29. Juni 2017

Prag: Markt in Vietnam

Praha. Gestern war es noch brütend heiss, jetzt bläst ein kalter Wind und jagt graue Wolken über den Himmel. Wir bleiben jetzt erst einmal zuhause und tun nichts.
Gegen Mittag gehen wir zur Fähre, wo die Reparaturen immer noch im Gang sind. Gestern hat nämlich unsere kleine Fähre den Anleger gerammt und den Anbindpfosten abgebrochen. Danach musste mit der noch kleineren Ersatzfähre gefahren werden.

Wir fahren mit dem Tram quer durch Prag bis zu den Markthallen in Malá Strana/Kleinseite (50.099237, 14.445909). Hier befinden sich mindestens zweidutzend historisch Markthallen und rundherum zahllose Marktstände. Fast alle fest in vietnamesischer Hand. Gemüse, Fleischwaren, Kleider, Schuhe und allerlei Schnickschnack.

In einer der Markthallen sind lauter kleine Kojen eingebaut, die die Händler tageweise mieten. Hier gibt es Schmuckdesigner, Kräutertee und bunter Fingernägel. Wir trinken ein Bier ‒ nun schon das dritte in diesem Jahr!

Für den Rückweg nehmen wir die Metro. Am Hauptbahnhof mit dem schwierigen Namen „Praha Hlavní nádraží“ müssen wir umsteigen; also die perfekte Gelegenheit ein bisschen den Zügen zuzuschauen. Neben den České dráhy/Tschechische Bahnen fahren hier auch noch die beiden privaten Bahngesellschaften RegioJet und LEO Express.

Zuhause auf unserer Insel muss ich meine neuen Reiseschuhe ausprobieren. Der Vietnamese hat mir heftig kopfnickend versichert, diese passten mir ausgezeichnet. Und einen Rabatt gab’s obendrein. Nun hab ich sie an und muss sagen, sie passen gut. Die Vietnamesen täten sich bestimmt ärgern, wenn sie wüssten, dass Adidas fast haargenau die gleichen Schuhe auch herstellt.
Das Wetter hat sich etwas gebessert. Doch der kalte Wind sorgt immer noch für sehr abwechslungsreiches Wetter. Mal sommerlicher Sonnenschein und kurz darauf wieder trübgraue Wolkenfetzen.

28. Juni 2017

Prag: Stalin, Bier und keine Burg

Praha. In der Nacht gab es zwei heftige Gewitter. Jetzt ist alles nass und der Himmel betongrau. Uns ist das grad recht, denn wir müssen eh noch Hausarbeiten erledigen.
Gegen Mittag hellt es auf und die Wolken werden löcherig. Wir schiffen in die Stadt und fahren dann mit dem Tram gleich bis zum Letná ‒ dem Sommerberg nördlich der Altstadt. Hier oben hat es nicht nur zahlreiche Museen und ein Sportstadion, nein, auch einen von Prags aussichtreichsten Biergärten.

Der Letná-Park zieht sich über den ganzen Hügel. Überhängende Bäume und blumige Rasenflächen. In der Mitte bestaunen wir die Überreste des ehemaligen Stalin-Denkmals (n50.0948, e14.4159). Da wo einst der gigantische Granit-Diktator stand, ist jetzt nur noch eine Plattform mit einem riesigen Metronom. Es soll den Wandel der Zeit symbolisieren. Heute metronomt es allerdings nicht, es ist kaputt und der Schwengel fehlt.

Im Sockel des Stalin-Denkmals befand sich eine grosse Bunkeranlage. Heute werden die Räume teilweise als Disko benutzt. Ich wäre gerne hineingegangen ‒ aber alles ist zu. Und dann beginnt es auch wieder zu regnen.

Später, als dann wieder die Sonne kommt, laufen wir zum Strahovský Kloster (n50.0865, e14.3888), einer bald tausendjährige Klosteranlage westlich der Burg. Eigentlich hätten wir gerne einige Sachen angeschaut, aber auch hier ist alles verschlossen.

