5. September 2016

Alpenglühen: ungefähr eine Milliarde Haarnadelkurven

Was gestern Abend noch unser einsamer Übernachtungsplatz auf dem Gotthardpass war, ist heute Morgen mit Bergsteiger-Autos vollgestellt. Eigentlich wären wir noch gerne ein, zwei Tage hier geblieben. Doch die vielen Autos, Wohnmobile und bunt gekleideten Ausflügler schrecken uns ab. Wir ziehen weiter.

Ganz genüsslich brummen wir auf der Tremola, der alten kopfsteingepflasterten Passtrasse, hinunter nach Airolo. Unzählige Haarnadelkurven und Spitzkehren. Und Granitwehrsteine aus dem frühen 19. Jahrhundert. Vielleicht die schönste Strasse im ganzen Alpenraum.
Im Tessin brennt die Sonne vom Himmel. Wir beschliessen deshalb nach Bellinzona und von da durchs Misox zum Passo del San Bernardino zu fahren.

Das Misox, das Valle Mesolcina, ist tief in die schroffe Bergwelt geschnitten. Wir fahren natürlich auf der alten Kantonsstrasse und nicht auf der Autobahn. Die Strasse schlängelt sich in wilden Schwüngen durch Tal und hinauf bis zur Passhöhe San Bernardino (2‘065 müM). Hier sind viel weniger Leute als auf dem Gotthardpass. Es gibt hier aber auch viel weniger zu sehen. Wir lümmeln ein wenig am See herum bis uns der kalte Wind weiter treibt.

Wir kurven hinunter nach Hinterrhein und weiter auf der alten Strasse bis ins Dorf Splügen. Hier sind leider alle Parkplätze für Wohnmobile verboten, deshalb verzichten wir auf den Einkauf und fahren weiter.
Wieder schraubt sich die Strasse in unzähligen Kurven bergauf. Diesmal hinauf zum Splügenpass (2‘110 müM). Die Passhöhe ist zugleich auch die Grenze zu Italien. Doch der Zollposten ist unbemannt, die Fenster vernagelt und der Schlagbaum sperrangelweit offen.

Am Lago di Montespluga, nicht weit nach der Passhöhe, finden wir einen wunderbaren Übernachtungsplatz. Direkt hinter unserem Essküche-Wohn-Bad-Schlafzimmer liegen der türkisfarbene Bergsee und die grandiose Gebirgslandschaft.

Gegen Abend stossen mächtige Quellwolken auf, doch zu einem Gewitter reicht es dann doch nicht, so dass ich noch einen kleinen Rundgang über den alten Splügen-Saumweg und die vielen Ruinen aus allen möglichen Jahrhunderten wagen kann.

Zum z'Nacht essen wir die urner Geissenwurst aus dem Urserental.

2. September 2016

Alpenglühen: unterirdische Kleinstadt und Kriegsmaschine

Auf dem Passo San Gottardo, dem Gotthardpass (2‘100 müM), gibt es mehrere Festungen aus dem Kalten Krieg. Bis vor wenigen Jahren waren diese Bunkeranlagen streng geheim, doch mittlerweile nicht mehr und man kann einen davon besichtigen: Die Festung Sasso San Gottardo mit dem Artilleriewerk Sasso da Pigna.

Der Eingang ist bloss ein unscheinbares Loch im Fels. Dahinter geht ein schmaler Gang etwa 200 Meter in den Berg hinein. Da befinden sich links und rechts ein Teil der Unterkünfte, das Kraftwerk und die Werkstätten der Festung.

Der Gang führt weiter einen halben Kilometer durch den Felsen. Dann kommen wir zu einer Standseilbahn, die uns gut 100 Meter höher hinauf bringt; alles unterirdisch. Oben geht es noch einige Hundert Meter weiter bis zu den Kanonen.
Diese konnten bis nach Italien schiessen, das bloss 13 Kilometer von hier entfernt liegt. Dort baute das italienische Militär in den 1930-er Jahren eine „touristische Strasse“ bis zum Passo San Giacomo, der direkt an die Schweizergrenze liegt. Von da hätten die italienischen Kanonen das Südportal des Gotthard-Eisenbahntunnels beschiessen und die wichtige Eisenbahn lahmlegen können. Das erschreckte das schweizer Militär dermassen, dass man eilig den Befehl zum Bau der Gotthardfestungen gab.

