10. Mai 2016

Iran: Metro, Pizza und Tränen

Heute ass ich mein Frühstücks-Fladenbrot mehrlagig – was, wie man weiss, nicht nur beim Klopapier vorteilhaft ist. Anschliessend gingen wir Metro fahren. Mitte Oktober 2015 ging nämlich das erste Teilstück der Linie 1 der Isfahaner Metro in Betrieb.

Ab der Station „Shohada“ (n32.6720, e51.6712) fährt die Metro elf Kilometer bis in den Vorort Qods. Der Bahnhof Shohada befindet sich in der Mette eines grossen Kreisverkehrs, einfach zwei Stockwerke tiefer unten. Wir sind heute die einzigen Fahrgäste. Wir plaudern ein wenig mit dem Personal und bekommen sogar Metro-Bonbon geschenkt.

Der Fahrdienstleiter begrüsst uns sogar mit einer eigens an uns gerichteten Lautsprecherdurchsage. Dann fährt die nagelneue Metro ein, ein Fabrikat aus Korea. Wir reiten ein paar Stationen bis zur Station „Kaveh“ (n32.6986, e51.6725).

Dieser Bahnhof ist nämlich oberirdisch, und hier befindet sich auch das Bahnbetriebswerk. Deshalb hat dieser Bahnhof vier Geleise und viel Technik. Doch heute scheint er wie ausgestorben, ausser dem Personal ist kaum jemand hier.
Gleich nebenan ist auch der grosse Busbahnhof „Kaveh“ (n32.7005, e51.6739). Von hier fahren die Busse vor allem nach Norden und Westen. Und hier herrscht emsige Betriebsamkeit. Viele Busse und noch mehr Passagiere. Alles wohl organisiert und geordnet. Und alles voller Ladengeschäfte, Kioske und Taxis. Sogar Friseure, ein Hotel und eine Moschee gibt es hier. Welch ein Unterschied zu der gähnend leeren Metro nebenan?

Auf der Rückfahrt sind dann etwas mehr Leute in der Metro, aber sehr viele sind es auch nicht. Schade, aber vermutlich bessert sich das, wenn die Metro dereinst bis ins Stadtzentrum fährt?
Wir setzen wir uns in den Hascht Bescht Park (n32.6533, e51.6704) und geniessen die Bäume, Blumen und Wasserspiele. Auf den Kinderspielplätzen toben die Gofen und auf den Bänkli sitzen die alten Männer und plaudern. Einige spielen Boggia oder sowas ähnliches.

Heute ist unser letzter Tag in Isfahan. Deshalb wollen wir nichts unternehmen, sondern bloss noch ein bisschen herumlungern. Ich will noch ein paar Fotos machen, und vielleicht noch einige Baustellen anschauen. Odr so.
Mit jeder Stunde wird das Wetter schlechter; dicke Wolken und kalter Wind. Wir spazieren über den Meidan-e-Immam – oder Naqsh-e Jahan Platz, wie er neustens genannt wird – den grandiosen Platz im Herzen Isfahans. Es sind wieder viele Leute da. Nicht mehr so viele wie an unserem ersten Tag, aber immer noch viele. Manche sitzen im Rasen und picknicken, andere schieben ihre Kinderwagen rundherum. Die Jungmänner sind auf Brautschau und die Sportlichen rollen genüsslich mit ihren brandneuen Mountainbikes umher. Ganz besonders in sind die Fat-Bikes mit ihren dicken Pneus.

Zur Abwechslung versuche ich heute mal eine Safran-Eiswaffel. Isch gut, aber nix besonderes. Frau G. trifft es mit ihrem Schoggi-Eisbecher eindeutig besser.

Ich glaube ja, dass unser Café Espadane ein von Frauen geführtes Unternehmen ist. Frau G. meint aber, möglicherweise seien die Männer bloss zu faul zum Arbeiten und liessen lieber ihre Frauen hier schuften. Was im Endeffekt aber wohl aufs Gleiche hinaus kommt.

Am Abend müssen wir noch unbedingt unser restliches Geld wegessen. Als erstes geniessen wir an unserem Saftstand eine Bananenmilch und einen Granatapfelsaft. Dann setzen wir uns in unserem Lieblings-Restaurant und bestellen einen Fitnessteller und ein Irani-Bier, Geschmacksrichtung Ananas.
Dann beginnt es zu Regnen – fühlt sich fast wie Abschiedstränen an.

9. Mai 2016

Iran: Welt der Wunder

Das Frühstück war heute wie immer, aber mit Wurst. Und mit Pulverkaffee. Es ist wieder ein wunderschöner Frühlingsmorgen. Die Blumen blühen still vor sich hin und die Bäume schütteln ihre Blätter im Wind. Ein Vogel lässt mir einen spiegeleigrossen Schiss auf den Kopf fallen, nur gut dass ich meine neue Mütze trage.

