Neulich kauften wir zwei Rollen Müll-Säcke. Die waren
preiswert und lavendelfarbig. Später musste ich dann schmerzlich erfahren,
dass sie auch nach Lavendel „duften“. Also sehr lavendelig - als ob ein durchgedrehter
Chemiker Amok gelaufen wäre. Ich würde sagen, es geht schon eindeutig in Richtung stinken.
Ein Bergler auf Abwegen. Der Schweizer Weltenbummler, Klugscheisser und Sapperlot berichtet von weltweit und zuhause. Ein Reiseblog.
28. März 2015
27. März 2015
Marokko: Spuren des Krieges
Im Grenzgebiet Westsahara. In der Nacht stürmte es ghörig. Am Morgen ist es noch kälter
als gestern, aber wenigstens scheint wieder die Sonne. Wir fahren weiterhin
nordwärts. Am Horizont sehen wir eine Regenfront, also machen wir langsam.
Einige Kilometer neben der Strasse sehe ich ein Marabut,
ein Grab eines frommen Mannes. Wir fahren hin – und finden ein grosses
Gräberfelder (N27.7455, W11.5382). Alte Gräber in Reih und Glied, vielleicht Opfer des Marokkokrieges vor dreissig Jahren?
Später lese ich, dass im April 1979 hier ein heftiger Kampf tobte. Dabei starben 25 Saharaoui und 5 marokkanische Soldaten. Traurig, die Saharaoui liegen wohl immer noch hier in der Einsamkeit.
Später lese ich, dass im April 1979 hier ein heftiger Kampf tobte. Dabei starben 25 Saharaoui und 5 marokkanische Soldaten. Traurig, die Saharaoui liegen wohl immer noch hier in der Einsamkeit.
Ziemlich genau 100 Kilometer vor Tan-Tan entdecken wir im
Westen zahlreiche bienenkorbförmige Hütten. Wie Trulli, aber aus Lehm gebaut.
Eigenartig. Immer um einen grossen rechteckigen Platz angeordnet. Vermutlich
alte Feldlager der Armee?
Eine halbe Stunde vor Tan-Tan überseicht uns ein Platzregen.
Wir fahren in die Stadt und schauen die Wetterprognose an. Die sieht gar nicht
gut aus. Nördlich von hier erwartet man in den nächsten Tagen schlechtes
Wetter, kalt und Regensturm.
Sowas können wir jetzt gar nicht gebrauchen. Wir
beschliessen einige Tage hier zu bleiben und das schlechte Wetter auszusitzen.
Wir fahren an den 25 Kilometer entfernten Strand von El
Ouatia und verkriechen uns auf einem Campingplatz hinter der Oleanderhecke. Am
Nachmittag besser sich das Wetter wieder, doch der eiskalte Wind bleibt. Dann
kommt der Regen, dann wieder die Sonne, dann ...
26. März 2015
Marokko: Cremeschnitten in Samara
Dieses Samara, manchmal auch Es Semara geschrieben, gefällt
uns. Die Leute hier sind ausgesprochen gemütlich und freundlich. Und wir die
einzigen Touristen in der Stadt.
Wir schauen uns den Palast und die Moschee von Cheikh
Maouelainin (N26.74241, W11.67993) an. Obwohl dies hier die
Hauptsehenswürdigkeit ist, hält sich unsere Begeisterung in Grenzen. Denn am
Palast sind die Türen zugemauert und von der Moschee stehen nur noch einige
Bögen.
Irgendwo habe ich gelesen, dass am Flussufer neben dem
berühmten Palast die einzige Palme von Samara steht. Tut sie auch – zusammen
mit vielen anderen.
Also gehen wir noch einmal auf den Markt, der uns gestern
Abend so gefallen hat. Doch obwohl es bald Mittag ist, sind die meisten Läden
noch zu. Wenigstens die Konditorei hat auf und ein lange gehegter Traum wird
wahr; ich kaufe zwei pralle Cremeschnitten.
In der Markthalle besorgen wir noch Proviant für die
nächsten Tage und kaufen einen neuen Teppich für in unseren Möbelwagen. Der alte
ging ja im letzten Herbst bei der Bachdurchquerung-Bergungs-Aktion verlustig. Braun
mit grellblauem Ornament.
