21. Juni 2012

Baltikum: das Zündhölzli ist aus

Für heute suchten wir ein nettes Landstädtchen um etwas abzuhängen. Eines mit niedlichen Strassencafés und schattigen Alleen. Kuldīga, das „Venedig von Lettland“ hörte sich gut an. Da fahren wir mal hin.

Venedig von Lettland? Ich kenne bloss dieses eine Venedig in Italien. Aber das können sie keinesfalls gemeint haben. Kuldīga hat bloss einen alten Mühlenkanal und knapp zwei Brücken - keine Kanäle, keine Paläste, keine Gondeln, gar nix. Vor allem kein Venedig. Aber abgesehen davon ist Kuldīga ganz nett und gemütlich.

Wenn schon kein Venedig, dann haben sie hier zumindest den „längsten Wasserfall Europas“! Zweihundert Meter – nicht hoch – lang ist der. Also eigentlich breit. Der Fluss stürzt hier über eine Felsenschwelle unglaubliche eineinhalb Meter in die Tiefe. Tosende Gischt, gähnender Abgrund, oder so. Wir sind ein wenig begeistert.

Kuldīga dürfte natürlich den Freunden des osteuropäischen Streichholzes ein Begriff sein. Hier wurden hundert Jahre lang die weltnekannten „Vulkāns“ Zündhölzli hergestellt.

Die Fabrik wurde 1878 von einem Louis Hirschmann gegründet und produzierte jedes Jahr viele, viele, viele Millionen Streichhölzern. Im Jahr 1996 und 2000 brannten einige Fabrikanlagen ungeschickterweise ab. Und im Jahr 2004 wurde dann die Produktion für immer eingestellt. Seither werden die übrig gebliebenen Gebäude von den Anwohnern ausgeschlachtet und gefleddert. Privatisiert.

Wir haben einen wirklich schönen Übernachtungsplatz unter einer mächtigen Kastanie. Ganz nahe am Zentrum und doch völlig ruhig. Dazu der laue Sommerabend und dann in der Nacht ein kühler Luftzug. Nettlich.

20. Juni 2012

Baltikum: frisch gewaschen und aufgehübscht

Riga. Die gestrige Regnerei ist vorbei, heute ist wieder wunderschönes Wetter. Riga ist eine grosse Stadt, die Altstadt ist aber recht überschaubar. Reichdekorierte Häuser und schöne Plätze. Doch es schaut bloss historisch aus, die meisten Bauten sind keine fünfzig Jahre alt. Denn im Krieg wurde die Altstadt fast völlig zerstört.

In den riesigen Markthallen wurden früher mal für Luftschiffe gebaut. Fünf Hallen voller Gemüse, Fleisch, Käse - und Leuten.

Während wir aufs Zmittag warteten, bestaunten wir eine Skulptur gegenüber. Frau G. ist sich sicher eine Kröte, die ein Kaninchen belästigt, zu sehen. Ich hingegen sehe ganz eindeutig eine Nonne auf einem sehr, sehr müden Pferd. Wir können es nicht entscheiden und einigten uns deswegen auf einen Kompromiss. 

Unser Waschsalon ist von erlesener Eleganz und verfügte über einen umfangreichen Fuhrpark. Während sich unsere Wäsche im warmen Wasser vergnügte, gehe ich zum „Frizētava“ und lasse mir den Pelz kürzen.

Aufgehübst und mit sauberen Kleider verlassen wir gegen Abend Riga. Es war schön hier, wir kommen sicher wieder mal. Wir übernachten in Jaunpils hinter dem Schloss.

Das Abendlicht ist wunderschön. Wie in so einem Frauenfilm; mit einem Landarzt und einer unheilbaren erkrankten, früh verwitweten und einsam unglücklichen ehemaligen Adligen. Oder so.

19. Juni 2012

Baltikum: Segelfisch in Riga

So schön wie gestern das Wetter war, so – scheisse soll man ja nicht sagen – unbefriedigend ist es heute. Es regnet den ganzen Tag. Dunkelgraue Wolken und lange, tiefe Gumpen. Beim Fahren schaut es aus, als äuge man durch das Bullauge einer Waschmaschine.

Der Sonnenuntergang gestern Abend; noch ahnen wir nichts vom kommenden Grauen.

Also fahren wir über die Grenze nach Lettland, nach Riga. Hier besuchen wir als erstes das „Motormuseum“. Hier sind einige sehr interessante Fahrzeuge ausgestellt. Zum Beispiel einen Autounion-Rennwagen mit einem V-16 Motor. Oder der „Rolls-Royce Silver Shadow“, den Leonid Breschnew 1980 eigenhändig zu Schrott fuhr. Und natürlich viele weitere bekannte Fahrzeuge aus Ost und West.