Im Bazar wie jeden Tag dämmriges Licht. Nur durch die kleinen Öffnungen in den Kuppeln fingern da und dort Sonnenstrahlen herein. Die Auslagen in den Ladengeschäften sind dann aber hell beleuchtet. Alles glänzt, glitzert und lockt. Und dazwischen sitzen die Händler und warten auf Kunden. Anders als zum Beispiel in Istanbul sprechen die Händler die Kunden nicht an, sondern warten geduldig, bis sich jemand für etwas interessiert.

Wir schlendern durch die Bazar Gassen und schauen uns die Augen aus dem Kopf. Die Kupferschmiede schmieden Gefässe aus Kupfer. Die Goldschmiede schmieden Gold und die Baumwolldrucker drucken – öööhm, ihr versteht das Prinzip.
Frau G. kauft sich eine kleine Schmuckschatulle aus Ebenholz und Kamelknochen. Ich nix.

Im Bazar gibt es auch einige Moscheen und einige Innenhöfe mit schönen Gärten und üppigen Wasserspielen. Was es aber nur wenig gibt, sind Gaststätten oder Kaffeehäuser. Eines gibt es gleich beim Eingang, das „Café Narvan“ mit dem feinen Kuchen und den netten Kellnern. Ein anderes ist das „Café Espadana“ in einem Innenhof neben der Lotfollah Moschee.

Zufällig kommen wir an einem Handtaschengeschäft vorbei. Frau G. erwirbt eine iranische Designer-Handtasche. Wozu weiss ich nicht; denn ich könnte wetten, zuhause hat sie schon eine.

Am Abend spazieren wir durch die nächtlichen Strassen. Alles ist buntzappelnd erleuchtet. Und alles was Beine oder Räder hat ist unterwegs. Wir trinken eisgekühlten Granatapfelsaft und essen türkische Sandwiches. Isch gut - Isfahan.

7. Mai 2016

Iran: unser Miet-Schwan

Welcher Weltreisende träumt nicht sein Leben lang davon, einmal mit einem iranischen Schwanen-Tretboot zu fahren? Jeder. Odr so.
Und heute fliesst im Zayandeh Rud, dem grossen Fluss Isfahans, besonders viel Wasser. Also wollen wir – öööhm, also eher ich – die Gelegenheit nutzen und uns einen Schwan mieten. Der Zweier kostet bloss 60 Tausend Rial, was ich für so ein Gefährt recht preiswert finde.

Frau G. verbirgt ihre Begeisterung anfänglich recht geschickt hinter ihrem ausdruckslosen Gesicht. Doch nach dem Ablegen hat sie dann keine Wahl mehr, sie muss mitfahren. Wir pedalen genüsslich zur „Si-o-se Pol“ hinunter. Erst als wir wieder flussaufwärts strampeln, merken wir, dass bis jetzt weniger unsere athletischen Beine, sondern vielmehr die Strömung für Vortrieb gesorgt hat.

Die Vorstellung, wie wir zwei in einem Schwan aus Polyester erst mit einem Brückenpfeiler kollidieren und danach im knietiefen Wasser untergehen ist zwar reizvoll, aber auch unbeschreiblich schrecklich. Also strampeln wir unsern Schwan bergwärts. Wo uns Frau G. gekonnt zum rettenden Pier steuert und anlegt.
Keiner wird je erfahren, war‘s die Anstrengung, Abschiedstränen oder der Angstschweiss?

6. Mai 2016

Iran: das zweitschönste Haus der Welt

Isfahan. Die Imam-Moschee hiess früher Königs-Moschee und ist die prächtigste Moschee Isfahans. Sie steht am südlichen Ende des Meidan-e Imam. Das grosse Gebäude mit den beiden Türmen direkt am Platz ist aber nicht etwa die Moschee, sondern bloss das Eingangstor.
Hinter dem Torgebäude kommen wir zuerst in den grossen Hof, wo sich jeden Freitag die Gläubigen treffen. Heute sind grad Arbeiter daran, das Stangengerüst für das Schattendach aufzubauen. Wenn es fertig ist, wird man von den grossartigen Fassaden kaum mehr was sehen können.

Die Imam-Moschee ist ein Meisterwerk islamischer Baukunst. Die blaue Kuppel schwebt hoch über dem Innenhof. Sie werde um 1620 erbaut und ist insgesamt etwa fünfzig Meter hoch. Seither wurde sie immer wieder erneuert und repariert. Ich habe sie jedenfalls noch nie ohne Gerüst gesehen.

