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30. Juni 2017

Prag: Könige, Bettnässer und eine fettige Wurst

Praha. Es ist wolkiges Sommerwetter und wir fahren um acht mit der ersten Fähre aufs Festland. Und gleich mit dem Tram weiter bis zur Prager Burg. Wie erwartet sind um diese Tageszeit noch nicht so viele Leute da. Allerdings auch nicht wenige, denn an der Sicherheitsschleuse steht schon eine lange Schlange.
Die Prager Burg ist sehr gross und eigentlich eine Abfolge von repräsentativen Höfen, Palästen und mehreren Kirchen. Wir schlendern von Innenhof zu Innenhof. Viel Gotik und mächtige Renaissance Fassaden.

Mitten drin erhebt sich der Veitsdom. Er ist dem heiligen Vitus, dem Schutzpatron der Apotheker, Bierbrauer, Winzer, Kupferschmiede, Tänzer und Bettnässer, gewidmet. Und hier wurden seinerzeit die Böhmischen Könige beerdigt.

Der Veitsdom sieht zwar sehr gotisch aus, doch er wurde, nach fast 600 Jahren Bauzeit, erst 1929 fertig. Kaum sonst wo gibt es deshalb Fotos von der Baustelle einer gotischen Kathedrale.

Auf dem Weg zum Wenzelsplatz müssen wir am „Praha Masarykovo nádraží“ Bahnhof umsteigen. Der Kopfbahnhof war früher Prags Hauptbahnhof (n50.0878, e14.4328). Heute ist er nur noch ein Regionalbahnhof, von wo vor allem die S-Bahnen fahren.
Wir setzen uns in der schönen Bahnhofshalle in eine Kneipe und schauen den Leuten zu. Am Nebentisch futtern zwei Russen in Essig eingelegte Würste. So eine will ich auch, bestelle dann aber doch eine Klobása, eine tschechische Bratwurst. Sie schmeckt wie sie ist ‒ fettig und billig.

Der Wenzelsplatz bildet das Zentrum von Prags Neustadt. Er ist vielmehr ein langer Boulevard als eine Strasse. Mit schönen Alleen und mit Bürgerhäusern mit schmucken Fassaden. Und mit zahllosen Strassencafés, die wir ausgiebig nutzen.

In der nahen Husova-Strasse hängt Sigmund Freud an einem Balken (n50.0843, e14.4183). Hoch über den Passanten und irgendwo zwischen Leben und Tod. Auch dies ist ein Werk von tschechischen Bildhauer David Černý.

Auf der Karlsbrücke sind heute wieder drölfzigtrillionen Touristen unterwegs – wenn nicht noch mehr. Wir schlendern über die mittelalterliche Steinbrücke und schauen den Schiffen und Bisamratten zu. Isch halt schon schön hier.

So, dies war’s! Morgenfrüh wollen wir Prag verlassen und noch ein wenig nach Osten fahren – bevor wir dann endgültig umdrehen und nachhause müssen.

27. Juni 2017

Prag: ein totes Ross und vierunddreissig Pinguine

Praha. Bereits um acht fahren wir mit unserer Mini-Fähre aufs Festland hinüber. Jetzt am Morgen hat es noch nicht so viele Touristen und es ist noch nicht so heiss, denken wir. Und so ist es dann auch. Auf der Karlsbrücke sind wir fast die einzigen und die Morgensonne lässt den Burghügel strahlen.

Wir schlendern in Richtung Altstadt und schauen uns die bekannten Sehenswürdigkeiten an. Ganz besonders gefällt uns das „Prager Gemeindehaus“, ein Kunst- und Kulturpalast aus dem frühen 20. Jahrhundert. Jugendstil über und über.

Wir möchten das Gemeindehaus gerne auch von innen anschauen, aber das geht nur nach Voranmeldung und in Gruppen. Doch grad geht eine französische Reisegruppe durch die Sicherheitssperre. Wir schliessen uns einfach an und schlüpfen mit hinein. Die Führung geht durch die zentrale Konzerthallen und prächtige Säle. Alle sind mit in den verschiedenen Ausprägungen des Jugendstils gebaut und äusserst elegant geschmückt.

