Heute in einer Woche fährt unser Schiff. So langsam sollten
wir ein stückweit nach Norden fahren. Immer noch herrlich bunte
Frühlings-Hügel. Wir rollen gemütlich dahin. Im Städtchen Ait-Âttab sind
auffallend viele Leute unterwegs. Am Stadtrand sehen wir erst einen riesigen
Markt, dann weisse Zelte und bunte Pferde.
Das müssen wir uns aus der Nähe anschauen. Der
Parkplatzeinweiser erzählt, dass heute der Moussem zu Ehren von
Moulay-Âïssa-Rendriss, einem hochverehrten Lokalheiligen stattfinde.
Zuerst schauen wir den Reiterspielen zu. Es sind mehrere
Dutzend
Reitergruppen da. Alle in traditionellen Gewändern und bis auf die
Zähne bewaffnet. Gruppenweis galoppieren sie quer über den Platz auf die Zelte
der Ehrengäste zu und schiessen mit ihren Flinten in die Luft. Nacheinander
jede Gruppe.
Hinter dem Platz wurde ein ganzes Zeltdorf aufgebaut;
Wohnzelte, Stallungen, Festsäle. Entlang des Reitplatzes ist ein riesiger
Markt; bestimmt einen Kilometer lang. Wir knabbern Erdnüsse, frisch gebratenen
Chips und trinken Orangensaft. Die Leute sind sehr nett und zurückhaltend.
Nicht ein einziges Mal werden wir dumm angemacht.
Am Ende des Marktes ist noch ein grosser
Vergnügungspark mit
allerlei Ständen. Man kann auf Zigarettenpäckli schiessen, Karussell fahren
oder dem wagemutigen Motorradfahrer an der Todeswand zuschauen.
Mit ohrenbetäubendem Lärm rast der Artist an der senkrechten
Wand entlang rundherum. Zur Belustigung macht er noch Kapriolen und allerlei
Spässchen, fährt freihändig, oder spreizbeinig. Und das alles ohne Helm, dafür
mit einer Zigarette im Mundwinkel.
Ich besuche den tollkühnen Steilwandfahrer nachher hinter den Kulissen und gratuliere ihm zur gelungenen Vorstellung.
Er freut sich riesig und sein Kumpel auch.
Nebenan stehen kleine Zelte auf lauter Männerbeinen. Ich
schaue in eines hinein. Die Männer drängen sich um einen Spieltisch und würfeln
um Geld! Glückspiele, doch der liebe Gott kann’s ja nicht sehen.
Als Abschluss machen wir einen Ritt auf dem Riesenrad. Ein
klappriges Konstrukt mit Riemenantrieb und Gondeln mit lustigen Blütendächern.
Zusammen mit zwei Mädchen nehmen wir Platz und fahren los.
Das Riesenrad schafft eine volle Drehung nur mit Anlauf und einigem hin und
her. Als es dann in Fahrt kommt, dreht es sich dafür viel schneller als
erwartet. Wir sausen rundherum, den Wind im Resthaar und die Fliehkraft zerrt
an den Gliedern. Dazu macht das Riesenrad jammernde Geräusche und knackige
Bewegungen. Als wir einmal auf dem höchsten Punkt zu stehen kommen, schaue ich
mir eine Schweissnaht an – sieht nach Konditoren-Handwerk aus. Reflexartig
halte ich mich fest. Doch wozu, und woran? Wenn’s zusammenbricht gibt es wohl eh
kein Halten mehr.
Gegen Abend fahren wir noch bis Beni-Mellal, einer
Viertelmillionen-Stadt. Frau G. findet einen schönen Übernachtungsplatz im
Stadtzentrum (N32.33156, W6.35435). Direkt an einem Bächlein und unter einer
grossen Trauerweide. Der Schatten tut gut, heute war ein heisser Tag.