13. September 2016

Alpenglühen: Marmor in Fahrt

Der Marmor aus Laas ist weltbekannt. Daraus wurden und werden weltweit Paläste und Denkmäler gemacht. Früher die Paläster der Habsburger, heute die der arabischen Ölmilliardäre. Oder auch die weissen Kreuze auf den amerikanischen Soldatenfriedhöfen.

Wir schlendern ein wenig durch das Marmor-Blocklager neben dem Bahnhof und schauen den Steinmetzen beim steinmetzen zu. Der beste Laaser-Marmor ist schneeweiss und glitzert wie Eiskristalle.

Die Marmor-Steinbrüche liegen aber ziemlich weit oben in den Seitentälern. Von da werden die Steinblöcke mit der Werkbahn ins Haupttal gebracht und mit einer imposanten Schrägbahn mitsamt den Bahnwagen ins Tal – ein Kilometer und fast 500 Höhenmeter - hinunter transportiert.

Eigentlich wäre ich gerne mit dem Marmor-Schrägaufzug mitgefahren, aber das ist leider nicht möglich. Aber heute fand wenigstens eine Kontrollfahrt statt und so konnte ich mir die Technik ganz genau anschauen. Wobei die Technik glänzt eigentlich durch Abwesenheit; es sind im Prinzip bloss zwei Karren an einem langen Stahlseil. Und einem Motor in der Bergstation.

Wir nächtigen in Laas zwischen Marmorblöcken und Apfelbäumen. Es ist wunderbar mild, am Abend zieht ein frisches Lüftlein durchs Tal. So lässt sich gut schlafen.

12. September 2016

Alpenglühen: vom Stilfserjoch in den Sommer

Die Nacht auf dem Stilfserjoch war kuschelig – aber recht kühl. Draussen ist Novemberwetter, wolkenverhangen und die Temperatur nur knapp über dem Gefrierpunkt.
Beim Frühstück beraten wir wohin es weiter gehen soll. Reschenpass oder Meran? Oder beides? So oder so geht es nun wieder bergab. Und zwar steil und kurvenreich. 48 Haarnadelkurven bringen uns mehr als 1‘800 Meter hinunter. Eine grandiose Strasse und fast so schön wie die Tremola.


In  Prad, Prato dallo Stelvio, treffen wir Lorenz, der sich selber „der mit dem Windhauch spricht“ nennt. Er ist Bildhauer, Dichter, Maler und besitzt sein eigenes Freilichtmuseum (n46.6103, e10.5748). Er ist aber auch ein Lebenskünstler und bestimmt auch ein bisschen ein Spinner.

Wir streifen durch seinen Garten und um sein Haus und schauen uns die Steingesichter, Totempfähle und Schrottskulpturen an. Nur seine Knochengebilde gruseln mich ein wenig. «Der Tod gehört halt zum Leben» sagt er.

Der Reschen-See ist wegen seinem Kirchturm im Wasser weltbekannt. Eine tragische Geschichte, aber uns sind zu viele Leute und Autobusse da. Wir trinken ein Caffè und denken an die untergegangenen Dörfer - dann fahren wir zurück nach Süden.

Wir schauen uns ein wenig in Mals und Glums um, hübsch - und fahren dann nach Laas und setzten uns unter die Linde im Dorfzentrum. Gepflanzt wurde sie zu Ehren des Kaisers, der damals Laas besuchte. So steht es zumindest auf dem Schild. Wir trinken zu Ehren der Linde einen gespritzten Holundersirup. Und ich nutze das Linden-Internet, was aber dermassen langsam ist, dass mir schon bald die Lust vergeht.

10. September 2016

Alpenglühen: die Knoblauchwurst aus dem Meiental

Heute eine Knoblauchwurst aus dem Urner Meiental.

Würzig und überaus vitaminreich.

9. September 2016

Alpenglühen: Weltkrieg auf dem Berg

Bis vor hundert Jahren war das Stilfserjoch die Grenze zwischen Italien und Österreich-Ungarn. Und gleich oberhalb der Passhöhe schob sich das Schweizer Territorium wie ein Keil zwischen die beiden Länder. Hier auf der Felsnase gleich stand damals das „Hotel Dreisprachenspitze“ und hier war der äusserste Posten der Schweizer Armee. Rechts davon verschanzten sich die österreichischen Truppen, links die italienischen.

Die Soldaten waren so nahe, dass sie einander sahen und hörten. Und dazwischen die neutrale Schweiz, die verhinderte dass die beiden Kriegsparteien übereinander herfallen konnten.
Wir nutzen den Wetterwechsel und steigen zur Dreisprachenspitze; heute heisst sie Trais Linguas (2‘850 müM), hinauf und schauen nach Überbleibseln von damals.

Gleich neben dem heutigen Refugio kann man noch die italienischen Schützengräben und Stacheldrahtverhaue erkennen. Und rechts davon stehen noch einige Mauern der damaligen österreichischen Stellungen.

Die österreichischen Barracken lagen direkt neben dem Schweizer Grenzposten. So nahe, dass die Italiener sie nicht beschiessen konnten, ohne die schweizer Neutralität zu verletzen. Was aber beide Kriegsparteien öfters taten. Dann gab es jeweils diplomatischen Protestnoten und die Schweizern Militärs versuchten mit den beiden Kriegsparteien gewisse Spielregeln zu vereinbaren, was aber nur mehr oder weniger gut gelang.

Auch vom damaligen Hotel Dreisprachenspitze (n46.5308, e10.4528) sind noch einige Mauerresten zu finden. Und auch die berühmte Marmor-Rondelle mit dem Bergpanorama ist noch hier, beschädigt zwar, aber immerhin nicht verloren.