Wir halten uns stets im Hintergrund, damit der Reiseleiter ja nicht merkt, dass wir gar nicht zu seiner Gruppe gehören. Wir sehen farbig bedruckte Seidentapeten, traurigbunte Wandbilder, edles kubistisches Mobiliar und glitzernde Leuchter aus Böhmischem Glas.
Unsere Führung endet in den Kellergewölben, wo wir uns unbemerkt davonmachen. Merci beaucoup.

In der Lucerna-Passage hängt ein eindrückliches Werk vom tschechischen Künstler und bösen Buben David Černý: „Der heilige Wenzel auf dem toten Pferd“. Frei nach dem Motto: Wenn das Pferd tot ist, sollte man absteigen.

Wir fahren auf nach Malá Strana - „Kleinseite“ hinüber. Hier gibt es noch weitere Černý Werke zu sehen. Zuerst schauen wir uns beim Kafka-Museum die „pissenden Männer“ an. Sie brünzeln in einen Teich mit den Umrissen Tschechiens.

Vor dem Kampa-Museum schnaggen drei seiner „Krabbelkind“ aus Bronze durch den Park. Statt Gesichter haben sie so etwas wie einen Strichcode eingestempelt.
Und in der Moldau stehen 34 gelbe Pinguine von der italienischen Künstlergruppe „Cracking Art Group“.
Es ist schon wieder heiss und die Sonne rötet unsere Leiber. Wir setzen uns in einen schattigen Park und geniessen diesen Sommertag. Später fahren wir mit der Strassenbahn und der Fähre zurück auf unsere Insel. Liegen, lesen, dösen.

22. Juni 2017

nach Prag: Plzeň besteigen

Frengkofen. Es ist ein wunderschöner Sommermorgen. Die Grashalme glitzern im Tau und schon früh fährt das erste Frachtschiff durch unseren Vorgarten. Bis nach Tschechien sind es jetzt noch 70 Kilometer ‒ und die wollen wir heute schaffen.
Wir brummen gemütlich in Richtung Osten. Die Landschaft ist hügelig und die Leute nett. Hinter Furth im Wald erreichen wir gegen Mittag die deutsch-tschechische Grenze. Der Grenzposten ist unbemannt und wir fahren zügig weiter bis nach Plzeň. Wir sagen „Pilsen“ dazu – wie das Bier.

Plzeň war neulich Europäische Kulturhauptstadt. Das Technikmuseum „Technomania“ (n49.7391, e13.3624) ist ein Überbleibsel davon. Wir wollen aber nicht ins Museum, nein, wir wollen uns hier die Skulptur „Entropa“ vom grossartigen David Černý anschauen. Sie zeigt Europa als Modellbausatz und die einzelnen Länder sind mit typischen Merkmalen dargestellt. Italien ist ein Fussballplatz mit wichsenden Fussballern, Slowakei als Wurst, Bulgarien ein Hock-Klo und Grossbritannien fehlt. Das Kunstwerk sollte ursprünglich in Brüssel stehen; gefiel dann aber gewissen EU-Beamtem eher nicht so gut.
Jetzt steht es hier. Leider ist es etwas verdeckt und versteckt, so dass ich kein vernünftiges Foto machen kann.

Wir parkieren unseren Möbelwagen am Rande der Altstadt (n49.7458, e13.3819) und schlendern zum grossen, viereckigen Hauptplatz; dem Platz der Republik. Rundherum stehen kitschig schöne Stadthäuser mit allerlei üppig dekorierten Giebeln. Wir schauen und staunen; dann setzen wir uns in ein Strassencafé und löffeln Eiskaffee.

Es ist sommerlich warm und windig. Also genau richtig um auf den Turm der Bartholomäus Kathedrale zu steigen. Nach 299 Treppenstufen ‒ Frau G. hat sie extra gezählt ‒ sind wir oben und schauen über die Dächer und das Land. Schön hier. Vor allem auch wegen dem Wind, der hier oben noch etwas steifer bläst, als unten in der Stadt.

Gleich neben der Altstadt steht das nagelneue Theater mit der hübschen Lochfassade aus Sichtbeton (n49.7488, e13.3719). Auch es ein Überbleibsel der Kulturhauptstadt.

