24. April 2015

Marokko: viel Meer nach Barcelona

Der Tag ist eher ereignisarm. Draussen schleicht der Horizont vorbei, die Sonne scheint und das Schiff brummt leise vor sich hin.

Mittagessen. So lange ich weiss, servieren „Grandi Navi Veloci“ auf ihren Fährschiffen diesen immer gleichen Tintenfischsalat. Ich mag den. Nicht wenige Reisende behaupten, der werde jahraus jahrein aus grossen Bottichen geschöpft und nach dem Essen die Resten wieder dahin zurückgeschaufelt. Ich glaube das nicht. Die haben doch bestimmt im Keller unten einen riesigen Tintenfischsalat-Tank.

Unsere Kabine hat die Nummer 7149. Die Möbel sind festgeschraubt und aus Plastik-Kirschholz. Ein blauer Teppich mit gräulichen Punkten, ein Fenster mit Aussicht und gelbem Vorhang und eine Nasszelle in beamtenweiss. Ein Ölbilddruck, wohl als Wandschmuck gedacht, in griechisch-römischem Freistil, nicht schön, aber doch schön bunt.
Mir gefällt dieser gefällige DDR-Charme. Fast auf jedem Fährschiff sind die gleichen Kabinen, als ob sie alle aus derselben Fabrik kämen.

Gegen Abend kommen erst Wolken, etwas später Barcelona. Diesmal landen wir viel näher am Stadtzentrum, als das letzte mal. Wir sehen die berühmten Gebäude und rätseln, ob die Hafenseilbahn eine Pendel- oder Umlaufbahn ist. Ich schau nach, wenn ich wieder Internet habe.
Irgendwann in der Nacht fahren wir weiter - morgen Abend sollten wir ja in Genua sein.

23. April 2015

Marokko: in Tanger kalbt unser Schiff

Heute ist unser vorläufig letzter Tag in Marokko, jetzt heisst es nachhause fahren. Es sind noch sechzig Kilometer bis zum Hafen Tanger Med. Die Sonne scheint und wir müssen noch tanken, dann auf die Autobahn.
An der Autobahneinfahrt stehen zwei Polizisten in schicken Uniformen und mit einer Laser-Pistole. Sie winken mich zu sich. Ich solle künftig die Geschwindigkeitsvorschriften besser beachten, 73 statt 60 km/h! Bonne route.

Gegen Mittag sind wir im Hafen und erledigen den Papierkram. Geht alles zügig und freundlich. Zum Abschluss müssen wir noch durch den Röntgen-Scanner fahren - und wir sind fertig. Schon erstaunlich, dass das ausgerechnet hier in Tanger Med so geschmeidig funktioniert, so ganz anders als in Genova.

Unser Fährschiff ist auch schon da. Es heisst „Excelsior“ und kalbt grad diese haushochbeladenen Kleinbusse. Einige davon haben erhebliche Mühe über die Rampe das sichere Ufer zu erreichen. Und ich habe Angst, dass einer in der Kurven umfällt und mich begräbt.

Dann geht’s los. Als eines der ersten Autos fahren wir auf die Fähre. Punkt zwei Uhr liegen wir bereits in unserer Kajüte. Mittagsschläfchen. Dann plärrt um fünf erst der Lautsprecher, dann quillt brauner Rauch aus den Kaminen und kurz darauf legen wir ab. Rasch tut sich eine Wasser-Lücke zwischen Schiff und Marokko auf. Am Horizont bäumt sich eine mächtige Wolkenfront auf, grau und unschön. Der heutige Sonnenuntergang fällt deshalb aus.

22. April 2015

Marokko: knackige Schildkröte von rechts

Wie jedes Mal wenn wir hier sind liegt Moulay Bousselham im Nebeldunst. Heute ist unser Reservetag und wir sind zu faul um etwas zu unternehmen. Also fläze ich mich aufs Sofa und mache Sachen. Frau G. auch.
Ab und zu versammelt sich eine Herde Schaf um unseren Möbelwagen. Seit ich die Tiere gestern mit Brot fütterte, schauen sie mich immer erwartungsvoll an.

