14. Dezember 2015

Ligurien: es schifft im Museum

La Spezia: Das „Museo Tecnico Navale della Spezia“ – das Schiffsmuseum – müsse ich uuu-unbedingt anschauen, sagen die Eisenbahner. Wegen dem miesen Wetter wollte ich eigentlich nicht hin, aber jetzt wo alle davon schwärmen, muss ich wohl.
Das Schiffsmuseum befindet sich innerhalb der militärischen Marinebasis. Am Tor stehen Uniformierte mit Maschinenpistolen und strengem Blick. Nach meinen Erfahrungen mit eingezäunten Schiffen und Wachleuten benehme ich mich diesmal äusserst wohlerzogen und gehe gleich zum Haupteingang. Die Kassenfrau warnt mich, wegen der Bauarbeiten seien einige Ausstellungssäle vorübergehend geschlossen. Dafür koste der Eintritt zurzeit auch nur 1,55 Euro. Na dann.

Sollte sich jetzt jemand ganz speziell für Torpedos interessieren – hier findet er sein Paradies. Lange und kurze, dicke und dünne Torpedos; daneben noch aufgeschnittene und zerlegte Torpedos. Torpedo-Einzelteile und Torpedo-Modelle.
Im Saal daneben stehen Kanonen. Viele Kanonen; lange und kurze, dicke und – öööhm – viele andere Kanonen. Wer's mag…

Hier endet die 1,55 Euro-Ausstellung auch schon wieder. Alle übrigen Räume des Museums sind geschlossen. Im Garten schaue ich mir noch das U-Boot MSM-1S „Woodstock“ an. Seinen Namen habe es übrigens vom gelben Vogel und besten Freund Snoopy's.
Das U-Boot steht erst seit einigen Wochen hier im Rasen, davor tauchte es zwanzig Jahre lang fürs Militär und die Forschung. Ihm macht der Regen nichts aus - mir schon. Ich gehe nachhause.

Heute nächtige ich im „Hotel Mary“ gleich gegenüber vom Bahnhof. Ich bekomme ein wirklich nettes 40 Euro-Zimmer. Zwar klein und schlicht, aber mit allem Notwendigen. Und mit funktionierendem Internet. Und Blick auf den Bahnhof – ich bin ein Glückspilz!

Am Abend esse ich drüben im Bahnhofrestaurant Bohnen-Zwiebel-Fleisch-Eintopf. Das Froilein fragt, ob ich ein Russe sei? Ob wegen meiner Bären-Mütze oder meinem Akzent – ich weiss es nicht? Gute Nacht.

13. Dezember 2015

Ligurien: spiel mir das Lied vom Tod

In diesen italienischen Städten gibt es alles - ausser freie Parkplätze. Ich schlendere dann manchmal einfach mit meinem Autoschlüssel in der Hand herum und geniesse die Aufmerksamkeit der parkplatzsuchenden Autofahrer.
Dann schlage ich urplötzlich einen Haken und gehe in die entgegengesetzte Richtung. Diese enttäuschten Gesichter und die leeren Augen solltet ihr mal sehen. Einfach köstlich.

11. Dezember 2015

Ligurien: einbahn nach La Spezia

La Spezia: Kurz nach sieben verlasse ich mein Genua-Hotel endgültig. Es war eine nette Unterkunft. Doch heute habe ich im Internet gelesen, hier gäbe es Bettwanzen. Ich glaube das zwar nicht, doch es erklärt die in Plastikfolie eingewickelte Matratze und die juckenden Pusteln an meinen Beinen. Das Mädel am Empfang verabschiedet mich mit einem leblosen «m-hmh».

Am Bahnhof-Automaten ziehe ich ein Biglietto nach La Spezia. Heute fahre ich mit dem Regionalzug, da der an allen Bahnhöfen anhält und ich den Ausblick auf die berühmet Cinque Terre geniessen will. Doch der Nebel und die schmutzigen Fenster vereiteln wirkungsvoll mein Vorhaben.

Der eigentliche Grund weshalb ich noch einmal nach La Spezia fahre, ist naturlich das Museo Nazionale dei Trasporti - das berühmte Eisenbahnmuseum. Wobei; jetzt im Winter ist es weniger ein Museum, als mehr eine Werkstatt. Die „guten Fahrzeuge" seien in einem auswärtigen Depot eingelagert, hier seien momentan nur die Patienten.

Heute bin ich der einzige Besucher. Nachdem ich dem Lackierer geholfen habe einige Abdeckfolien zu verräumen, führt er mich durch die Sammlung. Er weiss zu jedem Ausstellungsstück etwas zu erzählen. Und er zeigt mir die Lokomotive, mit der er als Schulbub mit seinem Vater mitfahren durfte.