Gegen Abend verlassen wir Plzeň und suchen uns einen gemütlichen und schattigen Übernachtungsplatz. In der Nähe von Druztova werden wir fündig. Neben einer Kapelle (n49.7951, e13.4553) stellen wir uns unter eine grosse Weide. Die Blätter rauschen und die Vögel zwitschern. Isch huäre schön hier.

6. Juni 2017

Auffahrt-Ausfahrt: zurück in die Zukunft

Freiburg im Breisgau: Als ich am Morgen zum Fenster hinaus schaue, liegt unser Nachbar immer noch regungslos in der Wiese. Dass Fernfahrer einen gesunden Schlaf haben, weiss ich ja schon, aber das scheint mir nun doch nicht mehr normal. Lebt der überhaupt noch?
Grad als ich nachschauen will, kriecht er aus seinem Schlafsack. Wie eine Made, die zum Schmetterling wird. Glück gehabt – wir beide.

Vor fünfzig Jahren war die Zukunft aus Plastik. Möbel, Autos und Häuser machte man daraus. Das meiste davon war nix und endete im Müll. Doch eines der futuristischen Kunststoffhäuser hat überlebt; und steht in Freiburg. Wir fahren hin und schauen es uns an.

Das Haus heisst „Rondo“ und wurde seinerzeit vom schweizer vom Architekturbüro Casoni & Casoni gebaut. Ursprünglich war es als Ferienhaus im Tessin geplant. Sie bauten einen ersten Prototyp und stellten ihn zwischen 1968 und 1971 an verschiedenen Messen aus.
Fünfzig Quadratmeter Wohnfläche , grosse Fenster und eine moderne Einrichtung aus Kunststoff. Das eiförmige UFO-Haus gefiel den Leuten sehr gut – doch kaufen wollte es dann doch keiner.
Bevor das Haus endgültig vergammelte, kaufte es ein Architektur-Fan. Er liess es 1976 von Lüdenscheid nach Freiburg transportieren und montierte es auf seinem Firmengebäude.

Ursprünglich wollten wir noch einige Tage in Süddeutschland bleiben, doch jetzt müssen wir früher nachhause. Also rauf auf die Autobahn und südwärts. Kurz nach Basel machen wir eine kurzen Halt an der Autobahnraststätte Pratteln; „Fressbalken“ genannt. Auch die ist ein Werk vom Architekturbüro Casoni & Casoni – und aus Plastik.

3. Juni 2017

Auffahrt-Ausfahrt: Kunst in Neuf Brisach

Neuf Brisach. Es war eine ruhige und lauwarme Sommernacht. Und mich dünkt, dass es auch heute wieder ein heisser Tag werden wird.
Der elsässer Bildhauer Jean-Paul Schwindy hat die alten Festungsgräben mit Tierfiguren vollgekunstet. An jedem der vier Stadttore steht eines; eine Giraffe, ein bissiger Bär, ein erstauntes Nashorn und einen schlapper Elefant.


Die Tiere sind alle riesengross und aus nichts als Heu, Holzlatten und Draht gemacht. Remp'Art 2017 nennt sich diese jährliche Kunstveranstaltung. Die Tiere stehen noch bis in den Herbst; unbedingt anschauen gehen.

9. März 2017

Marokko: bunte Kirche und mein Eisenhuhn

Marrakech. Im Morgengrauen kräht der Camping-Hahn neben meinem Möbelwagen. Das Wetter ist – auch bei wohlwollender Betrachtung – Mistwetter. Graue Wolken und Nieselregen. Aber wenigstens ist es jetzt deutlich wärmer. Gut dass ich mir gestern eine Wollmütze gekauft habe!