Ganz in der Nähe steht dafür das Prager Loreto, ein Kapuzinerkloster mit einer grossartigen Barock-Architektur. Eigentlich wollten wir noch die Prager Burg besichtigen, doch es ist schon wieder heiss und es wimmelt nur so von Touristen. Tausendfach latschen plappernde Ausflügler kreuz und quer herum und smartphonen sich gegenseitig, necken die Wachsoldaten vor dem Burgtor oder machen sich anderweitig zum Affen.
Wir verschieben unseren Burgbesuch auf demnächst und geniessen stattdessen noch ein wenig üppige Baukunst rundherum.

Überall bieten sie „Trdelník“ an. Das ist eine Teigröhre, ähnlich einem Baumkuchen. Heiss, süss und gluschtig. Wer mehr süss mag, bekommt sie auch mit Schokoladeüberzug oder mit Eiscreme gefüllt. Aber original sind sie nur mit Loch.

Auf dem Nachhauseweg wollen wir noch einkaufen. Hier im touristischen Zentrum gibt es ja keine Lebensmittelläden, bloss Souvenir und Restaurants. Aber neben den Tramhaltestellen bei uns draussen gibt es „Mini Market“. Die haben alles, wirklich alles – ausser Brot. Und genau das bräuchten wir. Zum Glück ist heute neben unserem Fähranleger ein Bier und Fress-Festival. An einem der Stände bekommen wir Öko-Teigknödel ‒ fast wie Brot. Und besser als nix.
Dann kommen dunkelschwarze Wolken und bald darauf beginnt es wieder zu regnen. Wir sitzen in unserem Möbelwagen und geniessen die sommerliche Gewitterstimmung.

27. Juni 2017

Prag: ein totes Ross und vierunddreissig Pinguine

Praha. Bereits um acht fahren wir mit unserer Mini-Fähre aufs Festland hinüber. Jetzt am Morgen hat es noch nicht so viele Touristen und es ist noch nicht so heiss, denken wir. Und so ist es dann auch. Auf der Karlsbrücke sind wir fast die einzigen und die Morgensonne lässt den Burghügel strahlen.

Wir schlendern in Richtung Altstadt und schauen uns die bekannten Sehenswürdigkeiten an. Ganz besonders gefällt uns das „Prager Gemeindehaus“, ein Kunst- und Kulturpalast aus dem frühen 20. Jahrhundert. Jugendstil über und über.

Wir möchten das Gemeindehaus gerne auch von innen anschauen, aber das geht nur nach Voranmeldung und in Gruppen. Doch grad geht eine französische Reisegruppe durch die Sicherheitssperre. Wir schliessen uns einfach an und schlüpfen mit hinein. Die Führung geht durch die zentrale Konzerthallen und prächtige Säle. Alle sind mit in den verschiedenen Ausprägungen des Jugendstils gebaut und äusserst elegant geschmückt.

Wir halten uns stets im Hintergrund, damit der Reiseleiter ja nicht merkt, dass wir gar nicht zu seiner Gruppe gehören. Wir sehen farbig bedruckte Seidentapeten, traurigbunte Wandbilder, edles kubistisches Mobiliar und glitzernde Leuchter aus Böhmischem Glas.
Unsere Führung endet in den Kellergewölben, wo wir uns unbemerkt davonmachen. Merci beaucoup.

In der Lucerna-Passage hängt ein eindrückliches Werk vom tschechischen Künstler und bösen Buben David Černý: „Der heilige Wenzel auf dem toten Pferd“. Frei nach dem Motto: Wenn das Pferd tot ist, sollte man absteigen.

Wir fahren auf nach Malá Strana - „Kleinseite“ hinüber. Hier gibt es noch weitere Černý Werke zu sehen. Zuerst schauen wir uns beim Kafka-Museum die „pissenden Männer“ an. Sie brünzeln in einen Teich mit den Umrissen Tschechiens.

