20. April 2016

Iran: dem Kamel fehlt sein Bein

Wir sind die ersten am Frühstücksbuffet. Es gibt alles was man sich vorstellen kann, ausser Kaffee, Speck, Käse und Brot. Dafür aber Milchreis und allerlei Kuchen und so. Wir fahren zeitig los. Das Wetter ist gut, der Himmel tintenblau und es weht ein lauer Wind.
Am Stadtrand schauen wir uns die „Türme des Schweigens“ an. Hier haben früher die Zoroastrier ihre Verstorbenen bestattet, rspektive von den Vögel fressen lassen. "Himmelsbestattung" nennt sich das. Wer's genauer wissen will – öööhm – guugelt mal danach.

Wir steigen aber nicht hinauf, denn ich glaube, dass man die Türme aus der Ferne besser sieht, als von oben. Eine Touristengruppe ist anscheinend aber anderer Meinung.

Von Yazd fahren wir nach Westen. Die Landschaft gefällt uns sehr. Rote Berge und kahle Wüsten. Ab und zu sehen wir in der Ferne ein Dorf, aber meistens ist nur viel Gegend um uns herum. Die Strasse steigt immer leicht bergan. Ich merke es nur, weil unser Auto nur wiederwillig vorwärts surrt.
Auf den Berggipfeln liegt immer noch Schnee. Irgendwann kommen wir auf eine Passhöhe, das Schild verkündet 2‘540 Meter über Meer. Ab nun geht es spürbar bergab, allerdings nicht sehr weit. Die ganze Region hier liegt auf 2‘000 Meter Höhe.

Am Mittag erreichen wir Abarkuh. Hier bewundern wir die weitherum bekannte Zypresse (n31.1227, e53.2794). Drei Franken kostet uns das Vergnügen, den 4'000 Jahre alten Baum anzuschauen. Den iranischen Ausflüglern scheint es hier ganz besonders gut zu gefallen. Alle halten ihre Smartphones in die Luft und fotografieren sich vor dem weltberühmten Baum.

In Abarkuh gibt es auch noch so ein runder Lehmturm (n31.1246, e53.2594). Er ist vielleicht zehn Meter hoch und reicht fast ebenso weit in den Boden hinein. Früher hat man hier im Winter Eis hineingeschaufelt und im Sommer die die Kälte genutzt. Sozusagen ein Kühlschrank aus dem 14. Jahrhundert. Jetzt ist er bis auf zwei Touristen komplett leer. Und die Touristen sind wir.

Bis zu unserem Etappenziel ist nicht mehr weit. Deshalb halten wir unterwegs an einer Fernfahrer-Raststätte und essen gemütlich ein Hühner-Sandwich. Zwei lustige Kerle betreiben den Laden. Wir haben viel Spass und machen Fotos voneinander. Die Kneipe hat statt Tischen und Stühlen eine Art Betten, wo man sich herrlich drauf fläzen kann. Sehr angenehm. Und das Brot schmeckt auch.

Heute übernachten wir im „Kian Hotel“ (n30.8881, e52.6816) in Eqlid. Es stellt sich heraus, dass unser Zimmer eine ganze Wohnung ist; Küche, Wohnzimmer und ein Schlafzimmer mit fünf Betten. Sie kostet bloss 1‘200‘000 Rial, was etwa 30 Franken entspricht.
Eqlid ist eine quirlige Kleinstadt mit etwa 50‘000 Einwohnern und ohne jede Sehenswürdigkeiten. Obwohl man hier auf über 2‘200 Meter Höhe ist, leben die Leute von der Landwirtschaft. Das Stadtzentrum besteht aus zwei Ladenstrassen, die sich bei einem eigenartigen Denkmal treffen.

Am Abend rollen wir mit unserem Tondar noch ein bisschen durch die Innenstadt. Die ist eine Kombination aus Durchgangsstrasse, Fussgängerzone und überfülltem Parkplatz. Der Feierabendverkehr quillt aus allen Löchern und nutzt jeden freien Quadratmeter. Gut wer sich rechtzeitig in Sicherheit bringt.
Beim Metzger steht ein Kamelbein vor der Tür. Praktisch; so weiss jeder gleich, was das aktuelle Tagesangebot ist.