Nach einer ausgiebigen Strassencafé-Sitzung verlassen wir
Samara nach Norden. Mehrmals sehen wir die berüchtigten Schutzwälle, die die marokkanische
Besatzungsarmee vor den Angriffen der Polisario schützen sollen. Kilometerweit
ziehen sie sich schnurgerade durchs Land. Manche sind vermint und/oder
elektronisch gesichert. Schauderlich.
Mitten in der Einöde treffen wir einen Reise-Lastwagen. Hier
in dieser Gegend können das nur richtige Saharafahrer sein. Und tatsächlich;
Gerti und Jürgen mit ihrem VW/MAN. Wir verplaudern den halben Nachmittag. War
eine Freude, wieder einmal zwei „alte Reisefüchse“ zu treffen.
Wir fahren noch etwas weiter nach Norden und übernachten direkt
an der alten Grenze zwischen Marokko und spanisch Westsahara. Die Landschaft
erinnert mich an die Mongolei, wo ich übrigens noch nie war. Es bläst ein eiskalter
Wind - und es ziehen Schlechtwetterwolken auf.
25. März 2015
Marokko: Samara, am Ende der Welt
Laayoune Plage, etwas südlich liegt der Fischkutter „Que
Sera Sera“ todkrank in der Brandung. Seit wann und warum weiss ich nicht, aber
es steckt bestimmt eine eher unerfreuliche Geschichte dahinter.
Wir fahren noch bis zum gigantischen Hafen, wo das Phosphat
aus dem Innenland auf Frachtschiffe verladen wird. Und zurück nach Laayoune und
schnurstracks ins Café „Perla“.
Ab nun geht unsere Reise ins Innenland; nach Samara. Da möchte ich schon lange mal hin – nur wegen des schönen Namens. Die Landschaft ist – öööhm – übersichtlich. Oben Himmel, unten Kiesebene, dazwischen die Strasse. Selten mal eine Kurve, alle halbe Stunde mal Gegenverkehr.
Aber alles voller blühendem Grünzeug. Hier tragen selbst
diese kleinen Penis-Kaktusse zarte weisse Blüten. Das mag ja nett ausschauen,
aber für einen richtigen Wüstenfahrer ist das nix. Ich will Wüste sehen – mit ganz
ohne Blumen.
Nach etwa einer Stunde Fahrt machen wir einen Abstecher ans
Förderband, das wohl längste der Welt. Damit wird Phosphat 100 Kilometer weit
bis zum Hafen Laayoune transportiert. Schon bald danach kommt eine Kurve, nun
fahren wir nach Osten. Langsam wird die Wüste karger. Und sandiger.
Wir suchen, finden und staunen. Die Zeichnungen sollen sich
über Dutzende Kilometer hinziehen, wir begnügen uns mit dem Anfang. Ganz
überraschend stossen wir auch noch auf einen Tumulus, einen vorislamischen
Grabhügel.
Gegen Abend erreichen wir mein Samara. Zuerst kommt
allerdings noch die übliche Polizeikontrolle, registrieren, dann fahren wir in
die Stadt hinein. Alles wirkt irgendwie schläfrig. Doch gegen Abend kommt Leben
in die Gassen. Am Markt werden die Waren drapiert und die Cafés stuhlen raus.
Wir flanieren durch die Fussgängerzone, jawohl eine solche
gibt es hier, trinken Tee und futtern flauschigknusprige Teigringli. Hinter den
Häusern geht die Sonne unter und uns ist es vögeliwohl. Wir übernachten zwischen
der Polizei-Kaserne und der alten Moschee (N26.7426, W11.67925).
24. März 2015
Marokko: Windpark und parken im Wind
Am Rand eines Salzsees steht der nagelneue Windpark von
Tarfaya. Er ist im letzten Dezember in Betrieb gegangen und gehört mit
seinen 130 Windrädern zu den grössten weltweit. Die Windräder sind von Siemens,
haben einen Durchmesser von 100 Meter und produzieren zusammen gut 300 Megawatt
Strom. Die Bauzeit betrug nur knapp zwei Jahre.
Schon bald bessert sich das Wetter. Die Sonne strahlt vom
blauen Himmel. Die Landschaft wird immer karger, Bäume hat es längst keine
mehr, aber immer noch blühende Blumen.
