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25. Oktober 2017

Bulgarien: die Tabak-Lokomotiven

Gestern besuchten wir noch Kaloyanovets; ein kleines Dorf im Nirgendwo. Aber mit einem Bahnhof. Und mit was für einen, einem Dampflok-Friedhof!


Gleich hinter dem Bahnhof von Kaloyanovets, unweit von Stara Sagora, hat die bulgarische Eisenbahnverwaltung einst eine grosse Zahl von Dampflokomotiven eingelagert. Sie dienten als „strategische Reserve“ und sollten im Kriegsfall, wenn die anderen Züge oder das Stromnetz zerstört wären, in den Einsatz kommen. Der Ernstfall kam nicht und die Dampfloks schlafen seither friedlich im Gebüsch.

Auch heute stehen die Dampflokomotiven noch in ihrem Versteck. Hier in Kaloyanovets sind es etwa fünfzehn Dampfloks, einige Dieselloks, ein Schienenkran und zahllose Personen- und Güterwagen. Alles rostet leise vor sich hin und das Grünzeug klettert durch alle Ritzen.

Mehrere sind deutsche Einheitsdampflokomotiven aus den 1930-er Jahren. Damals kaufte die bulgarische Bahn 23 dieser Dampfloks. Sechs davon wurden von der „Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik“ in Winterthur hergestellt und nach Bulgarien geliefert. Mangels Geld bezahlte sie Bulgarien mit Tabak, weshalb sie heute „Tabakloks“ nennt. Vor einigen Jahren wurde eine der Loks in die Schweiz zurückgeholt und nun wieder hergerichtet.

23. September 2017

küss mich ein letztes Mal - Casablanca

Vor zehn Jahren wurde der internationale Flughafen Casablanca-Anfa (n33.5569, w7.6606) geschlossen. Heute ist von ihm ausser einigen Hangars und dem Gerippe des ehemaligen Kontrollturmes kaum noch etwas übrig. Ich ging hin und schaute mich um.

Irgendwo im Gestrüpp schläft eine Piper Aztec. Und in der hintersten Ecke eines Hangars entdecke ich ein mir unbekannter Flieger vor sich hin. Wie ich später erfahre ist es eine seltene Stampe et Vertongen SV-4 aus den 1930er Jahren.

Auf dem ehemaligen Vorfeld stehen zwei Boeing 373-200 aus den 1970-er Jahren und eine Caravelle III von 1967. Und natürlich die dreischwänzige Lockheed L-749 Constellation, wegen der ich eigentlich hier war.

Wer die Überbleibsel anschauen möchte, muss pressieren. Denn auf dem alten Flugplatz entsteht grad ein nagelneues Quartier. Überall spriessen Hochhäuser und die neue Strassenbahn saust schon quer über die Piste. Und schon jetzt versperren viele Gitterzäune den Zugang.
Wie sagte László im Film „Casablanca“: «Küss mich, küss mich als wäre es das letzte Mal.»

30. Juli 2017

Tschechien: Stalin schaut zu uns

Kurz nachdem der sowjetische Diktator Stalin verstorben war, enthüllten die Kommunisten in Pilsen eine Stalin-Denkmal. Für „unseren Befreier, Friedensstifter und Erbauer des Sozialismus, Genosse Joseph Wissarionowitsch Stalin“. Dabei übersahen sie, dass die Amerikaner es waren, die im Mai 1945 Pilsen befreiten. Egal.

Schon nach wenigen Jahren kühlte die Begeisterung merklich ab. Erst schlugen Unbekannte dem Stalin ein paar Löcher in den Kopf. Dann verschwand er im Juni 1962 still und heimlich vom Sockel. Der 5-Meter-Sandstein-Götze wurde am Stadtrand eingelagert – und beinahe vergessen.