19. April 2016

Iran: Yazd und unsere Millionen

Nach gut 70 Kilometer öder Überlandstrasse erreichen wir Yazd. Der Strassenverkehr ist wieder sehr dicht und – öööhm – eigenwillig. Jeder fährt wo und wie es im grad passt. Weder Strassenmarkierungen noch Verkehrsregeln werden ernstgenommen. Doch wer jetzt denkt, das sei das pure Chaos oder ein heilloses Durcheinander, der irrt. Es ist genau das Gegenteil. Jeder Autofahrer ist sehr darauf bedacht kein anderes Auto zu berühren und keine Fussgänger umzufahren. Es ist ein stetes Ausweichen, Ausbremsen und Überholen.

Wie in einem Fischschwarm lassen wir quer durch die Stadt zum „Yazd Tourist Hotel“ spülen. Ein nobles Haus mit livrierten Kellnern. Für uns ist es aber einfach das Erstbeste und gut gelegen. Unser Doppelzimmer ist sehr luxuriös und kostet 2‘892‘000 Rial, was etwa 85 Franken sind. Es gibt Zahnbürste, Hausschuhe und eine Minibar voller Naschkram.

Gegen Abend hat sich das Wetter deutlich gebessert. Wir satteln noch einmal unser Auto und reiten ins Stadtzentrum. Zuerst müssen wir aber noch Geldwechseln. Gleich gegenüber vom Feuertempel der Zoroastrier (n31.8809, e54.3726) finden wir eine Wechselstube. Ein kleines Büro im zweiten Stock eines abgeschabten Geschäftshauses. Für 250 Dollar bekommen wir 8,7 Millionen Rial; was ein beachtliches Bündel Banknoten sind. Vor allem weil es keine entsprechend grossen Banknoten gibt, 100‘000-er sind die grössten.

Deshalb gibt es neben den üblichen Rial Noten nun auch noch 500‘000 und 1 Million Bank-Checks, die man hier wie Bargeld verwendet kann.

Yazd ist eine uralte Stadt und der Meydan Amir Chakhmagh (n31.8937, e54.3696) bildet das Stadtzentrum. Der grosse Platz wird an der Ostseite von einem moscheeartigen Bauwerk begrenzt. In dem mehrstöckigen Bauwerk befinden sich aber nur ein paar Ladengeschäfte und Garküchen, wie auch rund um den Platz herum. Alles nur Scheinfassaden.

Der Platz ist den Kriegsopfern des Iran-Irak-Krieges gewidmet. Überall hängen Bilder von Gefallenen. Grad heute findet dazu eine Veranstaltung statt. Wir schauen eine Weile zu, doch es ist dann doch nicht soo interessant, wie ich dachte. Dafür gibt es gleich gegenüber frittierte Teigdreiecke mit einer rätselhaften Füllung. Sie schmecken gut, mit oder ohne scharfe Sosse.

Yazd ist für seine Süssigkeiten bekannt. Diese werden gleich kübelweise angeboten.
Rund um den Meydan Amir Chakhmagh lugen überall buntglasierte Kuppeln aus dem Häuser-Einerlei. Moscheen und Mausoleen. Wir schauen uns einige an. Auch ein Mausoleum, das innen komplett verspiegelt ist. Es glitzert wie eine Disko-Kugel.

Auf der Heimfahrt muss ich noch an den Bahnhof zum Züge-gucken. Einer ist da, aber der Bahnhof abgesperrt, was mich eher herausfordert als von einem Besuch abhält.

18. April 2016

Iran: Ardakan, Meybod und so

Sozusagen im Vorbeifahren schauen wir uns Ardakan und Meybod an. Beides sind hübsche alte Städtchen mit viele Charmes. Und mit vielen schönen Bauwerken. Ardakan hat eine sehr altertümliche Altstadt mit einigen schönen Moscheen (n32.3208, e54.0199) und einem kleinen Bazar.

Wir schlendern durch die Gassen, schauen und werden angeschaut. Europäische Touriste scheinen hier selten aufzukreuzen. Und wenn, dann in geführten Gruppe.

Diese eigenartigen Holzgestelle haben wir schon vor einigen Moscheen gesehen. Sie werden an einem ganz speziellen Feiertag geschmückt und in einer Prozession voran getragen. Die Dinger sehen aber recht schwer aus, da braucht es wohl sehr kräftige, oder sehr viele Männer dazu.

