24. März 2015

Marokko: Windpark und parken im Wind

Am Rand eines Salzsees steht der nagelneue Windpark von Tarfaya. Er ist im letzten Dezember in Betrieb gegangen und gehört mit seinen 130 Windrädern zu den grössten weltweit. Die Windräder sind von Siemens, haben einen Durchmesser von 100 Meter und produzieren zusammen gut 300 Megawatt Strom. Die Bauzeit betrug nur knapp zwei Jahre.

Schon bald bessert sich das Wetter. Die Sonne strahlt vom blauen Himmel. Die Landschaft wird immer karger, Bäume hat es längst keine mehr, aber immer noch blühende Blumen.
Dann kommt Tah, der einstige Grenzort zwischen Marokko und Spanisch Westsahara. Kurz nachdem Spanien seine Kolonie Westsahara in die Freiheit entliess, besetzte Marokko das Land kurzerhand. Die Hälfte der Bevölkerung floh nach Algerien. Und lebt seit den 1970-er Jahren dort in den Flüchtlingslagern.

Ein Denkmal mitten im Ort erinnert an diese Heldentat. Ansonsten ist in Tah nicht viel los. Der Wind treibt Plastikabfall über die Strasse. Im Schatten döst ein struppiger Hund und wir bestellen uns im Strassencafé ein Tee. Ab und zu fährt ein Lastwagen vorbei. Oder ein betagter Land Rover mit einem kettenrauchenden Sahraoui am Steuer.

Landschaft im eigentlichen Sinn gibt es nun keine mehr. Beidseits der Strasse ist einfach nur noch Gegend. Manchmal ein paar Sanddünen, meistens aber nichts.
An einem Militärkontrollposten werden unsere Daten in den Computer eingegeben. Gut, dass ich den entsprechenden Zettel vorbereitet habe, so brauchen wir jeweils nicht lange warten.

In Laayoune machen wir eine kleine Stadtrundfahrt. Viele neue Häuser und viele nagelneue UN-Geländewagen. Wir fahren an den Strand, der dreissig Kilometer entfernt ist und finden einen windgeschützten Schlafplatz. Liegen, lesen und dösen. Und spanische Salami essen. So stelle ich mir das Paradies vor. Einfach mit noch schnellerem Internet.

Obwohl ein eiskalter Wind bläst, sind recht viele Ausflügler am Strand. Manche baden im braunschäumenden Atlantik, andere stehen in Wintermänteln im Sand herum. Ich schaue mir die Korallenbänke an. Buben jagen hier in den Tümpeln streichholzgrosse Fische.

Amadou wünscht ein Foto von sich - und ich müsse dann unbedingt auf sein tolles Six-Pack hinweisen...

23. März 2015

Marokko: der kleine Prinz in Cap Juby

Tarfaya. Wegen dem pittoresken Ortsbild oder dem ausschweifenden Nachtleben braucht man nicht unbedingt nach Tarfaya zu reisen. Das Dorf ist staubig und wirkt irgendwie unfertig. Man weiss nie genau, ist das nun eine Baustelle oder schon eine Bauruine.

Wir sind nur da, weil der berühmte französische Pilot und Schriftsteller Saint-Exupéry hier zwei Jahre lebte. Er wurde 1927 zum Flughafen-Direktor befördert, nachdem sein Vorgänger grausam abgeschlachtet wurde und man Saint-Exupérys vor seinen eigenen Flugkünsten beschützen wollte.

Cap Juby war damals nur ein kleiner Militärstützpunkt und Postflieger-Station in der Einöde. Tarfaya gab es noch nicht. Rundherum war lauter Nichts - und feindlich gesinnte Beduinen.
Vom damaligen Flugplatz ist leider nichts erhalten geblieben, aber das Fort steht noch. Zumindest teilweise.

Saint-Exupéry sass hier in seinem Büro und fertigte die Postflieger ab. Damals flogen die täglich von Frankreich über Spanien und Marokko bis in den Senegal. In Cap Juby konnten sie tanken und sich ausruhen. Und hier schrieb Saint-Exupéry einige seiner berühmten Bücher.