Im Depot hinter dem Museum warten noch zahlreiche angejahrte Schätzchen auf ihre Wiederbelebung.

Im Stadtzentrum von Riga kaufe ich mir ein tolles Ölbild. Es zeigt einen Mann, der einem Segelfisch fährt.

Wir übernachten am Rande der Altstadt. Der Platz ist gut, aber nicht grad sehr ruhig. Immer wieder kommen Männer und brünzeln ins Grünzeug um uns herum.

18. Juni 2012

Baltikum: ohne murren und maulen

Der Bahnhof von Haapsalu hat zwar keinen Bahnanschluss mehr. Dafür aber ein Eisenbahnmuseum. Frau G. ihre Begeisterung für historische Schienenfahrzeuge ist ja etwas verhalten. Dennoch begleitet sie mich immer ohne murren und maulen. Und das rechne ich ihr hoch an.

So langsam ist es an der Zeit etwas südwärts zu fahren. In zehn Tagen sollten wir zuhause sein! In Pärnu schlendern wir durch die frühsommergrünen Alleen zum Strand. Der Strand ist weisssandig, breit und flach. Und sehr beliebt.

Unweit von Pärnu fahren wir an den Strand. Dösen, lesen und essen. Und da es hier so schön ist bleiben wir gleich über Nacht. Wir sind ganz alleine da und haben den ganzen Strand für uns. Bloss einige Möven stochern nach Gewürm.

«…die romanische Kirche ist einschiffig», liest Frau G. vor. «Ich bin auch einschiffig – huähähää hä». Ihr versteht; einschiffig: Mann – Pfiffli – einschiffig. Hihiii.

17. Juni 2012

Baltikum: was Haapsalu?

Haapsalu. Es ist ein grauer und regnerischer Morgen. Nach zwei Hauptstädten brauchen wir etwas Erholung. Was ist da geeigneter als ein Badeort. Also fahren wir nach Haapsalu.

Haapsalu war einst ein weitherum berühmtes Heilbad. Selbst Herr und Frau König kamen hierher zum heilschlammbaden. Heute ist davon wenig mehr übrig geblieben. Haapsalu hat aber nach wie vor ganz gemütlich. Es hat einen sehr schönen Bahnhof. Einzig der fehlende Gleisanschluss ist vielleicht etwas nachteilig für den Zugverkehr. Und sonst? Einen Meteoritenkrater haben sie noch. Der liegt weit im Meer draussen und tief unter Wasser; und das macht ihn nicht unbedingt sehenswerter.
Wir übernachten gleich neben dem Schloss. Jawohl, auch ein solches gibt es hier. Das Schloss ist seit langem frei von Adligen und die Mauern obenrum etwas abgefressen.

Den ganzen Tag über war es trüb. Am Abend reisst mit einem male die Wolkendecke auf und es scheint die Sonne.

Obwohl Strassenschilder immer wieder solche ankündigen, haben wir immer noch keinen Elch gesehen. Solche aus Plüsch und solche in Fleischdosen schon. Aber eben keinen richtige. Nun wollte ich mir schon so eine „Elch-gucken-Tarnkappe“ kaufen. Aber als das Ladenpersonal zu grinsen begann, zweifelte ich ob deren Wirkung auf Elche.

Keine Pistolen und Fahrräder dürfen hinein, Amphibien hingegen schon.

16. Juni 2012

Baltikum: nach Finnland schiffen

Mit dem Schiff ist man in zweieinhalb Stunden in Finnland drüben. Helsinki sieht im Frühsommer hinreissend schön aus. Die Leute sitzen draussen in den Strassencafés und alles blüht und grünt.

Wir schauen uns die weltbekannt Temppeliaukio Kirche an. Und die nagelneue Kampens Kapelle, oval und komplett aus Holz.

Auch die neue Musikhalle, das Parlament und das Museum für zeitgenössische Kunst KISMA.

Den Finnen sagt man ja nach, dass sie zur Schwermut neigen. Diese versuchen sie manchmal mit vergorenen Kaltgetränken zu bekämpfen. Manchmal erfolglos.

Zum Abschluss unseres Helsinki-Ausfluges besuchen wir ein Konzert von Johanna Juhola. Finnischer Tango - aber virtuos, jung und frisch. Unvergesslich schön.
Die Wurst heisst übrigens "A-lk hirvimakkara" und schmeckt gut.

Spätabends bringt uns die Viking Line wieder zurück nach Tallinn. Um halb elf geht die Sonne unter, doch es wird deswegen nicht dunkel. Um Mitternacht kommen wir an. Praktisch, dass wir gleich um die Ecke wohnen.