Wir marschierten drei Stunden lang und mehrere Kilometer weit durch das Labyrinth aus die Kavernen und feuchtkalten Gängen. Schon eindrücklich, was damals hier alles gebaut wurde.
Als diese Festung 1945 dann fertig war, war auch der Krieg vorbei. Und sie ist nicht die einzige. Während des 2.Weltkriegs baute man schweizweit etwa siebzig solcher Anlagen, auch noch viel grössere.

Die Festung ist eine unterirdische Kleinstadt und Kriegsmaschine – faszinierend und verstörend zugleich.

Am Abend essen wir in der Gotthartpass-Gaststätte Risotto und Luganighetta; diese typische schneckenförmig gerollte Tessinerwurst. Die untergehende Sonne lässt die Berggipfel glühen und der Himmel verfärbt sich rosaviolettblau. Wir übernachten ganz malerisch auf einer Alpweide.

1. September 2016

Alpenglühen: Passo San Gottardo

Heute Morgen früh packte ich gschwind unseren Möbelwagen, viel war ja nicht nötig; Wasser und ein paar Kleider - und schon brummten wir gemütlich auf den Gotthardpass hinauf. Während im Tal unten die Sommerhitze für nasse Achseln sorgt, weht hier auf 2‘000 Meter Höhe oben ein lauer Wind und die Luft ist glasklar.

Unterwegs schauen wir uns wieder einmal die Schöllenenschlucht und Teufelbrücken an. In spektakulären Bögen biegen sich hier gleich mehrere Generationen von Brücken über den Felsenschrund.

Wir spazieren erst hinüber zur Eisenbahnlinie, um dann durch den alten Millitär-Tunnel hinab zur unteren Teufelsbrücke zu gelangen. Kühn schwingt sie sich hier über die tossende Reuss. Eine Etage weiter oben brummt der Ferienverkehr über die neue Brücke. Über 700 Jahre Verkehrsgeschichte sind hier an einem Ort vereinigt.

Gleich gegenüber erhebt sich das mächtige Suworow-Denkmal. Die russische Fahne und die abgelegten Blumenkränze zeigen, wie beliebt der einstige General bei den heutigen Russen immer noch ist. Hier hat er zwar eine französische Armee besiegt, doch kurz darauf marschierte er mit seinem Heer in eine Sackgasse und musste über die Berge nach Österreich flüchten. Aber das ist eine andere Geschichte.

Auf dem Gotthardpass ist heute viel Betrieb. Millionen von Ausflüglern verstopfen die Parkplätze und ein weisser saum von Wohnmobilen bevölkern die Seen.

31. August 2016

wir tun Ferien

«Komm, wir fahren noch gschwind ein, zwei Wochen in Urlaub» sagte Frau G. gestern Abend. Ja warum eigentlich nicht. Wohin wissen wir aber nicht. Wir wollen das dann vorab entscheiden.
Ich möchte nach Triest, doch da ist es mir noch zu heiss. Oder nach Prag, aber nicht mit unserem Möbelwagen. Also werden wir wohl zuerst einmal in die Berge fahren und die Sommerfrische geniessen. Und dann schauen, wo es uns hin treibt.

Ich werde berichten, sobald wir wieder Internet haben.

30. August 2016

Eisberg-Bunker

Wie bei beim Eisberg sieht man von den sogenannten „Zuckerstock“-Bunkern bloss einen kleinsten Teil; das meiste liegt unter der Erde. Grad neulich stolperte ich wieder einmal über einen solchen „volltreffersicheren Kleinschutzraum System Schindler“ aus den 1940-er Jahren.

Gottfried Schindler aus Zürich hat diese vorfabrizierten Bunker in den 1930-er Jahren erfunden. Sie boten Platz für etwa ein Dutzend Leute und wurden vor allem für den Werkschutz eingesetzt. Darin konnten die Wachmannschaften bombensicher untergebracht werden und zugleich das Areal verteidigen.
In der Schweiz und in Frankreich gab es damals viele hunderte solcher Kleinbunker, vor allem in Kasernen und auf Militärflugplätzen. Jetzt nach 75 Jahren sind nicht mehr viele davon übrig. Also Augen auf beim Spaziergang.