Vor dem Kampa-Museum schnaggen drei seiner „Krabbelkind“ aus Bronze durch den Park. Statt Gesichter haben sie so etwas wie einen Strichcode eingestempelt.
Und in der Moldau stehen 34 gelbe Pinguine von der italienischen Künstlergruppe „Cracking Art Group“.
Es ist schon wieder heiss und die Sonne rötet unsere Leiber. Wir setzen uns in einen schattigen Park und geniessen diesen Sommertag. Später fahren wir mit der Strassenbahn und der Fähre zurück auf unsere Insel. Liegen, lesen, dösen.

26. Juni 2017

Prag: heiss, Schweiss und Schnitzel

Prag, oder wie die Tschechen sagen, Praha. Unser Campingplatz liegt auf einer Insel in der Moldau (n50.0623, e14.4135). Um von hier in die Stadt zu kommen, fahren wir zuerst mit der winzig kleinen Fähre ans Výtoň-Ufer hinüber. Mit der grossen Flagge am Heck sieht sie richtig niedlich aus.

Um einen ersten Überblick zu erhaschen laufen wir am Moldau-Ufer entlang bis zur steinernen Karlsbrücke (Karlův most). Das Ufer ist auf den ganzen zwei Kilometer dicht mit Freizeitmenschen bevölkert. Schwimmende Bierlokale, Marktstände und jede Menge Sonnenbader. Dazwischen Unmengen von amerikanischen und asiatischen Jungtouristen. Wer hier kein Tattoo hat, fällt gleich auf.
Vor der berühmten Astronomischen Uhr stehen einige hundert Leute und halten ihre Smartphones in die Luft. Dann schlägt die Glocke und ob der Uhr öffnen sich zwei Türchen. Holzgeschnitzte Apostel drehen sich im Kreis, ein paar Heilige hüpfen auf und ab – und dann schlägt die Uhr fünf. Einen Moment später laufen alle Touris auseinander und widmen sich der nächsten Sehenswürdigkeit.

Wir müssen jetzt unbedingt noch einen ordentlichen Stadtplan und eine 3-Tageskarte für den ÖV besorgen.
Es ist heiss und meine Füsse sieden bereits im Saft. Wir suchen uns eine schattige Gaststätte und konsumieren eine Limonade. Später fahren wir zum Nachtessen mit der Metro unter der Moldau hindurch auf die „Kleinseite“. Es gibt Schnitzel mit Herdäpfelsalat und für Frau G. Bratenscheiben an brauner Sauce und Knödel. Beides schmeckt gut und wie früher.

Die Strassenbahn kutschiert uns bis zum Anleger unserer kleinen Fähre zurück. Darauf haben bloss zwölf Fahrgäste Platz. Für uns reicht’s grad noch, die anderen müssen halt warten.
Der Campingplatz ist inzwischen gut besucht, nur wir stehen immer noch ganz alleine unter unserem Schattenbaum. Später kommt gibt’s noch Torte vom Bäckerauto. Und einen 1a-Sonnenuntergang mit erdbeermilch-farbigen Himmel.

24. Juni 2017

nach Prag: gebrochene Flügel und tote Autos

Druztova. Die Kapelle neben unseren Schlafplatz ist gutbesucht. Gestern kamen noch bis spät abends Leute mit Blumen dahin. Und heute Morgen sind die ersten Besucher bereits um viertel nach fünf wieder da.
Eher zufällig bemerke ich, dass bloss drei Kilometer von hier, in Zruč u Plznĕ, der „Air Park“ (n49.8092, e13.4152) zuhause ist. Den wollte ich mir schon immer mal ansehen.

Der Air-Park ist eine private Flugzeugsammlung. Allerdings eine masslose. Denn die Besitzer schleppen alles hierhin, was ihnen gefällt. Kranke Flugzeuge, tote Panzer, schrottige Autos und allerlei Schiessgerät. Und obwohl das Gelände längst voll ist, kommt immer noch mehr dazu. Grossartig. Danke Miloš.