Am Ende des 1. Weltkrieges verschwand die Österreichisch-Ungarische Donaumonarchie von der Weltkarte und das Südtirol kam zu Italien. Seither ist das Stilfserjoch keine Landesgrenze mehr und auch die Schweizergrenze am Trais Linguas ist längst unbemannt.
Im Oktober 1916 fiel auf der Dreisprachenspitze auch eine Schweizer Soldat - einer von zweien im 1. Weltkrieg.

Wir übernachten auf dem Stilfserjoch. Wir haben einen grossartigen Ausblick auf die Berge rundherum. Dann wird es kalt und regnerisch. Gut dass wir unsere Faserpelze dabei haben.

8. September 2016

Alpenglühen: bunte Häuser und Berge

In Zernez beginnt die Strasse über den Ofenpass, die wir heute unter die Räder nehmen wollen. Die Strasse schlängelt sich talaufwärts, teilweise in engen Zickzack-Kurven, dann wieder in langen Schwüngen durch den Lärchenwald bis hinauf auf 2‘150 müM.

Ennet dem Ofenpass, im Val Müstair, liegt das kleine Dorf Tschierv. Das kenne ich von früher. Seither hat sich wenig verändert; einige neue Häuser wurden gebaut und einige neu gestrichen, ansonsten sieht alles aus wie damals.
Santa Maria ist der Hauptort des Val Müstair. Es ist ein hübsches Dorf mit reichgeschmückten Häusern. Manche sind bemalt, andere mit Schabputz verziert. Auf Romanisch, der hiesigen Sprache, heisst dieser Schabputz „Sgrafitti“. Da kommt auch das neuenglische Wort „Grafitti“ her.

Nun müssen wir uns entscheiden, weiter nach Osten oder über den Umbrail-Pass hinüber zum Stilfserjoch. Alles klar, auf zum Stilfserjoch. Die Umbrail-Strasse windet sich wieder in schier endlosen Hin-und-her-Kurven den Steilhang hinauf. Immer höher bis weit über die Waldgrenze.

Der Umbrail ist mit 2‘503 müM die höchste Passstrasse der Schweiz. Der Grenzposten ist längst zugenagelt und menschenleer. Gleich neben dem Grenzstein sehe ich die alten italienischen Schützengräben aus dem 1. Weltkrieg.

Nur ein paar Kilometer weiter und in Sichtweite ist das Stilfserjoch (2‘760 müM); heute heisst er Passo dello Stélvio und ist die höchste Passstrasse Italiens. Vor 100 Jahren war hier auch die italienisch-österreichische Grenze - und Weltkrieg.

Statt Stacheldraht und Schützengräben gibt es nun unzählige Souvenirläden und Caffè Latte. Und ganz viele Ausflügler; ledrige Töffahrer, verschwitzte Radler und beige, karierte Wanderer mit Spargelbeinen. Wir haben Hunger und besuchen einen Wurststand. Ich erwerbe eine „Rote“ im Vinschger-Brötchen, mit viel Senf und Sauerkraut. «Dann kannscht nachher schön furzen» preist der Wurscht-Richard sein Menü an.

Noch ist das Wetter schön, aber es zeigen sich bereits kräftige Quellwolken. Wir setzen uns in den Möbelwagen trinken einen Kaffee. Und schon bald prasselt der Regen aufs Dach und die Landschaft versschwindet im nassgrauen Nebel. Ich mag das.
Selten sind wir so hoch in den Bergen, das letzte Mal im Iran. Und wie damals ist es auch heute kalt und windig.

7. September 2016

Alpenglühen: das Tal der Schickeria

In Chiavenna entscheiden wir uns für die Route über den Maloja-Pass. Noch weit vor der Passhöhe überqueren wir schon die italienisch-schweizerische Grenze. Diesmal ist sie bemannt, doch wir werden mit einem müden Kopfnicker durchgewinkt.

Das letzte Teilstück bis zur Passhöhe ist wieder spektakulär. Die Strasse klettert in wilden Zickzackschwüngen die Bergflanke hinauf. Nicht ganz so eng wie am Splügen, aber dennoch recht beeindruckend.

Eigentlich wollten wir uns Maloja anschauen. Aber als wir da sind sehen wir, dass es da nur wenig zu sehen gibt. Und dass die Ausflügler bereits alle Parkplätze besetzt haben. Deshalb fahren wir weiter. An den verschiedenen Seen entlang nach St. Moritz. Viele noble Hotels und viele noble Schickeria. Grossartige Landschaften zwar, aber wenig einladend. So rollen wir einfach weiter.

Wir rollen gemütlich talauswärts bis nach Zernez. Das Dorf kenne ich von früher, ganz früher. Schöne Häuser mit tiefen Fensternischen und reich verzierten Fassaden. Aber in meiner Erinnerung war es schöner, jetzt wirkt vieles ganz gewöhnlich.
Wir schlendern zum Zentrum, das aus einer Strassenkurve besteht, und essen eine traditionelle Bündner Nusstorte. Süss und mastig, und gut.

Dann verdunkeln immer mehr Gewitterwolken den Himmel. Wir erreichen grad noch unser mobiles Ferienhaus, als es zu regnen beginnt. Ich bin froh darum, denn der Regen vertreibt die tüppige Sommerhitze. Und danach gibt es sogar noch extra für uns einen eindrücklichen und vielfarbigen Regenbogen - auf dem Foto ist der aber leider kaum zu sehen!

Wir übernachten mitten in Zernez. Der Gewitterregen trommelt aufs Dach und draussen hocken tropfnass Vögel im Gebüsch und schauen übellaunig.