Dann kommt Tah, der einstige Grenzort zwischen Marokko und
Spanisch Westsahara. Kurz nachdem Spanien seine Kolonie Westsahara in die
Freiheit entliess, besetzte Marokko das Land kurzerhand. Die Hälfte der
Bevölkerung floh nach Algerien. Und lebt seit den 1970-er Jahren dort in den
Flüchtlingslagern.
Ein Denkmal mitten im Ort erinnert an diese Heldentat.
Ansonsten ist in Tah nicht viel los. Der Wind treibt Plastikabfall über die
Strasse. Im Schatten döst ein struppiger Hund und wir bestellen uns im
Strassencafé ein Tee. Ab und zu fährt ein Lastwagen vorbei. Oder ein betagter Land Rover
mit einem kettenrauchenden Sahraoui am Steuer.
Landschaft im eigentlichen Sinn gibt es nun keine mehr.
Beidseits der Strasse ist einfach nur noch Gegend. Manchmal ein paar Sanddünen,
meistens aber nichts.
An einem Militärkontrollposten werden unsere Daten in den
Computer eingegeben. Gut, dass ich den entsprechenden Zettel vorbereitet habe,
so brauchen wir jeweils nicht lange warten.
In Laayoune machen wir eine kleine Stadtrundfahrt. Viele
neue Häuser und viele nagelneue UN-Geländewagen. Wir fahren an den Strand, der
dreissig Kilometer entfernt ist und finden einen windgeschützten Schlafplatz.
Liegen, lesen und dösen. Und spanische Salami essen. So stelle ich mir das
Paradies vor. Einfach mit noch schnellerem Internet.
Obwohl ein eiskalter Wind bläst, sind recht viele Ausflügler
am Strand. Manche baden im braunschäumenden Atlantik, andere stehen in
Wintermänteln im Sand herum. Ich schaue mir die Korallenbänke an. Buben jagen hier
in den Tümpeln streichholzgrosse Fische.
Amadou wünscht ein Foto von sich - und ich müsse dann
unbedingt auf sein tolles Six-Pack hinweisen...
23. März 2015
Marokko: der kleine Prinz in Cap Juby
Tarfaya. Wegen dem pittoresken Ortsbild oder dem ausschweifenden
Nachtleben braucht man nicht unbedingt nach Tarfaya zu reisen. Das Dorf ist
staubig und wirkt irgendwie unfertig. Man weiss nie genau, ist das nun eine Baustelle
oder schon eine Bauruine.
Wir sind nur da, weil der berühmte französische Pilot und
Schriftsteller Saint-Exupéry hier zwei Jahre lebte. Er wurde 1927 zum
Flughafen-Direktor befördert, nachdem sein Vorgänger grausam abgeschlachtet
wurde und man Saint-Exupérys vor seinen eigenen Flugkünsten beschützen wollte.
Cap Juby war damals nur ein kleiner Militärstützpunkt und
Postflieger-Station in der Einöde. Tarfaya gab es noch nicht. Rundherum war
lauter Nichts - und feindlich gesinnte Beduinen.
Vom damaligen Flugplatz ist leider nichts erhalten
geblieben, aber das Fort steht noch. Zumindest teilweise.
Saint-Exupéry sass hier in seinem Büro und fertigte die
Postflieger ab. Damals flogen die täglich von Frankreich über Spanien und
Marokko bis in den Senegal. In Cap Juby konnten sie tanken und sich ausruhen.
Und hier schrieb Saint-Exupéry einige seiner berühmten Bücher.
Von der alten Hafenmole schauen wir hinaus zum „Postflieger“. Die Ruine steht stramm mitten in der Brandung. Gebaut wurde sie einst von
einem schottischen Kaufmann, der hier Handel trieb und sich in seiner Burg der
Kontrolle der verschiedenen Kolonialmächte und Königtümern entzog.
Das Wetter ist immer noch wolkig und stürmisch. Wir fahren
einige Kilometer der Küste entlang und schauen uns die gestrandete Armas Autofähre
„Assalama“ (n27.9151, w12.9653) an. Diese lief hier im April 2008 auf Grund. Die Passagiere konnten
sich retten, doch ihr Hab und Gut blieb auf der Fähre zurück.
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