12. Mai 2016

Istanbul: ganz allein in der grossen Stadt

Direkt gegenüber von unserem Frühstückstisch steht die Sultanahmet-Moschee, die „Blaue Moschee“. Einem der sechs Minarette fehlt die Spitze! Was da wohl passiert ist?
Auf dem Buffet gibt es alles von Wurst, Kuchen bis hin zu orangenfreiem Orangensaft aus der Chemiefabrik. Ja sogar richtig guten Kaffee.
Die Sonne scheint fahl durch den Morgendunst. Isch wunderschön hier.

Dann müssen wir zum Flughafen. Wie immer zuerst mit der Strassenbahn und dann mit der Metro zum Atatürk-Flughafen am westlichen Stadtrand Istanbuls. Für die 20 Kilometer brauchen wir Dreiviertelstunden, denn jetzt am Vormittag ist noch nicht viel Verkehr.
Am Flughafen hingegen schon. Alle zerren Rollkoffer hinter sich her und wuseln emsig umher. Ich begleite Frau G. bis zur Eingangskontrolle. Winke ihr ein letztes Mal zu, schlucke eine Abschiedsträne herunter und fahre schnurstracks zurück ins Stadtzentrum.
Ich werde die nächsten Tage ganz allein hier sein. Und ich versuche nichts zu tun. Etwas arbeiten muss ich, aber sonst habe ich nichts vor. Gar nichts.

Ich habe mir vorgenommen, nicht wieder in ganz Istanbul herumzurennen, bloss um irgendwelchen Unsinn anzuschauen. Wie zum Beispiel den „MIGROS“, die Schweizer-Supermarktkette, die früher einmal versuchten in der Türkei Fuss zu fassen. Was zwar misslang, aber die Läden gibt es immer noch. Und das Logo und die Einrichtung schauen auch noch aus wie in der Schweiz.

Beim Umsteigen von der Metro aufs Tram komme ich in der Unterführung an einem Herrenschuh-Fachgeschäft namens "% % %" vorbei – und kaufe mir neue Schuhe. Aber nicht wie sonst die Erstbesten, nein – diesmal die ersten schwarzen, die passen. Ein Paar Socken bekomme ich auch noch geschenkt. Die fünf Minuten Zwischenhalt haben sich also mehr als gelohnt.

Vom Frühstücksraum sieht man die Blaue Moschee, von meinem Zimmer aus dir ranzigen Nachbarhäuser. Die Restaurants und Strassencafés vier Geschosse weiter unten kann ich nur sehen, wenn ich mich abenteuerlich aus dem Fenster lehne. Hören kann ich sie hingegen selbst bei geschlossenem Fenster wunderbar.
Rund herum stehen zahlreiche Moscheen und fünfmal am Tag ruft von jeder der Muezzin. Hier hört sich das aber an, als ob sie sich gegenseitig anschreien. Kampf der Lautsprecher.

Was genau ich hier in Istanbul mache, berichte ich vielleicht später einmal. Bruckstückweise. Odr so.

11. Mai 2016

Iran: Frau G. oben ohne!

Morgens um sechs sind dir Strassen Isfahans gähnend leer. Kein Verkehr und nur sinnlos blinkende Ampeln. Bereits um halb sieben sind wir am Flughafen. Die Ausreise und das einchecken gehen schnell und völlig problemlos. Richtig angenehm und kein Vergleich zu dem Getue auf manchen Grossflughäfen.
Wir plaudern mit einem Iraner. Ich frage ihn, warum er denn so gut Deutsch spreche?
«Ich lebe in den USA» erklärt er!?
Er sei Professor und unterrichte jedes Jahr auch einige Monate in Deutschland Elektronik. Undauch seine Ex sei Deutsche. Odr so.

Um acht heben wir ab; Turkish Airlines TK893 nach Istanbul; Flugzeit 3:15. Kaum sind sie im Flugzeug, ziehen die meisten Frauen sofort das Kopftuch aus. Frau G. lacht spitzbübisch – ab jetzt ist sie wieder oben ohne unterwegs.

Über Täbriz gibt‘s Frühstück: Spinat-Pastete, Käsesandwich, Oliven, Schafkäse und das übliche. Dazu reichlich Kaffee und Saft. Isch richtig gut.
Um halb elf landen wir dann endlich in Istanbul Atatürk; Zeitumstellung minus 1:30h. Der Atatürk-Flughafen ist in den letzten Jahren enorm gewachsen. Auf dem Vorfeld stehen bestimmt wieder 50-60 Flugzeuge. Dazwischen schwirren unzählige Busse, Treppenwagen und Gepäck-Züglein umher.
Die Einreise geht geschmeidig. Danach rolltreppen wir ins Untergeschoss hinunter, kaufen eine „Istanbulkart“ und fahren mit der Metro in die Stadt. In Zeytinburnu umsteigen in die Strassenbahn T1 und eine dreiviertel Stunde später sind wir in Sultanahmet.