Von der alten Hafenmole schauen wir hinaus zum „Postflieger“. Die Ruine steht stramm mitten in der Brandung. Gebaut wurde sie einst von einem schottischen Kaufmann, der hier Handel trieb und sich in seiner Burg der Kontrolle der verschiedenen Kolonialmächte und Königtümern entzog.

Das Wetter ist immer noch wolkig und stürmisch. Wir fahren einige Kilometer der Küste entlang und schauen uns die gestrandete Armas Autofähre „Assalama“ (n27.9151, w12.9653) an. Diese lief hier im April 2008 auf Grund. Die Passagiere konnten sich retten, doch ihr Hab und Gut blieb auf der Fähre zurück.

22. März 2015

Marokko: Sidi Ifni ist sehr müde

Sidi Ifni. Auch heute Morgen ist wieder schlechtes Wetter. Sidi Ifni sieht schäbig und staubig aus, ganz anders als in früheren Zeiten, als es noch spanisch war.

Damals, in den frühen 1930-er Jahren, gab es in Sidi Ifni nichts ausser Gestrüpp und Steine. Dann befahl die spanische Militärdiktatur den Bau einer Garnison. Ausgerechnet hier im Nichts entstand innert kürzester Zeit eine nette Stadt mit schicken Häusern.

Ursprünglich gab es vier Kinos, zahlreiche Bars, ein Spielcasinos und sogar einen Zoo. Heute sind die meisten zu.

Die Rathausuhr zeigt schon seit vielen Jahren immer Punkt zwei. Wir bestaunen die Resten der Kolonialzeit. Diese ging übrigens 1969 zu Ende, seither gehört Sidi Ifni zu Marokko.

Schon im Jahr 1934 landeten die ersten Flugzeuge auf dem neuen Flugplatz Sidi Ifni. Damals waren hier 15‘000 spanische Soldaten stationiert und es herrschte reger Flugbetrieb. Heute ist der Flugplatz verwahrlost. Bloss am Samstag findet auf dem Rollfeld der Wochenmarkt statt.

Eigentlich sind wir aber wegen der spektakulären Hafenseilbahn hier. Gut – ohne Seil und ohne Bahn, aber trotzdem sehr interessant. Ich berichte vielleicht ein andermal davon.

20. März 2015

Marokko: ennet den Bergen ist Atlantik

Heute ist Schmuddelwetter; es nieselt aus dem Nebel. Wir verlassen Marrakesch noch vor dem Morgenverkehr. Zum Glück sind die Marokkaner Langschläfer, so geniessen wir die freien Strassen.

Die Autobahn ist leer und führt erst schnurgerade übers flache Land. Dann kommen die Berge und die Sonne. Auch hier ist alles grasgrün und voller Blumen. Für uns Wüstenfahrer ist das natürlich gar nix.

Etwas südlich von Agadir endet die Autobahn, doch die Strasse bleibt weiterhin gut, bloss der Verkehr ist jetzt wieder dichter. Schnurgerade rollen wir durch langgezogene Strassendörfer. Schäbige Werkstätten säumen den Strassenrand. Esel fressen Kartonschachteln und die Buben spielen Fussball.

Im Schatten eines Baumes machen wir Siesta, futtern spanischen Schinken und marokkanische Mohnbrötchen. Wie im Paradies.

Gegen Abend erreichen wir Sidi Ifni, ein kleines Städtchen direkt an der Atlantikküste. Die Überschwemmungen im letzten November haben grosse Verwüstungen hinterlassen. Alle drei Campingplätze wurden ins Meer gespült.

Zuerst wollten wir im Stadtzentrum wohnen, doch dann lese ich, dass morgen Wochenmarkt ist. Das ist uns zuviel Trubel. Wir übernachten darum auf dem alten spanischen Flugplatz. Schön eben und mit Meerblick. Der Wind treibt dunkle Wolken über den Atlantik, es sieht nach Regen aus.

19. März 2015

Marokko: Kaktus-Seide und blauer Garten

Der Muezzin von der nahen Koutoubia-Moschee muss mehrmals rufen bis wir endlich aufstehen. Die Sonne lacht und die Friedhofsvögel „singen“. Wir schlendern zum Djemaa el Fna und trinken einen frischen Orangensaft. Gegenüber bemalen Frauen einander die Hände mit Henna und die Schlangenbeschwörer breiten ihre Schlangen am Boden aus, damit die Morgensonne sie lebendig macht.