Der Khadija Khatoon Schrein (n32.2409, e54.0083) in Meybod ist eigentlich einfach wieder eine weitere Moschee. Doch die bunten Ornamente, die Schattenbäume und das eiskalte Trinkwasser für die Besucher lassen den Ort wie das Paradies wirken. Draussen ist Hitze, Staub und Lärm; hier drinnen Ruhe und Kühle. Und spielende Kinder.

Die Lehmburg (n32.2264, e54.0145) dürfte der wohl älteste Teil von Meybod sein. Sie ist viel grösser als alle bisherigen. Und sie ist von einem tiefen Burggraben umgeben.

Es ist heiss und es bläst ein starker Wind. Ausserhalb der Stadt wird aus dem Wind ein richtiger Sandsturm. Gelbbraune Nebelbänke legen sich über die Strasse. Der trockene Wind fühlt sich glutheiss an, ist aber eigentlich recht kühl.

17. April 2016

Iran: Nain ist schön

Verstehe einer Frau G.; sie kämmt sich jeden Morgen, obwohl sie den ganzen Tag ein Kopftuch trägt!
Heute verlassen wir zeitig unser Hotel, denn in den vergangenen Tagen war das Wetter jeweils am Morgen ganz schön, aber später kamen dann die Wolken und der Staub. Wir fahren in die Altstadt von Naïn und schauen uns die Freitags-Moschee mit dem schlanken Minarett an (n32.8686, e53.08793.

Ganz in der Nähe steht auch noch die ganz verwaschene Lehmburg Narenj Ghaleh (n32.8675, e53.0896). Es dauert wohl nicht mehrlange bis sie ganz geschmolzen ist.

Was für ein Mausoleum es ist, wissen wir nicht. Aber es hat eine wunderschöne Kuppel und steht in einem üppigen Park. „Mosalah“ heisse es, sagt der Pförtner (n32.8603, e53.0909). Isch schön hier.
Um zehn Uhr beginnt wieder der Wind und kurze Zeit später kommen auch schon die Schleierwolken. Der Himmel ist grau und es blendet wie verrückt. Wir fahren weiter.

15. April 2016

Iran: Essen gut, Navi tot

Naïn. Der Hunger treibt uns zurück nach Naïn. Im Stadtzentrum entdecken wir ein buntes Restaurant. Die dreiköpfige Besatzung spricht fliessend persisch, wir nicht. Also bestellen wir „Tschelo-Kebab“, denn das versteht hier jeder. Tschelo-Kebab ist gedämpfter iranischer Reis mit Grillfleisch und Beilagen; Salat, Joghurt, Zwiebeln, Zitronen und so.

Ausserdem ist Tschelo-Kebab die Nationalspeise der Iraner. Es gibt ihn in fast jedem Restaurant - oft auch gar nichts anderes.
Auf früheren Reisen habe ich das Zeug gehasst, wochenlang immer nur Tschelo-Kebab, nichts anderes. Und wenn ich mal kein Fleisch essen mochte, blieb davon bloss der ungesalzene Reis übrig. Das ging dann soweit, dass ich im Iran nur noch mit meinem eigenen Salzstreuer reiste.
Und heute – liebe ich Tschelo-Kebab. Und auch der Frau G. mundete es ausgesprochen gut.

Heute ist ganz plötzlich mein Navi verstorben. Erst stotterte es, dann war von der Stadt Naïn bloss noch ein Punkt mit drei Strassen zu sehen – alles andere war weg! Meine Nachforschungen ergeben, dass sie Speicherkarte mit allen Daten drauf kaputt ist.
Eine Ersatz-Specherkarte habe ich dabei und am Abend gelingt es mir trotz wackliger Internetverbindung die neue Iran-Landkarten herunterladen. Etwas Fummelei - und mein Navi läuft wieder. Ohne wäre jetzt wirklich blöd gewesen.

Zufrieden schauen wir dann noch eine Kochsendung im iranischen Fernsehen. Fünf Männer kochen für eine Frauenjury. Leider verpasse ich, wie es ausgeht, denn Frau G. schaltet zur Comedy um. Ist jetzt aber auch nicht unbedingt lustiger als die Kochsendung.
Draussen tobt ein Sturm. Die Fenster scheppern und die Landschaft ist in einen Staubnebel gehüllt. Gute Nacht, Tschadori  so nenne ich Frau G. seit sie immerzu dieses Kopftuch trägt.

