17. April 2015

Marokko: der Zigarettenverleiher von Meknès

Von Azrou nach Meknès ist es nur ein Katzensprung, schon um zehn sind wir da. Meknès ist eine der Königsstädte, wie Marrakesch und Fès, aber weniger prominent und deshalb auch etwas weniger touristengeplagt.


Natürlich gehen wir gleich in die Altstadt. Die Gassen sind noch morgentlich leer, die Händler öffnen grad erst ihre Geschäfte. Aber in den Innenhöfen sind schon die Handwerker am Arbeiten. Wir schauen den Silberschmieden zu, wie sie aus Federstahl und Silber schöne Armreifen und Fingerringe machen. In einem anderen Hof werden aus ganz feinen Fäden eine Art Zier-Kordeln gedreht. Mit diesen sticken Sticker Stickereien auf die festlichen Gewänder.


Mitten im Souk steht die Grosse Moschee. Sie ist aber komplett von Ladengeschäfte zugebaut, so dass man davon bloss die geschnitzten Eingangstüren sieht. Und hinein dürfen wir sowieso nicht. Aber in die Médersa Bou Inania gegenüber, die alte Religions-Schule. Rund um den wunderschönen Innenhof versammeln sich zahlreiche karge Studentenkammern. Wie neulich in Marrakesch, doch noch kleiner und schlichter. Dafür ist der Innenhof noch üppiger und reicher geschmückt. Und, hier können wir aufs Dach steigen und über die ganze Altstadt schauen. Unzählige Minarette und Fernsehantennen wachsen aus den Dächern.

Wir schlendern durch den Souk. Inzwischen sind die Läden auf und die schmalen Gassen voller Leute. Man schaut, kauft, drängelt und es duftet nach Gewürz, Kaffee und Esel. Wir setzen uns in ein Café und schauen dem emsigen Treiben zu. Am Nebentisch hat sich ein Zigarettenverkäufer eingerichtet. Er verkauft die Zigaretten einzeln. Und wer grad kein Geld flüssig hat, lässt anschreiben. Und da das fast jeder tut, ist er wohl eher ein Zigaretten-Verleiher.

Nebenan sitzt ein Frisör vor seinem Salon und wartet auf Kundschaft. Meine Chance - ich lasse mir die Haare schneiden. Er fragt, wie ich’s haben möchte? Ich weiss nicht, sage: Die gleiche Frisur wie du. Deshalb trage ich nun marokkanisch; untenherum kurz, oben länger. Wie die Fussballer.

Mittagsschläfchen zuhause. Zum Glück steht unser Möbelwagen nicht weit weg vom Hauptplatz und im Schatten einiger Olivenbäume.
Neben uns parkiert nun ein Mercedes-Bus aus Deutschland. Simon und Lisa reisen damit einige Monate durch Marokko und Südeuropa. Grossartige junge Leute, zudem ist Simon ein wirklich toller Fotograf.

Zum Sonnenuntergang setzen wir uns gemeinsam mit ihnen auf eine der Dachterrassen. Auf dem grossen Platz unter uns machen Gaukler und Artisten ihre Vorführungen. Einer trägt Riesenschuhe und eine Narrenkappe – und kassiert andauernd Ohrfeigen von seinem Partner. Dann springen sie Salto und klettern sich gegenseitig auf die Schultern. Das Publikum klatscht begeistert. Von hier oben wirkt die Sache aber eher etwas mau. Doch der Sonnenuntergang ist erstklassig.

Zum Essen gehen wir auf den grossen Platz zu den Gauklern. Wir bestellen uns Salat und – ööööhm – Pizza!
Wir übernachten direkt unter unsern Olivenbäumen an der Stadtmauer, unweit vom Bab el Mansour. Der Mond leuchtet fahl durchs Geäst und von allen Moscheen rufen die Muezzins. Jeder sein eigenes Lied und leicht zeitverschoben. Zusammen tönt es ziemlich schräg.

16. April 2015

Marokko: haltet still, ihr Affen

Aufs Mal entdeckt Frau G. am Waldrand Affen. Richtige Affen! Berberaffen - oder „Magot“, wie man die hier nennt. Wir versuchen sie zu fotografieren, doch sie zappeln wieder herum. Wie neulich. Nur diesmal bin ich schlauer und schleichen mich von hinten an. Gut - die Affen bemerken mich trotzdem, aber ein Versuch wars wert.