Als erstes besuchen wir den Hühnermarkt. Hier gibt es Hühner. Und Eier. Und Katzen, die auf einen Leckerbissen hoffen. Etwas weiter hinten im Souk ist der Schreiner-Markt. Wir schauen einem Drechsler zu, der mit der einen Hand die Drehbank antreibt und mit der anderen und einem Fuss das Messer führt. Raffiniert.

Noch etwas weiter hinten ist der Färber-Markt, der Souk Sebbarine (N31.6304, W7.9889). Überall hängen dicke Stränge feuerroter Wolle zum Trocknen. In winzigen Werkstätten wird in grossen Bottichen Wolle gefärbt. Es dampft und faucht; aber seltsamerweise stinkt es nicht.

Neben Schaf- und Ziegenwolle färben sie hier auch Kaktus-Seide, eine Faser die aus Agavenblättern gewonnen wird. Frau G. kauft sich einen rot-orange gestreiften Kaktus-Schal.

Mitten im Souk stehen die Youssef-Moschee und die dazugehörige Medresa, also die Religionsschule. Die ist aber schon lange nicht mehr in Betrieb und kann deshalb angeschaut werden. Um einen grossen Innenhof gruppieren sich auf zwei Stockwerken die Kammern der Studenten. Überall scheint die Sonne durch Oblichter in kleine Lichthöfe. Alles ist mit Gipsschnitzereien reich dekoriert und strahlt in dem milden Sonnenlicht. Grossartig.

Im Norden Marrakeschs ist der legendäre Majorelle-Garten. Bambus-Haine, Kakteen und zahlreiche Palmen aus aller Welt. Dazwischen plätschert Wasser und drängeln bleichbeinige Touristen zum Ausgang.

Aber wir sind eigentlich wegen dem Majorelle-Blau hier. Ein ganz spezielles Kobaltblau, womit Jacques Majorelle vor hundert Jahren sein Atelierhaus anmalte. Blau, Licht und Schatten, und Pflanzen. Das Farbenspiel ist faszinierend.

18. März 2015

Marokko: PIN-Code 29252 und achtmal Null

Dichter Nebel verhüllt Moullay Bousselham. Rund um unseren Bus herum stehen ein Dutzend Ibisse und schauen abweisend. Ich will sie fotografiere, doch sie drehen mir immer ihren Bürzel zu.
Nebel. Egel; wir wollen sowieso weiterfahren. Nach einer Stunde auf der Autobahn drückt langsam die Sonne durch den Nebel und gegen Mittag ist wieder strahlendes Wetter.

Bis nach Rabat ist die Autobahn festlich beflaggt und auf jeder Brücke und an jeder Ein- und Ausfahrt stehen zwei Soldaten in Gala-Uniform. Vermutlich nicht wegen uns – wenn doch, dann vielen Dank.

Im vergangenen Herbst war hier alles staubbraun, jetzt grünt und alles. Erst die endlosen Bananenplantagen, dann weiter südlich die riesigen Oliven und Obstgärten. Dazwischen ab und zu ein rotbraunes Dorf mit einem weissen Minarett. Sonst nichts, nur Autobahn.

Um Casablanca herum ist die Autobahn kostenlos und deshalb auch gut besucht. Lieferwagen mit haushohen Ladungen, Fussgänger und alle Arten von Lastwagen. Dann kommt eine Zahlstelle und wir sind fast alleine unterwegs.

In Settat lassen wir uns bei Maroc Telecom unsere letztjährigen Internet-Sticks wieder aktivieren. Routiniert knackt ein Angestellter den längst vergessenen Code und es funktioniert wieder. Bis Marrakesch sind es noch 100 Kilometer, also fahren wir hin.

Kurz vor Sonnenuntergang erreichen wir das Stadtzentrum und unseren Übernachtungs-Parkplatz hinter der Koutoubia-Moschee (N31.62436, W7.99637). Ennet der Friedhofmauer machen die Vögel gubuu-gu gubuu-gu - und während des Gebetsrufes hustet der Muezzin ins Mikrofon.
Das war ein 500 Kilometer langer und schöner Tag. Nun bin ich aber hungrig und müde. Gubuu-gu gubuu-gu gubuu…