6. August 2019

Friesland: die Brücke hat eine Lücke

17 Leer. Über Nacht sind noch einige Wohnmobile dazu gekommen. Und auch wenn der Platz noch so gross und leer ist, sie kuscheln sich eng neben uns.
Es sieht nach Regen aus, darum gehen wir zeitig los. Heute sei Wochen- und Töpfermarkt, hat einer gestern erzählt. Und so ist es. Wir schlendern um die Verkaufsstände und schauen uns die feilgebotenen Waren an. Ausser einem Pfund Kirschen und einer Veloklingel finden wir aber nichts, was uns gefällt.

Unweit von Leer steht das Schloss Evenburg. Ein neogotisches Wasserschloss in einem englischen Park. Etwas kitschig zwar und überrestauriert; aber doch auch richtig romantisch. Und wir würden gerne länger bleiben, täte es nicht regnen.
Wir sind etwas unschlüssig, was wir an diesem Regentag unternehmen wollen. Wir fahren erst einmal nach Weener. Hier hat im Dezember 2015 ein Frachter die bekannte Friesenbrücke gerammt und zerstört. Diese Klapp-Brücke (n53.1614, e7.3724) kennt man, weil sich hier jeweils die riesigen Kreuzfahrtschiffe der Meyer-Werft durchzwängen und die Bilder immer in der Zeitung kommen. Jetzt hat die Brücke eine Lücke. Für die Kreuzfahrtschiffe ganz praktisch, für die Bahnlinie eher ungut.

In Weener selber schauen wir uns den alten Hafen an. Es regnet in Strömen und dementsprechend trostlos sieht es hier aus.

Direkt ennet der deutsch-niederländischen Grenze steht die Festung Bourtange (n53.0068, e7.1924). Mit ihrem Zickzack-Grundriss ist sie ein Musterbeispiel barocker à la Vauban. Mehrere sternförmige Wassergräben und Erdwälle schliessen eine putziges Dorf ein. Rote Klappbrücken führen über die Wassergräben und auf den Festungswällen stehen Kanonen und eine Windmühle.

Wegen dem schlechten Wetter sind kaum Ausflügler unterwegs und wir haben das Städtchen fast für uns alleine. Doch an den zahlreichen Tischen in den zahlreichen Gaststätten sehen wir, dass das bei schönem Wetter wohl ganz anders ist.

Wir übernachten in Heede neben der Kirche.

5. August 2019

Friesland: Kibbeling und Leer

16 Neßmersiel. Es ist wie im November – kalt und windig. Wir sitzen in unserem Möbelwagen und schauen dem wilden Wetter zu. Als es dann auch noch beginnt zu regnen, fahren wir weiter.

Esens soll ganz hübsch sein. Doch wegen dem Nieselregen will bei uns trotz der bunten Regenschirme und dem geflügelte Bärennashorn nicht so recht Ferienstimmung aufkommen. Doch immerhin bekommen wir hier einen schönen Kaffee und ein offenes Wlan.

Als wir später nach Carolinensiel kommen, regnet es immer noch. Doch kaum sind wir am alten Hafen angekommen, kommt auch wieder die Sonne. Wir bewundern die historischen Schiffe und futtern „Kibbeling“. Das sind frittierte Fischstücke mit einer feinen Sauce. Mir schmecken sie wunderbar. «Wie Tiefkühl-Fischstäbchen», sagt Frau G. - sie mag Fisch halt nicht besonders gerne.

Zu meiner Freude dümpeln auch einige Schwanen-Tretboote im bräunlichen Wasser. Ich lade Frau G. zu einer Hafenrundfahrt ein. Doch sie durchschaut mein Vorhaben und lehnt dankend ab. Schade - ich fahr doch so gerne mit Schwanen-Pedalos.

Eigentlich hätten wir noch einmal hier in der Gegend übernachten wollen. Doch die Wetterprognose für Morgen ist schlecht und Milliarden Wohnmobilen blockieren alle schönen Plätze. Darum beenden wir hier unsere Nordsee-Expedition und fahren heimwärts.
Vorerst aber bis nach Leer.

In der kümmerlichen Nachmittagssonne sieht die Altstadt ganz hübsch aus. Im Hafen liegen zahlreiche alte Schiffe; ein Ausflugsdampfer, Fischkutter, Schlepper und viele mehr.

Wir übernachten auf dem grossen Parkplatz im Stadtzentrum. Besonders schön ist es hier nicht, aber ruhig und kostenlos. Und in einer mondlosen Nacht ist uns die Aussicht eh egal. Am Abend bessert sich das Wetter und es ist auch deutlich wärmer als die letzten Tage an der Nordseeküste oben. Wir sind ja auch schon deutlich südlicher – vermutlich spüren wir hier schon das Mittelmeerklima?

