3. April 2015

Marokko: Schlucht und Schlucht

Tafroute. Mitte Vormittag drückt die Sonne durch Löcher in den Regenwolken. Aufbruch. Wir wollen die Täler und Schluchten hinter Tafraoute erkunden. Gegenüber der farbigen Steinen zweigt eine schmale Teerstrasse ab und windet sich kurvenreich bergauf. Nebel und Wind. Dann geht’s leicht bergab und dann durch die Ait Mansour Schlucht (N29.52788, W8.84802) südwärts. Die Sonne scheint und die wenigen Passanten winken freundlich.

Die Felslandschaft ist grossartig. Wegen dem November-Hochwasser ist die Strasse aber an vielen Stellen zerstört und erst notdürftig repariert - für uns aber kein Problem.

Nach etwa vierzig Kilometern fahren wir in ein Nebental des Oukas hinein (N29.46271, W8.84072). Hier fehlt von der Piste jede Spur, nur noch Kies und Geröll. Frau G. sammelt Blumen zum Trocknen und ich suche Skorpione. Finde keine, bloss Ameisennester und unter einem Stein eine winzige Eidechse.

Wir mittagsschläfeln gemütlich in unserem Möbelwagen, als das Unglück brutalst zuschlägt. Mich sticht eine Wespe ins Bein, also eigentlich in die Hinterbacke. Ich sag euch: Schmetterlinge im Bauch ist das eine; Wespe am Arsch ist dann aber eine ganz andere Liga!
Wie dem auch sei - ich strample das Untier hinaus, als ein Windstoss die Hecktür zuschlägt und mir den grossen Zeh einklemmt. Stechender Schmerz, meine wüsten Flüche helfen kaum. Wenn ich recht bedenke, fing der heutige Tag ja schon ungut an. In der Nacht hatte ich nämlich Albträume: Ich fuhr in einem weissen BMW-Cabrio zum Shopping – grauslig, es schaudert mich jetzt noch.

Nun wechseln wir in die Timguelchte Schlucht (N29.54673, W8.78621). Die Strasse wird – öööhm – rustikal. Sie ist vom Hochwasser kilometerweit zerstört. Dafür wieder schöne Palmen, Mandel- und Arganbäume. Und spektakuläre rote Felsen.

Aufs Mal ziehen Wolken auf und kurz darauf fallen Regentropfen. Dann kommt dichter Nebel und wir sind froh, dass es bis Tafraoute nicht mehr weit ist.
Wir übernachten zum dritten Mal im Stadtzentrum, bloss stellen wir heute unseren Schlafwagen andersherum hin. Nicht dass die Anwohner noch denken, wir würden für immer bleiben.

Im Haus gegenüber steht jeden Tag ein Hund im Fenster und kläfft jeden an. Heute will ich ihn beruhigen, spreche ganz liiieb mit ihm - da flippt er komplett aus. Der dumme Hund bellt sich schier die Lunge aus dem Hals.

2. April 2015

Marokko: Applaus-Applaus, ein vegetarisches Schaf

Tafroute. Ganz unerwartet weckt uns die Morgensonne. Blau statt grau, welch eine Überraschung. Ganz aufgeregt schlinge ich das Frühstück runter und dann nichts wie los - zu den blauen Steinen.

Ein paar Kilometer hinter Tafraoute hat der belgisch/französische Künstler Jean Vérame 1984 die Felsen angemalt. Die riesenhaften Felskugeln leuchten himmelblau, violett und rosa.

Ursprünglich waren die Felsen tintenblau und rot bemalt. Als die Original-Farbe langsam verblasste, pinselten die Marokkaner die Steine neu an. Selbstverständlich im allerorts so beliebten Hellblau. Leider.

Zwischen den Steinen treffen wir Pia und Heinz, die schon ein Leben lang reisen und seit vielen Jahren im Auto wohnen. Wir setzen uns zu ihnen uns verplappern den ganzen Nachmittag. Dann kommen die Wolken und wir gehen nachhause.