Kurz nach dem Ende des Ostblocks zügelte man ihn in den Air Park in Zruč. Da steht er nun in seinem bemoosten Mantel und bewacht den Kriegsgerümpel.
Manchen Lenins und Stalins ist es da deutlich schlechter ergangen. Und zumindest einer ist immer noch aktiv

5. Juli 2017

nach Prag: durchs tiefe Mittelalter

Burg Sion. Kurz nach fünf beginnt ein Bauer nebenan sein Feld zu mähen. Wir schlafen trotzdem noch ein wenig, bis uns die warme Sonne aus dem Bett drückt.
Die Landschaft ist hügelig und überaus malerisch. Wir rollen ganz alleine über die kleinen Landstrassen, die wir beide so mögen. Ab und zu begegnet uns ein Dorf, aber meistens ist nur viel Gegend um uns herum.

Unterwegs halten wir in einem Dorf mit einem unaussprechlichen Namen und trinken eine hausgemachte Limonade; Orange und Melone - und herrlich erfrischend.

Irgendwann erreichen wir dann nach Tábor. Ich kenne das Städtchen von früher; und ich mag es ganz besonders wegen seiner „unterirdischen Stadt“. Denn unter der ganzen Stadt befindet sich ein mehr als zehn Kilometerlanges Tunnel- und Kellersystem.
Zuerst sind wir etwas enttäuscht, als wir in den Untergrund steigen. Die unterirdischen Gänge sind wie eine Geisterbahn mit lumpigen Skeletten und farbigem Lichtgewitter ausgestattet. Doch dann merken wir, dass wir am falschen Ort eingestiegen sind.

Der richtige Zugang zu den Katakomben befindet sich im Museum (49.4139, 14.6577) gegenüber. Hier können wir nun in die richtige Unterwelt hinabsteigen. Mehr als einen halben Kilometer schlängeln wir uns durch die finsteren Gänge und Stollen aus dem 15. Jahrhundert.
Hier hatten sich die Bewohner einst vor Kriegen und Bränden versteckt und teilweise monatelang im Dunkeln gehaust. Später wurden aus den Gängen Bierlager und Kellerräume.
Nach etwa einer halben Stunde kommen wir in einer Seitengasse auf der anderen Seite des Marktplatzes wieder ans Tageslicht.

Auch heute ist es wieder heiss. Aber jetzt türmen Wolken auf und bringen sogar ein wenig Abkühlung. Wir beschliessen noch ein Stück heimwärts zu trödeln. Wir fahren nach Zvíkov und schauen uns die gleichnamige Burg an. Erstaunlicherweise sind kaum Ausflügler da.

Die Burg Zvíkov (n49.4392, e14.1919) steht auf einem Felssporn am Zusammenfluss der Moldau und der Otava. Früher hoch über den beiden Flüssen, seit man hier aber eine Staumauer gebaut hat, steht sie nun am Wasser. Sie sieht schön aus - auch wenn ich sie wegen des Gestrüppes kaum fotografieren kann.

Wir übernachten gleich hier. Der Parkplatz ist leer und schattig. Und im Imbiss nebenan gibt es Schnitzel, Fritten und Krautsalat. Es schmeckt wie früher ‒ auch so etwas, was uns hier in Tschechien so gut gefällt.

24. Juni 2017

nach Prag: gebrochene Flügel und tote Autos

Druztova. Die Kapelle neben unseren Schlafplatz ist gutbesucht. Gestern kamen noch bis spät abends Leute mit Blumen dahin. Und heute Morgen sind die ersten Besucher bereits um viertel nach fünf wieder da.
Eher zufällig bemerke ich, dass bloss drei Kilometer von hier, in Zruč u Plznĕ, der „Air Park“ (n49.8092, e13.4152) zuhause ist. Den wollte ich mir schon immer mal ansehen.