Ganz in der Nähe picknickt eine Gruppe. Sie seien eine Behindertengruppe auf dem Frühlingsausflug. Grosses Händeschütteln unsererseits und natürlich ein gemeinsames Gruppenfoto. Alles Mehrfachbehinderte, Amputierte oder bucklige Kleinwüchsige. Sie freuen sich sehr über unsern „Besuch“. Und über die Erinnerungsfotos.

Nun haben wir wieder Teerstrasse und es ist nicht mehr weit bis zu unserem heutigen Ziel, der berühmten grossen Zeder (N33.42659, W5.15548) bei Azrou. Diese Atlas-Zeder ist tatsächlich sehr gross - aber auch sehr tot! Nur noch ein dürres Gerippe. Dafür ist sie von zahlreichen Souvenir-Buden umringt und wenn man wöllte könnte man für Erinnerungsfoto auf ein buntes Pferd hocken. Ich will nicht.

Wir fahren nach Azrou rein. Einkaufen und ich muss auch noch meine neu gekauften Hosen kürzen lassen. In der Schneidergasse wird mir geholfen. Währenddessen sitzen wir bin ein Café und schauen den Leuten zu. Später essen wir noch ein Sandwich mit panierten Kartoffelbällchen, einem Spiegelei und verschiedenen Salaten drin. Schmeckt wirklich himmlisch.

Wir übernachten direkt im Zentrum. Nicht besonders ruhig, aber doch ganz gemütlich. Als ich einschlafe führen sie draussen immer noch Marokko auf.

15. April 2015

Marokko: al-Eyjafjallajökull

Und wieder ein wunderschöner Morgen. Heute wollen wir nach Azrou fahren; Zedern und Affen schauen. Von unserem Schlafplatz in M'Rirt fahren wir auf einer kleinen Nebenstrasse direkt zu den Hügeln im Osten. Schon bald verlässt uns der Asphalt und vor uns liegt ein steiniger Feldweg. Der windet sich den steilen Hang hinauf, und dann durch den dichten Wald. Eng, Geröll, Matsch – und immer weiter.

Die Hügel werden zu Bergen. Im Schatten liegt Schnee und wir holpern durch karge Hochtäler. Nach mehr als einer Stunde Fahrt begegnen wir dem ersten und einzigen Gegenverkehr. Einem uralter Bedford mit Männern und Schafen auf der Ladefläche. Der Fahrer lacht zahnlos und wünscht uns gute Fahrt.

Langsam geht es wieder bergab. Immer noch über Stoch und Stein, aber etwas besser. In den Zedernwäldern liegt noch Schnee wie im tiefsten Winter und ich trage kurze Hosen wie im Hochsommer.

Nach mehr als drei Stunden Fahrt kommen wir an den Lac Afenourir (N33.28652, W5.24986). Ein einsamer See in einer flachen Mulde auf etwa 1‘800 Meter Höhe.


Die ganze Gegend ist mit vulkanischen Bomben übersäht und da und dort sehen wir auch grosse Dolinen. Irgendwie sieht es aus wie in Island. Fehlt nur noch so ein ein Eyjafjallajökull - oder wie dieser Hügel heisst.

14. April 2015

Marokko: Fruchtbare Einöde und Frauen

Ein wunderbarer Frühlingsmorgen in Beni-Mellal. Es ist noch ganz ruhig und die Sonne wirft Lichtstreifen aufs Frühstückbrot. Nebenan wäscht einer im Bach seinen blaugrünen Peugeot.
Wir fahren zwei drei Kilometer den Berg hinauf und schauen von hier oben über die Stadt und die Landschaft.

Als wirklich schön kann man Beni-Mellal wohl nicht bezeichnen, eher als Häuserbrei, wie in die Landschaft ge... - öööhm – gebaut.
Unser Benz brummt mit uns gemütlich nordwärts. Die Landschaft ist sehr fruchtbar, auf saftiggrünen Wiesen weiden kugelrunde Kühe und die Orangenbäume tragen grad Früchte. Und selbst viele der Frauen tragen kleine Kinder auf dem Rücken.

Uns gelüstet es nach Kaffee und Mittagsschlaf. Beides erledigen wir in Zaouiat Cheikh. Entlang der Hauptstrasse steht eine lange Reihe von Tajine-Küchen. Die Leute sitzen unter Schattenzelten und schlemmen. Sogar einen Touristenbus hält an und spuckt seine Gäste raus.

Wir fahren noch bis Khénifra, finden in der recht grossen Stadt keinen brauchbaren Übernachtungsplatz. Es gibt hier bloss staubige Strassen mit zahllosen Ladengeschäften, aber keine Plätze. Und schon gar keine netten mit Schattenbäumen und etwas Ruhe. Fahren wir halt etwas weiter und schauen weiter.
Am Rande von M'Rirt stellen wir uns an den Bach (N33.15307, W5.56258). Es sind einige Ausflügler da, picknicken, spielen Fussball und einige Buben baden sogar.