Mitten durch die ausufernden Vorstädte verlassen wir Marrakesch gegen Norden. Jetzt wo das Wetter so mies ist, will ich unterwegs noch etwas Kultur reinziehen. Der Umweg ist nicht weit und meinen beiden Reisekumpels wird es auch nicht schaden. Wir fahren nach Youssoufia.
Hier hat der spanische Strassenkünstler Okuda San Miguel im vergangenen Jahr eine alte Kirche bemalt (n32.2440, w8.5279). Nun zieren allerlei Tiere in grellbunten Farben die Fassade. Statt keinen Kirchenbesuchern kommen jetzt keine Touristen hierher.
Wir setzen uns in ein Café und bestellen einen Kaffee und zwei Tee. Die Serviererin versteht weder Französisch noch Arabisch. Sie bringt meinen Kaffee und sonst nichts. Ü. fragt nach; dann bringt sie zwei Tee mit jeweils zwei Teegläsern. Und Würfelzucker im Format eines Zigaretten-Päckli. Na gut.

Die Landschaft ist weiterhin topfeben und grasgrün, bloss der Himmel bleibt grau. Dann erreichen wir El-Jadida. Hier schauen wir uns die alte portugiesische Festung an. Doch das trübe Wetter dämpft etwas unsere Begeisterung. Wir schlendern durch die Gassen und ich kaufe mir ein Schoggi-Riegel und einen eiserne Huhn aus einer alten Teekanne.
Wir übernachten auf dem hiesigen Camping International. Er ist voller französischer Rentner und wieder schleichen hier Pfauen umher. Seltsam?

9. Dezember 2016

die hellblaue Felsen in Marokko

Viele Marokko-Reisende kennen die blauen Felsen von Tafraoute. Hellblaue Felsknödel mitten in einer grandiosen Landschaft.
Doch ursprünglich, 1984/85 hat sie der belgische Künstler Jean Vérame ganz anders bemalt, nämlich tintenblau und feuerrot. Doch mit der Zeit verblassten die Farben auf dem krümeligen Untergrund, bis kaum mehr etwas zu sehen war.

Vor etlichen Jahren erneuerten die Marokkaner das Kunstwerk. Doch statt Majorelle-Blau und Feuerrot verwendete man diesmal Pastell-Töne; Hellblau, Rosa und Blassgrün. Die Farben waren billiger – und den Touristen wird der Unterschied eh nicht auffallen, sagten sich die Leute.


Ich finde die blauen Felsen grossartig ‒ jetzt halt eher in den Farben vom Chefchaouen. Denn erst durch den blauen Anstrich einiger ganz gewöhnlicher Felsen erkennt man, wie grandios die umliegende Felslandschaft wirklich ist. Und was mir auch gefällt, sind die künstlerischen Reaktionen der Besucher. Manche Felsen haben nun Gesichter und einer ist jetzt ein buddhistischer Mani-Stein.

31. Oktober 2016

Milano: Ungeheuer auf dem Dom

Bei Milano denkt jeder Tourist als erstes gleich an den Mailänder Dom. Und in der Tat, der „Duomo“ ist grandios. Uralt zwar, aber die Besucher kommen vor allem wegen seinem üppigen und nicht alten Äusseren.

Obenrum zeigen unzählige knubbelige Fialen-Türmchen gegen den Himmel. Und an der Fassade stehen fast viertausend Figuren. Heilige und Fratzen, Könige und Totschläger.
Die meisten menschlichen Figuren sind entweder nackt oder gewalttätig; und die meisten tierischen sind schrille Ungeheuer mit langen Zungen und/oder Schwänzen.

Wie alle wissen kann man auch aufs Dach des Domes. Da oben ist alles komplett aus weissem Marmor und erstaunlich üppig mit allerlei Zierrat geschmückt. Dazwischen vielerlei Tauben und Touristen. Leider versperren mir einige Baugerüste den Zugang zu besonders interessanten Figuren. Da muss ich wohl später noch einmal hin.
Der Mailänder Dom ist auch innen sehr sehenswert. Gleich beim Eingang geht die Skala einer Sonnenuhr quer durch den Raum. Es ist eine Meridianlinie, wo ein Lichtpunkt die genaue Mittagszeit und auch das präzise Datum anzeigt. Aber seit man daran herumgewerkelt hat, nun fehlerhaft und erst um halb zwei Uhr.

Wirklich beeindruckend sind die Glasfenster. Im Gegensatz zur heutigen Fassade stammen einige davon tatsächlich aus dem Hochmittelalter. Die knallbunten Glasscheiben zeigen weitere dreieinhalb Tausend Personen.