Der Air-Park ist eine private Flugzeugsammlung. Allerdings eine masslose. Denn die Besitzer schleppen alles hierhin, was ihnen gefällt. Kranke Flugzeuge, tote Panzer, schrottige Autos und allerlei Schiessgerät. Und obwohl das Gelände längst voll ist, kommt immer noch mehr dazu. Grossartig. Danke Miloš.

Es sind jetzt noch etwa sechzig Kilometer bis Prag. Wir drödeln auf kleinen Landstrassen ostwärts. Wälder, Flüsse und schier endlosgrosse Getreidefelder. Ab und zu durqueren wir ein Dorf.
Im kleinen Zbuzany möchten wir uns gerne das Praga Automuseum (n50.0252, e14.2869) anschauen: Doch es ist zu, und es sieht auch nicht so aus, als ob es je wieder öffnen täte.

Wir erreichen den südlichen Stadtrand von Prag und fahren direkt zum „Caravan Park Císařská Louka“ auf der Moldau-Insel (n50.0559, e14.4131). Caravan Park hört sich zwar sehr nobel an, es ist aber bloss eine Wiese mit Toilettencontainern. Der Platz ist halbleer und so ergattern wir einen schönen Schattenplatz.
Wir sind gelandet; wir sind am Ziel. In Prag. Nach einer fünftägigen Expedition.

2. Juni 2017

Auffahrt-Ausfahrt: Tod und Verderben im Eisenbahntunnel

Ganz in der Nähe des Col de Bussang-Tunnel finden sich heute die Überbleibsel des Urbès-Eisenbahntunnel. Mit seinen 8,3 Kilometer Länge wäre er damals der längste Tunnel Frankreichs geworden. Doch Probleme mit dem Grundwasser und der Finanzierung beendeten 1935 das Vorhaben. Bis dahin war etwa die Hälfte des Tunnels ausgebrochen.
Heute kann man davon noch einige Eisenbahnbrücken sehen, die nutzlos in der Gegend herum stehen.

Gegen Ende des 2. Weltkrieges nutzten die deutschen Besatzer die Tunnel-Ruine als unterirdische Fabrik. Zweitausend KZ-Häftlingen aus dem KZ Natzweiler-Struthof mussten den Tunnel für unterirdische Rüstungsproduktion ausbauen und die Maschinen aufstellen. Mehr als fünfzig Häftlingen starben dabei an den unmenschlichen Bedingungen oder wurden umgebracht. Anschliessend produzierte Daimler-Benz hier für kurze Zeit Flugzeugteile.

Der Tunneleingang verbirgt sich heute hinter dem Bunker und ist verschlossen. Ich versuche über einen Notausgang hinein zu gelangen; aber der ist auch zu. Überall in der Umgebung finden wir noch Fundamente der einstigen Lagerbaracken und Werkstätten.

Heute wird der innerste Teil des alten Eisenbahntunnels als Trinkwasser-Reservoir genutzt. Hier sammelt man jetzt genau dieses Grundwasser, das einst den Tunnelbau stoppte.

1. Juni 2017

Elsass: Auffahrt-Ausfahrt: der halbe Tunnel von Bussang

Gestern erkundeten wir ja den mittelalterlichen Tunnel zum Schloss Wildenstein. Heute ist ein anderer alter Tunnel dran, denn solche gibt es hier in der Gegend grad einige. Am  „Col de Bussang“ gibt es gleich zwei. Den nie fertig gebauten Eisenbahntunnel mögen einige vielleicht schon kennen. Doch direkt unterhalb der Passhöhe gibt es auch noch einen alten Strassentunnel. Kaum bekannt und schon fast vergessen.

Um den Pferdefuhrwerken das letzte steile Strassenstück zu ersparen, baute man 1840 einen 250 Meter lange Tunnel. Dreissig Jahre später kam dann das Elsass zu Deutschland und der Tunnel wurde zur Grenzstation zwischen den beiden Ländern.
Das änderte sich erst am Ende des Zweiten Weltkrieges. Um den anrückenden alliierten Truppen den Weg zu erschweren, sprengte die Wehrmacht 1944 den damals schon hundertjährigen Tunnel. Doch es nütze nichts; das Elsass ging wieder an Frankreich - und der Tunnel war nun definitiv kaputt.