Auch heute wohnen wieder im Zentrum von Tafraoute. Im Atlas-Café nebenan gibt’s heissen Tee und WiFi, später auch noch eine Gemüse-Tajine. Diese enthält zwar kaum Gemüse, dafür aber viel Schaffleisch.
Knapp vor den ersten Regentropfen erreichen wir unsern Möbelwagen. Es ist kalt und der Muezzin heiser. Noch lange lümmeln wir auf unsern Sofas herum und lauschen den Regentropfe auf dem Dachfenster. Hört sich an wie Applaus.

1. April 2015

Marokko: ohne Hosen im Regenland

Amtoudi. Seit gestern Abend werde ich von einer Erkältung geplagt. Heisse Stirn, kalte Füsse und eine saftende Schnuddernase. Deshalb bleibe ich heute Morgen liegen, während Frau G. ganz allein zur Speicherburg hinauf wandert. Es ist stark bewölkt und kaum 10°C, als sie losmarschiert.
Später nutze ich die Wartezeit und wasche meine Hosen. Als ich eine neue Hose anziehen will, haben die alle kurze Beine. Ich habe doch tatsächlich nur ein einziges paar lange Hosen mit – und die hängen jetzt nass an der Leine!
Nach etwa eineinhalb Stunden kommt Frau G. zurück und nötigt mich, bis meine Hosen trocken sind, ihre Trainerhosen zu tragen. Also den ganzen Tag!

Inzwischen hat es begonnen zu regnen. Eigentlich wollten wir dem schlechten Wetter ausweichen, doch es regnet überall. So beschliessen wir heute weiter zu fahren. Wenn sich dann in zwei drei Tagen das Wetter bessert, sind wir wenigstens schon da.

Frau G. fährt. Ich sitze daneben und kritisiere ihre Fahrweise. Sie fährt immer so nahe am ausgefransten Strassenrand und weicht jedem Entgegenkommenden bereitwillig aus.
«Wie ein Hosenscheisser, der immer der Hauswand entlang geht und glaubt, keiner rieche ihn» sage ich. «Dann fahr du doch!» war ihre nicht sehr subtile Reaktion! Seit sie diese Ausbildung „Personalführung und Kommunikation“ macht, ist sie irgendwie aufmüpfig.

Wir fahren auf einer kleinen Nebenstrasse durch die Hügel. Nebel, Regen, manchmal beides. Kaum Dörfer, aber überall blühende Blumen.

Dann kommen wir nach Tafraoute, dem Städtchen bei den blauen Steinen. Wir finden einen ruhigen Platz im Zentrum, wo wir übernachten wollen. Rundherum gibt es zwar einige Campingplätze, aber die sind voller französischer Wohnmobile und viel zu weit vom Stadleben.

Als der Nieselregen nachlässt schlendern wir durch die Gassen. Ich will Hosen kaufen, sagt Frau G. Sie haben meine Grösse aber nicht vorrätig und bis morgen sind meine alten sowieso wieder trocken. Also kaufe ich stattdessen diese fettgebacken Teigkringel; sechs Stück für fünf Dirham. Heiss und knusprig schmecken die wie – öööhm - guuut.

31. März 2015

Marokko: dunkelschwarze Wolken auf der Burg

Guelmin. Kaum ist der Regen vorbei, machen wir uns auf den Weg. Von Guelmin fahren wir auf einer kleinen Nebenstrasse südlich um die Berge herum. Immer in einem breiten Flusstal. Kaum Leute, aber überall diese lila Blumen.

Wolken jagen über den Himmel, zwischendurch regnet es, dann scheint aber auch wieder die Sonne.
Bei Taghjijt überqueren wir die Hauptstrasse und fahren nach Norden bis nach Amtoudi. Hier alle Wege zu Ende. Hinter dem Dorf thront hoch auf einem Felsen oben die alte Speicherburg „Agadir-id-Aissa“. Ein Weg führt zickzack den Geröllhang hinauf.