Es sind jetzt noch etwa sechzig Kilometer bis Prag. Wir drödeln auf kleinen Landstrassen ostwärts. Wälder, Flüsse und schier endlosgrosse Getreidefelder. Ab und zu durqueren wir ein Dorf.
Im kleinen Zbuzany möchten wir uns gerne das Praga Automuseum (n50.0252, e14.2869) anschauen: Doch es ist zu, und es sieht auch nicht so aus, als ob es je wieder öffnen täte.

Wir erreichen den südlichen Stadtrand von Prag und fahren direkt zum „Caravan Park Císařská Louka“ auf der Moldau-Insel (n50.0559, e14.4131). Caravan Park hört sich zwar sehr nobel an, es ist aber bloss eine Wiese mit Toilettencontainern. Der Platz ist halbleer und so ergattern wir einen schönen Schattenplatz.
Wir sind gelandet; wir sind am Ziel. In Prag. Nach einer fünftägigen Expedition.

22. Juni 2017

nach Prag: Plzeň besteigen

Frengkofen. Es ist ein wunderschöner Sommermorgen. Die Grashalme glitzern im Tau und schon früh fährt das erste Frachtschiff durch unseren Vorgarten. Bis nach Tschechien sind es jetzt noch 70 Kilometer ‒ und die wollen wir heute schaffen.
Wir brummen gemütlich in Richtung Osten. Die Landschaft ist hügelig und die Leute nett. Hinter Furth im Wald erreichen wir gegen Mittag die deutsch-tschechische Grenze. Der Grenzposten ist unbemannt und wir fahren zügig weiter bis nach Plzeň. Wir sagen „Pilsen“ dazu – wie das Bier.

Plzeň war neulich Europäische Kulturhauptstadt. Das Technikmuseum „Technomania“ (n49.7391, e13.3624) ist ein Überbleibsel davon. Wir wollen aber nicht ins Museum, nein, wir wollen uns hier die Skulptur „Entropa“ vom grossartigen David Černý anschauen. Sie zeigt Europa als Modellbausatz und die einzelnen Länder sind mit typischen Merkmalen dargestellt. Italien ist ein Fussballplatz mit wichsenden Fussballern, Slowakei als Wurst, Bulgarien ein Hock-Klo und Grossbritannien fehlt. Das Kunstwerk sollte ursprünglich in Brüssel stehen; gefiel dann aber gewissen EU-Beamtem eher nicht so gut.
Jetzt steht es hier. Leider ist es etwas verdeckt und versteckt, so dass ich kein vernünftiges Foto machen kann.

Wir parkieren unseren Möbelwagen am Rande der Altstadt (n49.7458, e13.3819) und schlendern zum grossen, viereckigen Hauptplatz; dem Platz der Republik. Rundherum stehen kitschig schöne Stadthäuser mit allerlei üppig dekorierten Giebeln. Wir schauen und staunen; dann setzen wir uns in ein Strassencafé und löffeln Eiskaffee.

Es ist sommerlich warm und windig. Also genau richtig um auf den Turm der Bartholomäus Kathedrale zu steigen. Nach 299 Treppenstufen ‒ Frau G. hat sie extra gezählt ‒ sind wir oben und schauen über die Dächer und das Land. Schön hier. Vor allem auch wegen dem Wind, der hier oben noch etwas steifer bläst, als unten in der Stadt.

Gleich neben der Altstadt steht das nagelneue Theater mit der hübschen Lochfassade aus Sichtbeton (n49.7488, e13.3719). Auch es ein Überbleibsel der Kulturhauptstadt.

Gegen Abend verlassen wir Plzeň und suchen uns einen gemütlichen und schattigen Übernachtungsplatz. In der Nähe von Druztova werden wir fündig. Neben einer Kapelle (n49.7951, e13.4553) stellen wir uns unter eine grosse Weide. Die Blätter rauschen und die Vögel zwitschern. Isch huäre schön hier.