Der Platz vor der Blauen Moschee ist komplett abgesperrt und jede Menge Polizisten stehen herum. Zivile in roten Westen, andere in schwarzen Kampfanzügen und mit Maschinenpistolen.
«schon wieder eine Bombe?» frage ich.
«Nö, der Ministerpräsident betet in der Moschee.»
Schon erstaunlich, wie ähnlich beides ausschaut!

Frau G. bleibt nur einen Tag in Istanbul. Schon morgen fliegt sie nachhause. Eigentlich wollten wir heute etwas unternehmen. Aber das Wetter ist schlecht, und so faulenzen wir erst einmal im Hotelzimmer. Später scheint dann plötzlich wieder die Sonne und wir spazieren durch den „Gulhane Parki“ bis ganz an die äusserste Spitze der Landzunge. Die Bäume tragen hellgrüne Frühlingsblätter und dazwischen blühen Millionen bunter Tulpen.

Der Bosporus ist im Dunst kaum zu sehen. Zahllose Fähren baggern Autos und Leute in den asiatischen Teil Istanbuls hinüber. Die Möwen fliegen Kreise und die Leute wuseln umher.

Am Abend essen wir, wie jedes Mal am ersten Tag in Istanbul, im legendären Restaurant „Puddingshop“. Der Puddingshop (n41.0079, e28.9771) war jahrzehntelang DER Anlaufpunkt der alle Indien-Fahrer. Hier traf man sich und an der Pinnwand wurden Infos ausgetauscht, Mitfahrer gesucht oder Briefe hinterlassen. Nach der iranischen Revolution 1980 wurden die Überlandreisenden immer weniger.

Ich reiste 1992 zum ersten Mal überland nach Nepal. Damals konnten wir noch vor der Sultanahmet-Moschee, wenige Schritte vom Puddingshop entfernt, zelten. Heute ist da alles Fussgänger- und Touristenzone. Ausser wenn der Präsident dort betet…

10. Mai 2016

Iran: Metro, Pizza und Tränen

Heute ass ich mein Frühstücks-Fladenbrot mehrlagig – was, wie man weiss, nicht nur beim Klopapier vorteilhaft ist. Anschliessend gingen wir Metro fahren. Mitte Oktober 2015 ging nämlich das erste Teilstück der Linie 1 der Isfahaner Metro in Betrieb.

Ab der Station „Shohada“ (n32.6720, e51.6712) fährt die Metro elf Kilometer bis in den Vorort Qods. Der Bahnhof Shohada befindet sich in der Mette eines grossen Kreisverkehrs, einfach zwei Stockwerke tiefer unten. Wir sind heute die einzigen Fahrgäste. Wir plaudern ein wenig mit dem Personal und bekommen sogar Metro-Bonbon geschenkt.

Der Fahrdienstleiter begrüsst uns sogar mit einer eigens an uns gerichteten Lautsprecherdurchsage. Dann fährt die nagelneue Metro ein, ein Fabrikat aus Korea. Wir reiten ein paar Stationen bis zur Station „Kaveh“ (n32.6986, e51.6725).

Dieser Bahnhof ist nämlich oberirdisch, und hier befindet sich auch das Bahnbetriebswerk. Deshalb hat dieser Bahnhof vier Geleise und viel Technik. Doch heute scheint er wie ausgestorben, ausser dem Personal ist kaum jemand hier.
Gleich nebenan ist auch der grosse Busbahnhof „Kaveh“ (n32.7005, e51.6739). Von hier fahren die Busse vor allem nach Norden und Westen. Und hier herrscht emsige Betriebsamkeit. Viele Busse und noch mehr Passagiere. Alles wohl organisiert und geordnet. Und alles voller Ladengeschäfte, Kioske und Taxis. Sogar Friseure, ein Hotel und eine Moschee gibt es hier. Welch ein Unterschied zu der gähnend leeren Metro nebenan?

Auf der Rückfahrt sind dann etwas mehr Leute in der Metro, aber sehr viele sind es auch nicht. Schade, aber vermutlich bessert sich das, wenn die Metro dereinst bis ins Stadtzentrum fährt?
Wir setzen wir uns in den Hascht Bescht Park (n32.6533, e51.6704) und geniessen die Bäume, Blumen und Wasserspiele. Auf den Kinderspielplätzen toben die Gofen und auf den Bänkli sitzen die alten Männer und plaudern. Einige spielen Boggia oder sowas ähnliches.

Heute ist unser letzter Tag in Isfahan. Deshalb wollen wir nichts unternehmen, sondern bloss noch ein bisschen herumlungern. Ich will noch ein paar Fotos machen, und vielleicht noch einige Baustellen anschauen. Odr so.
Mit jeder Stunde wird das Wetter schlechter; dicke Wolken und kalter Wind. Wir spazieren über den Meidan-e-Immam – oder Naqsh-e Jahan Platz, wie er neustens genannt wird – den grandiosen Platz im Herzen Isfahans. Es sind wieder viele Leute da. Nicht mehr so viele wie an unserem ersten Tag, aber immer noch viele. Manche sitzen im Rasen und picknicken, andere schieben ihre Kinderwagen rundherum. Die Jungmänner sind auf Brautschau und die Sportlichen rollen genüsslich mit ihren brandneuen Mountainbikes umher. Ganz besonders in sind die Fat-Bikes mit ihren dicken Pneus.