2. August 2019

Friesland: am Horizont die ostfriesischen Inseln

15 Greetsiel. Während wir gemütlich frühstücken, zieht eine schier endlose Prozession von Wohnmobilisten an uns vorbei. In grauen Gülle-Kanistern tragen sie stolz ihre Ausscheidungen der vergangenen Nacht zur Entsorgungsstation. Fehlt bloss noch, dass uns einer stolz sein Pippi-Gaga präsentiert. "Schau mal, welch einen strammen Stinker ich gemacht habe!" Na toll.

Wir fahren nach Marienhafe und von da mit der Bahn über „Norden“, Norddeich“ nach „Norddeich Mole“. Der Zug hält direkt neben den Fähren zu den ostfriesischen Inseln Juist und Norderney. Wir bleiben aber auf dem Festland und schauen den Fähern zu. Das Wetter ist stürmisch und es ist eisig kalt. Und ich futtere ein Matjes-Brötchen – endlich.

Am Nachmittag bringt uns die Deutsche Bahn zu unserem Möbelwagen in Marienhafe zurück. Weiter geht’s übers flache Land. Stattliche Bauernhöfe, dann wieder struppige Moorflächen und überall diese riesigen Windräder. Zu Hunderten stehen sie hier in der Gegend herum und machen aus Luft elektrischen Strom.

Im Hafen Neßmersiel können wir endlich einmal  auf der anderen Seite des Deiches wohnen. Denn sonst ist nämlich fast überall der Deich zwischen uns und dem Meer. Hier nicht. Hier sehen wir die Nordsee und am Horizont die ostfriesischen Inseln Norderney und Baltrum. Der Wind ist stürmisch und frostig. Obwohl wir Sommer und schönes Wetter haben, ist es tagsüber kaum je über 20° warm. Im Sommer! Sowas ist doch nicht normal.

Am Abend ist Ebbe. Die Fähre kann nicht  mehr fahren und die Boote liegen im Schlamm – den sie hier Schlick nennen. Oder Watt.

1. August 2019

Friesland: Moin

14 Jemgum. Zuerst scheint die Sonne, doch dann kommt der Regen. Und der Rasenmäher des Sportplatzes. Wir flüchten und frühstücken einen Kilometer weiter im Süden.
Eigentlich hätten wir heute Leer besuchen wollen. Aber uns gelüstet es gar nicht nach Innenstadt und Parkplatzsuche. Deshalb fahren wir gleich weiter bis zum grossen Ems-Sperrwerk.

Hier ist die Ems einen halben Kilometer breit und sie kann bei Hochwassergefahr komplett zugemacht werden. Gigantische Klappen trennen das Meer vom Fluss. Und hier fahren jeweils die riesigen Kreuzfahrtschiffe der Meyer Werft in die Nordsee hinaus. Sie passen ganz genau durch die Lücke im Sperrwerk.
Diese flache Flusslandschaft der Ems-Mündung gefällt uns ganz besonders gut. Schilf, Wellen und lauter nichts.

Der Kirchturm in Suurhusen soll der schiefste der Welt sein (n53.4136, e7.2236). Schiefer noch als der Kirchturm in Bedum oder der schiefe Turm in Pisa. Und er ist wirklich sehr schräg. Man bekommt fast Angst, wenn man auf seiner Westseite steht und den überhängenden Turm hinaufschaut.

Wir rödeln hinauf an die Küste zum Pilsumer Leuchtturm (n53.4980, e70454). Er ist rot-gelb geringelt und spielte damals im Film „Otto – der Ausserfriesische“ eine wichtige Rolle. Davon, dass der Leuchtturm schon längst kein Geheimtipp mehr ist, zeugen die unzähligen Ausflügler.

Mein Krabben-Brötchen schmeckt wunderbar nach mehr und nach Fischerboot. Wir fahren deshalb ins nahe gelegene Greetsiel und schauen uns die Krabbenkutter an. Fast ein Dutzend solcher Schiffe liegen im Hafen und werden grad für die nächste Fahrt parat gemacht.

Greetsiel ist eigentlich ein ganz hübsches Städtchen. Aber es ist auch sehr, sehr touristisch. Schier in jedem Haus gibt es einen Souvenir-Laden oder ein Restaurant und die Strassen sind voller Spazier-Rentner mit Hunden und dunkelblauen Windjacken. Allein schon deshalb friere ich lieber und gehe im leichten T-Shirt. Es ist nämlich, auch wenn es nicht danach ausschaut, recht kühl.
Weil ich nicht weiss was es ist, bestelle ich in der Hafenkneipe ein "Malzbier". Vorsichtshalber frage ich die Serviererin, ob das lecker sei? Sie sagt: «na ja?».