Am Nachmittag kommt zögerlich die Sonne durch und wir fahren weiter. Autobahn. In Larache erledigen wir letzte Provianteinkäufe, und ich erwerbe noch ein Paar saubere Socken, passend zu meinen neuen marokkanischen Hosen, also kackfarbige.

Auf der Autobahn sehe ich im letzten Moment eine Schildkröte quer über die Fahrbahn eilen. Zu spät zum Ausweichen. Es knackt wie wenn man auf ein rohes Ei tritt, einfach noch etwas schildkrötiger.
Tut mir Leid, das wollte ich nicht. Zum Glück haben wir grad neulich eine über die Strasse getragen und ihr damit wohl das Leben gerettet. Eins zu eins.

Das letzte Mal war die Herkules-Grotte wegen einer Baustelle geschlossen – und das ist sie auch heute immer noch. Ich glaube auch nicht, dass sie jemals wieder aufgehen. Denn es schaut so aus, als würde ausgerechnet hier ein Hotel gebaut!

Auf einer Dachterrasse geniessen wir ein Abschieds-Tee und schauen dem Sonnenuntergang zu. Der ist aber später, so widmen wir uns halt bis dahin der Gastronomie.
Der Campingplatz (N35.75951, W5.93654) ist ganz gut besucht. Viele Wohnmobile, einige Töffler und eine Wohnmobil-Reisegruppe. Alles Rentner mit Plastik-Autos und -Sandalen. Der Reiseleiter hält grad seine Begrüssungsrede und gibt Anweisungen für den nächsten Tag - sehr streng, fast wie eine Lagebesprechung im Generalstab. Abmarsch: morgen halb zehn - jawohl!

21. April 2015

Marokko: zu Besuch bei Römers

Meknes. Es ist Sommer, schon am frühen Morgen brennt die Sonne durch unser Blätterdach. Wir geniessen den Schatten und erledigen die aufgestauten Hausarbeiten. Am Mittag verabschieden wir uns dann von Lisa und Simon und Meknès - und fahren nach Norden.


Bis vor etwa 1‘700 Jahren wohnten in Volubilis die Römer, anschliessend die Berber und heute keiner mehr. Wir schauen uns in der Ruinenstadt etwas um. Es ist glühend heiss und gleissend hell.

Römers scheinen sehr reinliche Leute gewesen zu sein. Überall finden sich noch heute die Resten ihrer Badezimmer. Kaputt zwar, aber die Mosaikböden sind immer noch da. Wunderbare Mosaike, wie Steinteppiche mit Delfin- oder Elefantendekor.

Die Badehäuser waren alle beheizt, die Resten der Hypokausten lassen sich noch gut erkennen. Ich frage mich schon die ganze Zeit, ob die Berber eigentlich auch badeten. Immerhin wohnten sie viele hundert Jahre länger hier als die Römer; und die römischen Badehäuser scheinen die Zeit unbeschadet überstanden zu haben.

Ganz besonders freute es mich, dass ich noch Reste der alten Loren-Bahn entdeckte. Damit transportierte damals die Archäologen den Abraum weg. 60cm Spurweite und wohl mit Esel-Antrieb.

So viel Kulturgeschichte erhitzt meinen Kopf dermassen, dass wir zwecks Abkühlung und Erfrischung ein Gartenlokal aufsuchen müssen. Wir sitzen im Schatten alter Eukalyptusbäumen und lauschen dem Geschnatter einer Studienreisegruppe aus Deutschland zu.
Erst gegen Abend fahren wir weiter. Wir wollen noch Kilometer machen, da wir übermorgen einschiffen müssen. Kurz vor Sonnenuntergang erreichen wir das vertraute Moulay Bousselham.