Heute haben wir auf der Hauptstrasse wieder einen dieser Fahrrad-Reisenden gesehen. Man meint immer, die hätten viel Kontakt zur Bevölkerung und sähen viel vom Land. Aber allen denen wir begegnen, blickten immer nur stur gerade und strampeln ihrem Etappenziel entgegen. Den heutigen haben wir nach jeder unserer Pausen und Ausflügen wieder überholt. Jedesmal war er am pedalen, für kleine Ausflüge und Umwegen scheint er keine Zeit, Kraft oder Musse zu haben? Immer nur tretentreten-treten.

13. April 2015

Marokko: wir tollkühnen Reiter

Heute in einer Woche fährt unser Schiff. So langsam sollten wir ein stückweit nach Norden fahren. Immer noch herrlich bunte Frühlings-Hügel. Wir rollen gemütlich dahin. Im Städtchen Ait-Âttab sind auffallend viele Leute unterwegs. Am Stadtrand sehen wir erst einen riesigen Markt, dann weisse Zelte und bunte Pferde.

Das müssen wir uns aus der Nähe anschauen. Der Parkplatzeinweiser erzählt, dass heute der Moussem zu Ehren von Moulay-Âïssa-Rendriss, einem hochverehrten Lokalheiligen stattfinde.

Zuerst schauen wir den Reiterspielen zu. Es sind mehrere Dutzend Reitergruppen da. Alle in traditionellen Gewändern und bis auf die Zähne bewaffnet. Gruppenweis galoppieren sie quer über den Platz auf die Zelte der Ehrengäste zu und schiessen mit ihren Flinten in die Luft. Nacheinander jede Gruppe.

Hinter dem Platz wurde ein ganzes Zeltdorf aufgebaut; Wohnzelte, Stallungen, Festsäle. Entlang des Reitplatzes ist ein riesiger Markt; bestimmt einen Kilometer lang. Wir knabbern Erdnüsse, frisch gebratenen Chips und trinken Orangensaft. Die Leute sind sehr nett und zurückhaltend. Nicht ein einziges Mal werden wir dumm angemacht.

Am Ende des Marktes ist noch ein grosser Vergnügungspark mit allerlei Ständen. Man kann auf Zigarettenpäckli schiessen, Karussell fahren oder dem wagemutigen Motorradfahrer an der Todeswand zuschauen.

Mit ohrenbetäubendem Lärm rast der Artist an der senkrechten Wand entlang rundherum. Zur Belustigung macht er noch Kapriolen und allerlei Spässchen, fährt freihändig, oder spreizbeinig. Und das alles ohne Helm, dafür mit einer Zigarette im Mundwinkel.
Ich besuche den tollkühnen Steilwandfahrer nachher hinter den Kulissen und gratuliere ihm zur gelungenen Vorstellung. Er freut sich riesig und sein Kumpel auch.

Nebenan stehen kleine Zelte auf lauter Männerbeinen. Ich schaue in eines hinein. Die Männer drängen sich um einen Spieltisch und würfeln um Geld! Glückspiele, doch der liebe Gott kann’s ja nicht sehen.

Als Abschluss machen wir einen Ritt auf dem Riesenrad. Ein klappriges Konstrukt mit Riemenantrieb und Gondeln mit lustigen Blütendächern. Zusammen mit zwei Mädchen nehmen wir Platz und fahren los.

Das Riesenrad schafft eine volle Drehung nur mit Anlauf und einigem hin und her. Als es dann in Fahrt kommt, dreht es sich dafür viel schneller als erwartet. Wir sausen rundherum, den Wind im Resthaar und die Fliehkraft zerrt an den Gliedern. Dazu macht das Riesenrad jammernde Geräusche und knackige Bewegungen. Als wir einmal auf dem höchsten Punkt zu stehen kommen, schaue ich mir eine Schweissnaht an – sieht nach Konditoren-Handwerk aus. Reflexartig halte ich mich fest. Doch wozu, und woran? Wenn’s zusammenbricht gibt es wohl eh kein Halten mehr.

Gegen Abend fahren wir noch bis Beni-Mellal, einer Viertelmillionen-Stadt. Frau G. findet einen schönen Übernachtungsplatz im Stadtzentrum (N32.33156, W6.35435). Direkt an einem Bächlein und unter einer grossen Trauerweide. Der Schatten tut gut, heute war ein heisser Tag.