Heute führt die neue Strasse oben über den Pass und vom Tunnel sind nur noch das Ost-Portal (n47.8897, e6.8988) und die Hälfte der Tunnelröhre übrig. Ein mächtiger Schuttkegel beendet meine Erkundungstour.

11. April 2017

Spanien: Solarbabies - ein Film-Monster

Als wir im Februar in Tabernas die Filmkulissen-Stadt anschauten, entdeckte ich in einem Schuppen ein mehr als sonderbares Fahrzeug. Irgend etwas zwischen Barbie-Kutsche und Marsmobil. Mit drei Sitzplätzen und vier Rädern. Aber was ist das?

Fündig wurde ich beim grottenschlechten Science-Fiction-Film „Solarbabies“ von 1986. Die Handlung ist verwirrend, doch schnell erzählt. Amerikanische Jugendliche kämpfen gegen das Böse – auf Rollschuhen! In der Wüste! Hirnloses herumgehüpfe und viel Gewalt.

Im Film kommen verschiedene futuristische Fahrzeuge vor. Und mehrere davon gammeln immer noch in Tabernas vor sich hin. Wer genau schaut sieht ein zweites im Hintergrund.
Wer mal da vorbei kommt - das Ding steht im Fort Bravo, bei den Pferdestallungen.

27. März 2017

die schier unglaubliche Bahn

Am 5. März zerstörte ein eigentlich kleiner Erdrutsch die Strasse zwischen Amsteg und Bristen. Das eh schon abgelegene Bristen war von der Aussenwelt abgeschlossen, denn eine andere Zufahrt gibt es in dem schroffen Tal nicht. Doch etwa zwei Kilometer vom Dorf entfernt schlummerte eine längst stillgelegte Standseilbahn im Wald. Und die erweckte man kurzfristig wieder zum Leben.
Seit 15. März fährt die Bahn wieder – und wir fuhren mit.

Die Standseilbahn wurde vor 100 Jahren als Werksbahn für das Gotthardbahn-Kraftwerk gebaut. Das Gleis liegt direkt neben den drei Druckleitungen und ist über 90% steil, also fast so steil wie die Gelmerbahn. Der einzige Bahnwagen ist ein einfacher Eisenkarren mit einer Holzkiste drauf. Und damit fahren wir hinauf zum „Wasserschloss“. 400 Meter weit und gut 250 Meter hinauf.


Von der Bergstation fährt ein Bus ins Dorf Bristen. Doch wir laufen hin. Es ist ein föhniger Frühlingstag. Ein lauer Wind weht, die ersten Bäume Blühen und in den Bergen liegt noch viel Schnee. Wir setzen uns in die Dorfgaststätte und geniessen wie wohlige Stimmung.

Die Kraftwerksbahn wurde in den 1990-er Jahren endgültig stillgelegt. Doch wegen eines gewaltigen Felssturzes wurde sie aber im 2003 noch einmal einige Monate in Betrieb. Seither schlief sie im Gebüsch.
Heuer musste die ursprünglich nicht für den Personenverkehr gebaute Bahn erst gründlich renoviert und getestet werden; und dann noch das Zulassungsverfahren für Eisenbahnen durchlaufen. Nach grad nur 10 Tagen war alles geschafft und die Bahn konnte losfahren.

Die Standseilbahn Amsteg – Bristen fährt zwischen 4 und 24:00 etwa alle zwanzig Minuten. Kostenlos und für Jedermann. Und noch bis Ostern – oder bis die Strasse geflickt ist.

Nutzt die einmalige Gelegenheit mit der längst stillgelegten historischen Bahn zu fahren. Nach Ostern ist damit für immer Schluss.