Die farbig glasierten Ziegelsteine der Kuppelaussenseite werden am Boden in einer Negativform zusammengestellt und dann zu handlichen Bauplatten vergossen. Diese transportiert man dann zur Kuppel hinauf und vermauert sie zu dem einzigartigen Dekor.
Da die glasierten Ziegelsteine den Frost und Regen nicht gut vertragen, ist das ein ewiges Werk.

Gleich nebenan hält ein Ladengeschäft so frittierte Teigtaschen feil. Aus rein wissenschaftlichen Gründen – der Soziologe spricht da von „teilnehmender Beobachtung“ – erwerbe ich eine. Aussen goldgelb und knusprig, innen mit weichen Wurst-Schnipseln und Käse gefüllt. Nicht schlecht, aber kein kulinarischer Meilenstein. Da hilft auch die mitgelieferte Sosse nix.

Die Scheich Lotfollah Moschee steht wie die Imam-Moschee schräg hinter den Arkaden des Meidan. Hinter dem monumentalen Tor kommen wir zuerst in einen engen, finsteren Gang. Der führt um die halbe Moschee herum, so dass wir schlussendlich genau gegenüber der Mihrab, der Gebetsnische, in den grossen Innenraum treten.
Die Lotfollah Moschee ist kleiner und viel schlichter als die Imam-Moschee nebenan. Aber sie ist nicht minder beeindruckend. Die Kuppel ist aussen wie innen karamellfarbig und üppig dekoriert.

Nur die wenigen Fenster unterhalb der Kuppel lassen etwas Licht in den Gebetsraum. Sonst ist er von der Aussenwelt abgeschottet; kein Lärm, keine Aussicht – alles konzentriert sich auf die Andacht. Ausser wenn schnatternde Touristen da sind…

Interessanterweise ähnelt das Raumgefühl dem des Pantheons in Rom. Das ist aber eineinhalb Tausend Jahre älter und etwa doppelt so gross.
Für mich ist es das schönste Gebäude der islamischen Welt. Perfekte Proportionen und Fayencen. Wo man hinschaut entdeckt man immer wieder neue Details und Zusammenhänge.

Ganz in der Nähe der Lotfollah Moschee gibt es diese herrliche Safran-Eiscreme. Die darf man keinesfalls verpassen - würden wir auch nie.

5. Mai 2016

Iran: atemberaubender Ritt mit der Seilbahn

Der markante Berg am südlichen Stadtrand von Isfahan heisst „Soffeh“. Sein Gipfel ist auf etwa 2‘200 Meter über Meer – und dahinauf gibt es seit kurzem eine Seilbahn. Genaugenommen sind es sogar zwei. Und damit möchte ich natürlich unbedingt einmal fahren.
Die Talstation (n32.5916, e51.6564) befindet sich auf etwa 1‘800 Meter Höhe und mitten in einem Vergnügungspark. Als wir ankommen ist grad Mittagspause und ich habe Zeit mir die Seilbahntechnik anzuschauen. Es ist ganz eindeutig eine vonRoll-Seilbahn aus der Schweiz. Doch vonRoll baut seit fast zwanzig Jahren keine Seilbahnen mehr; demnach ist das hier eine Occasionsbahn!

Die erste Bahn wurde 2007 eröffnet. Sie ist eine typische Umlaufbahn mit 6-er Gondeln und etwa 1‘600 Meter lang. Die Gondeln schauen gut aus, aber die Masten und die Antriebstechnik sind übel. Alt und altmodisch. Aber was soll‘s, die Fahrt ist schön.
In der Mittelstation (n32.5913, e51.6386) steigen wir gleich in die zweite Bahn um. Wieder ein Umlaufbahn, die allerdings als Pendelbahn gefahren wird. Je drei Gondeln rauf und runter, immer hin und her! Diese Bahn wurde erst im Mai 2015 in Betrieb genommen.

Die Bergstation (n32.5951, e51.6429) ist auf etwa 2‘150 Meter über Meer. Und noch im Bau. Wir landen auf einer unfertigen Plattform ohne jede Infrastruktur.
Aber der Ausblick von hier oben ist überwältigend. Ein schier unglaubliches Häusermeer breitet sich unterhalb von uns aus. Erst jetzt sehen wir, wie gross Isfahan eigentlich wirklich ist.

Der Ritt mit der „neuen“ Seilbahn auf den Soffeh hat sich auf jeden Fall gelohnt. Wo sonst bekommt man für 3,5 Millionen Rial so einen atemberaubende Ausblicke und eine Fahrt mit einem Seilbahn-Oldtimer?

An einem Fresskiosk wird ein Mais-Gericht angeboten. Es heisse „Khorn“ und es besteht aus Mais, weissem Käse, eingelegten Pilzen und verschiedenen Gewürzen. Und es schmeckt viiiel besser, als es ausschaut.
Und zum Tee gibt es wieder diese Zucker-Stäbchen. Einfach damit im Tee rühren bis es süss genug ist.