15. September 2016

Alpenglühen: Bozen interruptus

Es war eine heisse Nacht und wir schliefen bei offener Tür. Die morgendlichen Pendler schauen etwas verwundert – und auch etwas neidisch auf unser Freiluftbett.
Hier bei den Apfelplantagen haben wir sogar schnelles Internet, was an sich toll ist: Aber - ich erfahre auch, dass zuhause neue Arbeit eingetroffen ist und dass wir deshalb dringend heim müssen.

Aber Arbeit hin, Sommerhitze her; erst wollen wir uns heute noch Bozen anschauen. Mit dem Zug sind das dahin knapp eine halbe Stunde Fahrt. Und anders als in Meran liegt in Bozen der Bahnhof fast im Stadtzentrum.
Schon jetzt am Vormittag sind recht viele Leute in der Stadt unterwegs. Ausflügler und Einheimische. Wir streifen durch die Gassen und bewundern die prächtigen Fassaden und die Arkaden mit den bunten Läden.
Während Frau G. die Schaufenster anschaut, sehe ich mich nach lokalen Würsten um. Wie‘s ausschaut gibt es keine solche, bloss das Übliche.

Der Talfer teilt Bozen in zwei Teile; das mittelalterliche Bozen und das moderne Bolzano, so heisst „Bozen“ auf Italienisch, mit den Wohnblöcken aus der Zeit der Faschisten.
Wir schlendern hinüber und werden als erstes von einem Triumphbogen aus Marmor begrüsst. Dieser wurde nach dem 1. Weltkrieg als Siegesdenkmal errichtet. Und so schaut er auch aus; ein nackter Marmor-Krieger schiesst nach Österreich hinüber!

Am Imbiss gleich neben dem Siegerdenkmal leisten wir unseren ganz eigenen Beitrag zur Völkerverständigung und bestellen Wienerschnitzel. Eine wunderbar knusprige Panade umhüllt das dünngeklopfte Fleisch – herrlich.
In Bozen gäbe es bestimmt noch viel mehr zu sehen – zum Beispiel den Ötzi – aber es ist glühend heiss und so fahren wir am Nachmittag mit der Bahn zurück nach Gargazon.

Das ganze Vinschgau ist mit Apfelplantagen zugebaut. Soweit man sehen kann stehen Apfelbäume. Aber nicht die üblichen Bäume, wo der Apfelpflücker wie ein Affe im Geäst herum klettern muss, sondern Apfel-Spaliere in endlos langen Reihen, damit man mit diesen schmalen Traktörli dazwischen fahren und ernten kann. Und überall sehen wir haushohe Stapel grüner Apfelkisten, die auf die Ernte warten.
Wir fahren noch ein Stück heimwärts und übernachten etwas weiter talaufwärts in Mals. Hier oben ist es bereits merklich kühler als in Bozen und es weht ein angenehm frischer Wind.

14. September 2016

Alpenglühen: glutheisses Meran

Da wir in Meran eh keinen Parkplatz finden, fahren wir direkt nach Gargazon und stellen unseren Möbelwagen am dortigen Bahnhof ab. Das Dorf ist weit weg und die Parkplätze zahlreich und leer.
Mit der Vinschgerbahn fahren wir von hier nach Meran.

Es ist ein heisser Tag, doch zum Glück gibt es in Meran viele schattige Strassenbäume und verwinkelte Plätze. Wir flanieren erst durch die mittelalterliche Altstadt; Arkaden voller Ladengeschäfte und gemütlichen Gaststätten.

Auf dem alten Marktplatz bietet der „Würstl-Willi“ allerlei Wurstwaren feil. Ich entscheide mich für eine „Meraner“ mit einer Kaisersemmel und einem Schiss Senf. Schmeckt knackig und würzig.
Neben der alten Altstadt ist das Meran der Habsburger. Prächtige Paläste mit vielerlei Zierrat und Schnörkeln. Kurhaus, Theater und Nobelhotels.

Am Fluss Passer entlang zieht sich auf der Sonnenseite die alte Winterpromenade, eine halboffene Halle mit Sitzbänken und viel Wandbildern. Am anderen Ufer drüben verläuft die Sommerpromenade unter schattigen Bäumen und am Park entlang. Und mittendrin ein Standbild der Kaiserin Sissi - aus Laaser-Marmor.


Es ist heiss und wir sitzen lange in einem Gastgarten und geniessen kühle Getränke Dann schleppen wir uns zum Bahnhof hinunter, wiederholen die kühle Trinkerei und fahren danach mit der Bahn zurück nach Gargazon. In unser Möbelwagen ist es 42 Grad warm und in meinen Schuhen drin ist es tropisch feuchtheiss.
Wir übernachten gleich hier neben den Apfelplantagen in Gargazon. Es ist ein schwülheisser Sommerabend – sogar der heisse Kaffee bringt Abkühlung.

13. September 2016

Alpenglühen: Marmor in Fahrt

Der Marmor aus Laas ist weltbekannt. Daraus wurden und werden weltweit Paläste und Denkmäler gemacht. Früher die Paläster der Habsburger, heute die der arabischen Ölmilliardäre. Oder auch die weissen Kreuze auf den amerikanischen Soldatenfriedhöfen.

Wir schlendern ein wenig durch das Marmor-Blocklager neben dem Bahnhof und schauen den Steinmetzen beim steinmetzen zu. Der beste Laaser-Marmor ist schneeweiss und glitzert wie Eiskristalle.