14. April 2016

Iran: unser Auto heisst Tondar

Isfahan. Ein wunderbar klarer Frühlingstag mit blauem Himmel und hellgrünem Laub. Um zehn sind wir im Hof der Autovermietung. Unser Auto ist auch da; ein schneeweisser „Renault Tondar 90“, was eigentlich ein von Iran Khodro hergestellter Dacia ist. Vollgetankt, frischgewaschen und abfahrbereit. Was wir auch gleich tun.
Für eine zwei-Millionen-Stadt hat es heute Vormittag recht wenig Verkehr. Wir reihen uns im Verkehrsknäuel ein und lassen uns nach Osten spülen. Nach etwa einer halben Stunde erreichen wir den Stadtrand. Der Verkehr wird weniger und schneller. Die Strasse bleibt mehrspurig und führt schnurgerade über eine kahle und kiesige Ebene. Der „Grünstreifen“ zwischen den Fahrbahnen ist oft einige Hundert Meter breit. Ab und zu passieren wir ein Landstädtchen oder Ansammlungen von Industriehallen. Nichts Aufregendes.

Irgendwo sehen wir im Dunst die Ruinen einer Lehmfestung. Nach etwas suchen finden wir eine kleine Kiespiste, die dahin führt.
Um was es sich bei diesen Lehmbauten einst handelte, können wir nicht erkennen. Für eine Karawanserei oder etwas Religiöses scheint die Anlage zu gross. Aber nach einem alten Dorf sieht es hier auch nicht aus. Zudem sind viele Mauern deutlich jünger, als man auf den ersten Blick meint.

Vor uns tauchen nun Berge auf. Sie scheinen unbedeutend, doch einige sind über 3‘000 Meter hoch. Am Strassenrand stehen Schneeketten-Schilder und man warnt uns vor Glatteis. So arg ist es dann aber doch nicht. Die Strasse steigt nur leicht und wir überqueren mühelos den 2‘000 Meter hohen Pass. Uns kommt zugute, dass Isfahan auch schon auf 1‘500 Meter Höhe liegt.

Schon kurz nach dem Mittag kommen wir nach Naïn, unserem heutigen Etappenort. Das erste Hotel ist voll, aber im „Gole Narges Hotel“ (n32.8682, e53.0592) bekommen wir ein nettes Doppelzimmer für 1‘549‘000 Rial. Es liegt am Stadtrand, trostlos zwischen staubigem Ödland und einigen Starkstromleitungen.

Wir fahren gleich ins nahe Mohammadiyeh, denn hier soll es eine unterirdische wasserradangetriebene Mühle geben. Sie heisst Rigareh und man kann sie während der Nowruz-Feiertage besichtigen.
Der Eingang zur Mühle ist ein unscheinbares gemauertes Türmchen mitten auf der Strasse. Von hier soll ein Gang mehr als hundert Meter weit und fast dreissig Meter tief in den Untergrund gehen. Und dort unten läuft ein Wasserrad mit Wasser, das durch Qanat – von Menschenhand gegrabene Wassertunnel – kilometerweit von den Bergen hierher geleitet wird. Ein schier unglaubliches Meisterwerk. Doch heute ist heute geschlossen; keiner da.

Ganz in der Nähe sehen wir eine Lehmburg und eine Moschee mit einer goldigen Kuppel. Also nix wie hin.
Auf dem Platz vor der Moschee steht ein Brunnenhaus. Der Wassertrog befindet sich bestimmt fünf Meter unter dem Strassenniveau. Auch der wird wohl von den Qanat gespeist?
Im Hof der Moschee (n32.8667, e53.1129) sitzen einige Frauen. Als sie uns bemerken, ziehen sie gschwind den Tschadur stramm. Frau G. grüsst sie freundlich, ich schaue weg.
Neben der Moschee steht auch noch ein Mausoleum. Ein schlichter Lehmbau mit einer Schmuckfassade. Durch „Schaufenster“ mit silbrigen Gittern kann man hinein sehen. Im dämmerigen Innenraum sehen wir aber nur Teppiche und Blumenschmuck, das eigentliche Grabmal scheint im Keller zu sein. Aber wir finden keine Tür dahin.

Vom Burghügel (n32.8671, e53.1133) haben wir einen grossartigen Rundblick über die karge Landschaft. Manchmal scheint die Sonne durch Wolkenlöcher und lässt die Berge leuchten. Aber meistens ist alles in grauen Dunst gehüllt. Täte man die Autos und Stromleitungen entfernen, wäre das die perfekte Kulisse für einen Bibel-Film.