Wir übernachten beim grossen Wohnmobil-Stellplatz am Ortsrand. Der Stellplatz ist pflatschvoll, der Parkplatz daneben aber gähnend leer. Da bleiben wir. Mit unverstelltem Blick ins Grüne.
Am Abend ziehen dunkelschwarze Wolken über den Himmel; Weltuntergangsstimmung. Es ist kalt. Brrr…

31. Juli 2019

Friesland: Backfisch und Apfelkuchen

13 Bedum. Ursprünglich wollten wir hier ja bloss den schiefen Kirchturm anschauen, nun sind wir schon zwei Nächte hier - es wird Zeit weiter zu ziehen. Es ist kalt und windig. Nur ab und zu scheint die Sonne. Und heute wollen wir nach Deutschland rüber.

Wir fahren übers platte Land. Immer wieder Kanäle, Klappbrücken und putzige Dörfer. Einen ersten Halt machen wir in Ditzum an der Ems-Mündung. Der Hafen ist voller Fischkutter. Unser Hafenrundgang endet bei einem Backfisch-Brötchen und einer Fischfrikadelle. Ich mag Fische.

Erst später bemerken wir, dass grad Flut ist. Wir kennen uns zwar mit Hochwasser und Überschwemmungen gut aus, aber Ebbe und Flut sind für uns exotisch. Am Abend schwimmen alle Schiffe gut drei Meter tiefer unten und der Strand ist jetzt markant breiter - und schlammbraun...

Ditzum ist ein hübsches und geschichtsträchtiges Dorf. Hier gefällt es uns. Wir würden gerne hier übernachten, doch wir finden keinen gscheiten Übernachtungsplatz. Die beiden beiden Wohnmobil-Stellplätze sind übervoll und alles andere als einladend. Und auf der ehemaligen Bohrplattform stehen zu viele Behördenautos.
Bei Apfelkuchen und Kaffee beratschlagen wir, was wir tun wollen. Wir übernachten dann in Jemgum bei den Sportplätzen. Die Abendsonne scheint und es ist wieder sommerlich mild. Herrlich schön hier. Und ruhig.

30. Juli 2019

Friesland: Groningen - Essen aus der Wand

12 Bedum. Gegen neun schlendern wir zum Bahnhof, der bloss aus einem Glashäuschen und unzähligen Fahrradständern besteht. Dann kommt der Regionalzug nach Groningen. So ein typischer zäpfchenförmiger Allerweltszug ohne Speisewagen und mit harten Sitzen. Unterwegs muss ich dann auch noch feststellen, dass es sich dabei um ein Stadler-Fahrzeug aus der Schweiz handelt.

Der Bahnhof Groningen ist ein grossartiger Eisenbahnpalast aus dem vorletzten Jahrhundert. Allerdings wurde er seither kräftig umgebaut, so dass man heute zwischen Starbucks und Burger King ankommt. Aber es gibt auch einige nette Züge zu sehen.

Unser erster Weg führt uns schnurstracks ins Cafe De Beurs am Vismarkt, denn wegen eines Missgeschickes mussten wir heute ohne Morgenkaffee los! Das De Beurs sieht aus wie ein altes Kaffeehaus in Wien oder Budapest – aber gänzlich ohne Renovation. Es ist wunderbar altmodisch und abgelebt.
In der ehemaligen Markthalle ist jetzt ein Einkaufszentrum; also weiter zum Grote Markt. Häuser gucken. Rund herum kann man alle Baustile der letzten hundertfünfzig Jahre sehen – nicht alles ist schön. Aber alles ist auf seine Art sehenswert.

Insgeheim habe ich bloss ein Ziel, den „Febo“ – Essen aus der Wand. Oder wie Peti sagt: Fressen aus der Mauer. Denn Febo ist ein ganz besonderes Restaurant. Nämlich ein automatisches. Man steht vor einer ganzen Wand voller kleiner Glas-Fenster; in jedem eine Leckerei aus der Fritteuse.

Man wirft Geld ein, drückt einen Knopf und nimmt sich den Knödel aus der Klappe. Ich verspeise erst eine „Kroket“, dann eine „Frikandel“. Beides schmeckt wies ausschaut.
Durchs leere Glasfenster hindurch kann man sehen, wie der Koch die Speisen in die Friteuse tunkt.
Als ich in den 1990-er Jahren das letzte Mal in Groningen war, war das „Groningen Museum“ gegenüber des Bahnhofes grad nagelneu. Damals galt die postmoderne Architektur als äusserst Schick. Heute sieht es mit all seinem Schnickschnack eher peinlich aus - so ändern sich im laufe der halt Zeit die Geschmäcker...

Gegen Abend sind wir zurück in Bedum und bei unserem Hotel Muger. Wir beschliessen eine weitere Nacht hier zu bleiben. Das Wetter ist wild; mal Sonnenschein, dann wieder rabenschwarze Wolken. Aber - Affenhitze ist weg und es ist jetzt angenehm frisch.