Kaum sind wir da, kommen wieder dunkelschwarze Wolken und eisiger Wind. Wir verkriechen uns in unseren Möbelwagen und tun Dinge. Und nix oder dösen herum.

Amtoudi ist ein abgelegenes Dorf zwischen einem Wildbach und einer Felswand. Auf den wenigen ebenen Flächen pflanzen sie Getreide und etwas Gemüse. Dazwischen ein paar Oliven- und Feigenbäume. Und im Geröll fressen hagere Ziegen dürres Gestrüpp. Aber es gibt eine Trinkwasserversorgung, einen Schulbus, Strom, Telefon und eine Teerstrasse – wie überall in Marokko. Der König will das Land unbedingt entwickeln und die Armut überwinden.

Wir wandern durchs Dorf und weiter in die Schlucht hinein. An den Felsen entlang führen offene Wasserkanäle für die kleinen Gärten und die wenigen Häuser. Es ist scheisskalt, aber wunderschön.

30. März 2015

Marokko: das Wüstenschiff

Nach dem wir unsere Post und unseren Haushalt erledigt haben, beschliessen wir die Schönwetterlücke zu nutzen und einen Ausflug zu machen. Nach Foum Draa, da wo der Fluss Draa in den Atlantik mündet.
Von hier führen gut 32 Kilometer Piste direkt dahin. Unterwegs sehe ich in der Ferne einen Panzer-Schrottplatz. Also quer hinüber und die Dinger anschauen. Knapp bevor wir da sind kommen zwei Männer gelaufen und fuchteln wild mit den Armen. Dies sei ein Sperrgebiet, militärisch, geheim, nix für uns. Ich entschuldige meine Unwissenheit und besänftige die beiden mit einer Packung Keksen.

In Foum Draa blicken wir hinunter in die Flussmündung. Die Flut drückt gerade herein und die Möwen hocken auf den Felsen und beraten den Tagesplan.

Nach weiteren 30 Kilometer kommen wir wieder nach Tan-Tan. Etwas ausserhalb besuchen wir den grossen Festplatz, wo jedes Jahr der „Moussem“ stattfindet; ein religiöses Fest mit Reiterspielen und Volksfest.

Auf dem Hügel stehen zwei Beton-Kamele (N28.4596, W11.1008). Ich verstecke mich dahinter, aber irgendwie findet mich Frau G. sofort.
Auf der anderen Seite des Berges ist eine längst verlassene Siedlung und das Grab vom Scheich Mohamed Laghdaf Ma el Ainin (N28.4602, W11.0892), einem hochverehrten Widerstandskämpfer gegen die Kolonialmächte Frankreich und Spanien. Er ist übrigens der Sohn vom von Scheich Maouelainin aus Samara.

Mitten im Fluss Oued Khil stehen die Überreste eines gemauerten Schiffes. Im Bug steht eine Palme, im Heck ist ein Kiosk und im Rumpf ein Schwimmbad. Jetzt ist es aber nur noch ein Wrack - und dem Fluss fehlt das Wasser.

In Tan-Tan kaufen wir Proviant und sitzen ausgiebig im Café. Dann machen wir uns auf den Weg nach Guelmin. Die Wolken stürmen über den Himmel, aber zwischendurch scheint auch die Sonne. Bunte Landschaft und zwei freundliche Polizeikontrollen.

Wie es der Zufall so will, kommen wir mitten in Guelmin direkt vor dem BAHJA-SNACK zum Stehen. Wir mampfen gemischten Salat, Bohneneintopf und gebratenen Fisch. Frau G. stattdessen Huhn mit Gemüse. Schmeckt gut und dann platzt ein Regen über uns. Gut dass unsere Wohnung gleich vor der Tür steht.
Wir übernachten am Stadtrand auf dem Knutsch-Platz der einheimischen Jugend. Es regnet mehr oder minder meistens. Die Liebespaare scheint das aber nicht zu stören.
Jetzt wo sie in der Schweiz auf Sommerzeit umgestellt haben, beträgt die Differenz schon zwei Stunden. Und ich bin am Abend noch müder als vorher.