20. April 2015

Marokko: heisse Königsstadt Fés

Meknes: Heute müssen wir zeitig aufstehe, denn wir wollen einen Ausflug nach Fés machen. Selbstverständlich mit der Eisenbahn. Ein kleines hellblaues Taxi kutschiert uns zum Bahnhof von Meknès; gut 2 Euro für etwa fünf Kilometer Fahrt. Die Bahn kostet genau so viel.

Pünktlich geht’s los. Ein Fernzug mit einer mächtigen Elektrolok vorne und etwa zehn Wagen mit hellblauer Innenausstattung hinten dran. Wir geniessen die Aussicht auf die Vororte und Felder. Bereits nach einer halben Stunde sind wir schon in Fés. Mit dem Petit-Taxi, diesmal einem roten, lassen wir uns an den Place Rsif mitten in der Medina rasen.

Gleich links durch das Tor und schon sind wir im Souk. In den Marktgassen brodelt das Leben. Unzählige Verkaufsbuden, Strassenhändler und Passanten füllen die schmalen Gassen komplett aus. Wir lassen uns treiben. Schauen da und dort hinein oder zu. Schuhmacher, Fleischhauer, Silberschmiede, alle jeweils in einer Gasse und dicht beieinander. Ladengeschäfte in der Grösse von Telefonzellen, randvoll mit Waren und mittendrin ein lachender Händler.

In einem schmalen Hof werden schwülstige Riesensofas feilgehalten. Wie der Thron einer Märchenkönigin, bloss noch grösser und noch üppiger dekoriert. Weisse Kunstseide, kitschiger Glitzerkram und schwungvolle Ornamente. Jedes so gross wie ein VW-Bus.
Die brauche man fürs Hochzeitfest, sagt der Verkäufer. So ein Teil koste gut und gerne 2‘000 Euronen. Und: nein, mieten tue man die nicht, immer kaufen.

Zur Beruhigung brauche ich einen Kaffee. Am Nebentisch sitze ein adretter Herr, der immer wieder von Passanten angeglotzt wird. Er sei hier in Marokko ein sehr prominenter Schauspieler, deshalb die Gaffer.
Ganz in der Nähe steigen wir auf ein Dach und schauen in einen Baustellenhof hinunter. Hier wären die berühmten Gerbereien, doch diese werden zurzeit gerade neu aufgebaut. Mir ist‘s recht, ich mag sowieso lieber Baustellen.

Ein offenes Tor, mal hinein schauen, vielleicht gibt es was zu sehen? Im Halbdunkel erkennen wir einen Prunksaal von schier unanständiger Grösse. Schnitzereien, bunte Majolika und prächtige Marmorsäulen. Das sei das Palais M’Nebni, sagt der Pförtner. Wir treten ein und schauen und staunen. Zudem ist es hier herrlich kühl und dämmrig, wunderbar angenehm.

Es ist heiss und mir glüht der Kopf. Ich habe heute meine Mütze im Zug liegenlassen und mein neuer Kurzhaarschnitt ist da auch nicht grad hilfreich. Da hülfe nur ein kühler Park mit grossen Schattenbäumen, Wasserspielen und einem plätschernden Bächlein.
Zum Glück hat es sowas gleich um die Ecke rum. Wir flanieren durchs milde Licht, schauen den Pärchen zu, die sich verträumt aneinander kuscheln.

Mitten im Park treffen wir Micheal, einen leidenschaftlichen Theologe und Ostpreussen. Beides in meinen Augen nicht besonders Erstrebenswertes. Aber: wie sich zeigt ist er ein äusserst anregender Gesprächspartner. Wir plaudern den halben Nachmittag über Gott und die Welt und Marokko. Dann müssen wir los.

Fünf vor sechs fährt unser Zug zurück nach Meknès. Wie gewohnt pünktlich und klimatisiert. In Meknès nehmen wir wieder ein Petit Taxi nachhause. Es ist brütend heiss, mindestens 35° im Schatten, aber solcher ist rar. Unser Taxifahrer trägt über seinem Pullover dennoch eine rote Strickjacke.