Zur Abwechslung versuche ich heute mal eine Safran-Eiswaffel. Isch gut, aber nix besonderes. Frau G. trifft es mit ihrem Schoggi-Eisbecher eindeutig besser.

Ich glaube ja, dass unser Café Espadane ein von Frauen geführtes Unternehmen ist. Frau G. meint aber, möglicherweise seien die Männer bloss zu faul zum Arbeiten und liessen lieber ihre Frauen hier schuften. Was im Endeffekt aber wohl aufs Gleiche hinaus kommt.

Am Abend müssen wir noch unbedingt unser restliches Geld wegessen. Als erstes geniessen wir an unserem Saftstand eine Bananenmilch und einen Granatapfelsaft. Dann setzen wir uns in unserem Lieblings-Restaurant und bestellen einen Fitnessteller und ein Irani-Bier, Geschmacksrichtung Ananas.
Dann beginnt es zu Regnen – fühlt sich fast wie Abschiedstränen an.

9. Mai 2016

Iran: Welt der Wunder

Das Frühstück war heute wie immer, aber mit Wurst. Und mit Pulverkaffee. Es ist wieder ein wunderschöner Frühlingsmorgen. Die Blumen blühen still vor sich hin und die Bäume schütteln ihre Blätter im Wind. Ein Vogel lässt mir einen spiegeleigrossen Schiss auf den Kopf fallen, nur gut dass ich meine neue Mütze trage.

Im Bazar wie jeden Tag dämmriges Licht. Nur durch die kleinen Öffnungen in den Kuppeln fingern da und dort Sonnenstrahlen herein. Die Auslagen in den Ladengeschäften sind dann aber hell beleuchtet. Alles glänzt, glitzert und lockt. Und dazwischen sitzen die Händler und warten auf Kunden. Anders als zum Beispiel in Istanbul sprechen die Händler die Kunden nicht an, sondern warten geduldig, bis sich jemand für etwas interessiert.

Wir schlendern durch die Bazar Gassen und schauen uns die Augen aus dem Kopf. Die Kupferschmiede schmieden Gefässe aus Kupfer. Die Goldschmiede schmieden Gold und die Baumwolldrucker drucken – öööhm, ihr versteht das Prinzip.
Frau G. kauft sich eine kleine Schmuckschatulle aus Ebenholz und Kamelknochen. Ich nix.

Im Bazar gibt es auch einige Moscheen und einige Innenhöfe mit schönen Gärten und üppigen Wasserspielen. Was es aber nur wenig gibt, sind Gaststätten oder Kaffeehäuser. Eines gibt es gleich beim Eingang, das „Café Narvan“ mit dem feinen Kuchen und den netten Kellnern. Ein anderes ist das „Café Espadana“ in einem Innenhof neben der Lotfollah Moschee.

Zufällig kommen wir an einem Handtaschengeschäft vorbei. Frau G. erwirbt eine iranische Designer-Handtasche. Wozu weiss ich nicht; denn ich könnte wetten, zuhause hat sie schon eine.

Am Abend spazieren wir durch die nächtlichen Strassen. Alles ist buntzappelnd erleuchtet. Und alles was Beine oder Räder hat ist unterwegs. Wir trinken eisgekühlten Granatapfelsaft und essen türkische Sandwiches. Isch gut - Isfahan.

7. Mai 2016

Iran: unser Miet-Schwan

Welcher Weltreisende träumt nicht sein Leben lang davon, einmal mit einem iranischen Schwanen-Tretboot zu fahren? Jeder. Odr so.
Und heute fliesst im Zayandeh Rud, dem grossen Fluss Isfahans, besonders viel Wasser. Also wollen wir – öööhm, also eher ich – die Gelegenheit nutzen und uns einen Schwan mieten. Der Zweier kostet bloss 60 Tausend Rial, was ich für so ein Gefährt recht preiswert finde.

Frau G. verbirgt ihre Begeisterung anfänglich recht geschickt hinter ihrem ausdruckslosen Gesicht. Doch nach dem Ablegen hat sie dann keine Wahl mehr, sie muss mitfahren. Wir pedalen genüsslich zur „Si-o-se Pol“ hinunter. Erst als wir wieder flussaufwärts strampeln, merken wir, dass bis jetzt weniger unsere athletischen Beine, sondern vielmehr die Strömung für Vortrieb gesorgt hat.

Die Vorstellung, wie wir zwei in einem Schwan aus Polyester erst mit einem Brückenpfeiler kollidieren und danach im knietiefen Wasser untergehen ist zwar reizvoll, aber auch unbeschreiblich schrecklich. Also strampeln wir unsern Schwan bergwärts. Wo uns Frau G. gekonnt zum rettenden Pier steuert und anlegt.
Keiner wird je erfahren, war‘s die Anstrengung, Abschiedstränen oder der Angstschweiss?