles Marokkaner, vor allem Schulklassen. Wir schlendern auf die andere Seite der Schlucht und schauen uns das Spektakel auch von hier an. Wenn man ganz an den Rand steht, kann man ganz weit nach unten schauen.

In der Schlucht leben auch Berberaffen, eine Makaken-Art. Man kennt diese possierlichen Tierli vom Fernsehen, doch diese hier sind blöde Affen. Nie halten sie still für ein Foto; immer nur rumzappeln, wegschauen oder rennen. Bloss einer der Affen hockt seelenruhig da und fingert an seinem Pfiffli herum. Sowas mag doch keiner fotografieren! Ein anderer macht immerzu Grimassen, als ob er mich verspotten wollte.

Wir hausen gleich gegenüber der neuen Markhalle am Rande eines Olivengartens. Wunderbar ruhig und doch mitten im Dorf.

9. April 2015

Marokko: wer hat die Dinosaurier eingemauert?

Gestern Nacht hörte ich plötzlich seltsame Geräusche vom Bach unten herauf. Ich ging nachschauen: Ein betagter Peugeot war mitten im Bach „en panne“ und wurde grad herausgezerrt. Nix für mich – schlafen gehen.

Im Morgenlicht sieht die Landschaft unglaublich schön aus. Grasgrün, rote Mohnblumen, Schneeberge und tintenblauer Himmel. Die Strasse schlängelt sich gemütlich durch die Hügellandschaft. Wir ihr nach.

Vom Strassencafé aus schauen wir dem Treiben der Leute zu. Alle sind unterwegs. Und hier auf dem Land gibt es auch noch viele alte Fahrzeuge. Manche fallen schon fast auseinander, andere wurden liebevoll und bunt angemalt. Alte Ford Transen und uralte Bedford. Und alle Arten von Mercedes.

Am Mittag erreichen wir den Felsbogen von Imi n‘ifri  (N31.72407, W6.97123). Hier hat sich der Bach durch die Felsen gefressen, und die Marokkaner haben obendrüber eine Strasse gebaut. Und daneben einige Restaurants für die Touristen. Doch wir sind die einzigen hier.

Da wir wegen des ungünstigen Lichtes und dem Hochwasser den Felsbogen nicht fotografieren können, zeige ich euch stattdessen unser Mittagessen: Omlette bérbère für Frau G. und für mich einen Eimer Spaghetti.

Etwas weiter hinten im Tal ist die Landschaft noch schöner, kitschig wie in einer Joghurt-Reklame. Blumen und Schneeberge. Und weiter im Tal hinten, in Iwaridène, roten Sandsteinplatten mit Dinosaurier-Fussspuren (N31.72668, W6.90852) drauf. Wir schauen uns eine der über vierzig Fundstellen an. Insgesamt hat man in dieser Gegend etwa 1‘500 Fussabdrücken gefunden. Und sogar eine Dinosaurierart, die es nur hier gibt.

Über die Felsplatten laufen zwei Spuren von Dreizehen Dinosauriern: Einem zweibeinigen Fleischfresser mit einer Schrittweite von fast drei Meter und mit Schuhnummer 60. Wie ein riesiger Strauss, aber eben viiiel älter und ausgestorbener.