Die Marmor-Steinbrüche liegen aber ziemlich weit oben in den Seitentälern. Von da werden die Steinblöcke mit der Werkbahn ins Haupttal gebracht und mit einer imposanten Schrägbahn mitsamt den Bahnwagen ins Tal – ein Kilometer und fast 500 Höhenmeter - hinunter transportiert.

Eigentlich wäre ich gerne mit dem Marmor-Schrägaufzug mitgefahren, aber das ist leider nicht möglich. Aber heute fand wenigstens eine Kontrollfahrt statt und so konnte ich mir die Technik ganz genau anschauen. Wobei die Technik glänzt eigentlich durch Abwesenheit; es sind im Prinzip bloss zwei Karren an einem langen Stahlseil. Und einem Motor in der Bergstation.

Wir nächtigen in Laas zwischen Marmorblöcken und Apfelbäumen. Es ist wunderbar mild, am Abend zieht ein frisches Lüftlein durchs Tal. So lässt sich gut schlafen.

12. September 2016

Alpenglühen: vom Stilfserjoch in den Sommer

Die Nacht auf dem Stilfserjoch war kuschelig – aber recht kühl. Draussen ist Novemberwetter, wolkenverhangen und die Temperatur nur knapp über dem Gefrierpunkt.
Beim Frühstück beraten wir wohin es weiter gehen soll. Reschenpass oder Meran? Oder beides? So oder so geht es nun wieder bergab. Und zwar steil und kurvenreich. 48 Haarnadelkurven bringen uns mehr als 1‘800 Meter hinunter. Eine grandiose Strasse und fast so schön wie die Tremola.


In  Prad, Prato dallo Stelvio, treffen wir Lorenz, der sich selber „der mit dem Windhauch spricht“ nennt. Er ist Bildhauer, Dichter, Maler und besitzt sein eigenes Freilichtmuseum (n46.6103, e10.5748). Er ist aber auch ein Lebenskünstler und bestimmt auch ein bisschen ein Spinner.

Wir streifen durch seinen Garten und um sein Haus und schauen uns die Steingesichter, Totempfähle und Schrottskulpturen an. Nur seine Knochengebilde gruseln mich ein wenig. «Der Tod gehört halt zum Leben» sagt er.

Der Reschen-See ist wegen seinem Kirchturm im Wasser weltbekannt. Eine tragische Geschichte, aber uns sind zu viele Leute und Autobusse da. Wir trinken ein Caffè und denken an die untergegangenen Dörfer - dann fahren wir zurück nach Süden.

Wir schauen uns ein wenig in Mals und Glums um, hübsch - und fahren dann nach Laas und setzten uns unter die Linde im Dorfzentrum. Gepflanzt wurde sie zu Ehren des Kaisers, der damals Laas besuchte. So steht es zumindest auf dem Schild. Wir trinken zu Ehren der Linde einen gespritzten Holundersirup. Und ich nutze das Linden-Internet, was aber dermassen langsam ist, dass mir schon bald die Lust vergeht.

10. September 2016

Alpenglühen: die Knoblauchwurst aus dem Meiental

Heute eine Knoblauchwurst aus dem Urner Meiental.

Würzig und überaus vitaminreich.

9. September 2016

Alpenglühen: Weltkrieg auf dem Berg

Bis vor hundert Jahren war das Stilfserjoch die Grenze zwischen Italien und Österreich-Ungarn. Und gleich oberhalb der Passhöhe schob sich das Schweizer Territorium wie ein Keil zwischen die beiden Länder. Hier auf der Felsnase gleich stand damals das „Hotel Dreisprachenspitze“ und hier war der äusserste Posten der Schweizer Armee. Rechts davon verschanzten sich die österreichischen Truppen, links die italienischen.

Die Soldaten waren so nahe, dass sie einander sahen und hörten. Und dazwischen die neutrale Schweiz, die verhinderte dass die beiden Kriegsparteien übereinander herfallen konnten.
Wir nutzen den Wetterwechsel und steigen zur Dreisprachenspitze; heute heisst sie Trais Linguas (2‘850 müM), hinauf und schauen nach Überbleibseln von damals.

Gleich neben dem heutigen Refugio kann man noch die italienischen Schützengräben und Stacheldrahtverhaue erkennen. Und rechts davon stehen noch einige Mauern der damaligen österreichischen Stellungen.

Die österreichischen Barracken lagen direkt neben dem Schweizer Grenzposten. So nahe, dass die Italiener sie nicht beschiessen konnten, ohne die schweizer Neutralität zu verletzen. Was aber beide Kriegsparteien öfters taten. Dann gab es jeweils diplomatischen Protestnoten und die Schweizern Militärs versuchten mit den beiden Kriegsparteien gewisse Spielregeln zu vereinbaren, was aber nur mehr oder weniger gut gelang.

Auch vom damaligen Hotel Dreisprachenspitze (n46.5308, e10.4528) sind noch einige Mauerresten zu finden. Und auch die berühmte Marmor-Rondelle mit dem Bergpanorama ist noch hier, beschädigt zwar, aber immerhin nicht verloren.

Am Ende des 1. Weltkrieges verschwand die Österreichisch-Ungarische Donaumonarchie von der Weltkarte und das Südtirol kam zu Italien. Seither ist das Stilfserjoch keine Landesgrenze mehr und auch die Schweizergrenze am Trais Linguas ist längst unbemannt.
Im Oktober 1916 fiel auf der Dreisprachenspitze auch eine Schweizer Soldat - einer von zweien im 1. Weltkrieg.

Wir übernachten auf dem Stilfserjoch. Wir haben einen grossartigen Ausblick auf die Berge rundherum. Dann wird es kalt und regnerisch. Gut dass wir unsere Faserpelze dabei haben.