In der Werkstatt steht eine schwerkranke Dampflok. Sie wurde 1909 als von "Krauss & Comp." in München gebaut. Jetzt ist sie an schwerer Korrosion erkrankt und braucht eine Kessel-Revision. Die notwendigen Ersatzteile werden in der eigenen Werkstatt und von Hand angefertigt. Von Mechaniker die nur wenig jünger als die Dampflok sind.

Im Aussengelände einige alte Güterwagen der Marinebasis und Rangierloks aus der Umgebung. Dazwischen thront eine mächtige „E.626“. Diese Lokomotive ist ein Meilenstein in der italienischen Eisenbahn-Geschichte. Mit ihr wurde in den 1930-er Jahren die Elektrifizierung eingeläutet. Von diesem robusten Arbeitstier wurden einst weit über vierhundert Stück gebaut und sie war bis vor wenigen Jahren im Einsatz. Doch davon sind nur ganz wenige übriggeblieben. Die E.626.089 bräuchte dringend etwas Zuneigung, aber dazu fehlt das Geld.

Zum Abschied bekomme ich ein tolles Souvenir geschenkt und den Wunsch mit auf den Weg, ich solle doch zuhause allen Eisenbahnliebhabern davon erzählen. Man freue sich über jeden Besucher - und das nicht nur wegen den 3 Euro Eintritt.

Genova-La Spezia; Trenitalia Reg 33825, 2:09 h, 2.Klasse, 7,50 Euro

10. Dezember 2015

Ligurien: in schwarze Löcher gucken

Genova: Als ich neulich auf dem Righi war, habe ich da oben nicht nur die Aussicht genossen, sondern mir auch das dortige Observatorium angeschaut. Die Tür zur Sternwarte stand weit offen, also ging ich hinein. Und die Treppe hinauf. Die Frau Astronomin guckte etwas erstaunt aus ihrem Fernrohr - eigentlich habe sie ihren Freund erwartet, nicht mich. Ausserdem sei die Anlage nur für Forscher zugänglich.

Da ich aber schon mal hier bin, darf ich mir das Teleskop und die anderen Gerätschaften anschauen. Leider sieht man im Fernrohr lauter schwarz, im Weltall scheint es noch Nacht zu sein...

Eine ganz andere Messeinrichtung lockt mich in den Hafen. Gleich hinter dem Aquarium steht ein unscheinbarer Glaskasten voller Elektronik und einem Schwarzen Loch im Boden. Das ist der „Pegel Genova“. Der Pegel misst für halb Italien - und die ganze Schweiz – den Wasserstand des Mittelmeeres. Nicht dass das Meer unbemerkt leerläuft...

Nach soviel Wissenschaft widme ich wieder meinen eigenen Forschungen - der schier grenzenlosen Welt der Wurstbrote.

9. Dezember 2015

Ligurien: kein Schwimm, bloss Kran

Genova: Es sieht nicht nur nach Regen aus, es tut. Was tun? Da ich ja weiss, dass sich viele von euch für Kräne interessieren, will ich heute einen ganz besonderen anschauen gehen. Den Schwimmkran „Langer Heinrich“, der heuer seinen 100. Geburtstag feiert.

Gebaut wurde der Kran 1915 für die die Kaiserliche Werft Wilhelmshaven, denn zum Bau der riesigen Schlachtschiffe brauchte es auch einen riesigen Kran. Den damals weltgrössten. Die Sache mit dem 1. Weltkrieg endete für dem deutschen Kaiser eher ungünstig. Doch der Kran blieb ganz und man nutzte ihn im 2. Weltkrieg zum Bau von Kriegsschiffen und U-Booten. Wieder endete der Krieg anders als erwartet und der Kran ging in den Besitz der US-Marine über. In den 1990-er Jahren wurde der Lange Heinrich nach Genua verkauft, wo er bis heute krant.

Nach meinem neulichen Besuch bei der "Williamsburg", muss das heute klappen. Den Kran sehe ich zwar schon von weitem, doch erneut ist ein Gitterzaun im Weg. Die beiden Wachmänner am Tor sind ganz nett und finden den Kran auch ganz toll – aber aufs Gelände lassen sie mich trotzdem nicht!

Bildquelle: Google.it
Also steige ich gegenüber auf die alte Festungsmauer und schaue über die Dächer. Vom Schwimmkran sehe ich nur den Kran, der Schwimm bleibt hinter den Häusern verborgen.

Es beginnt wieder zu regnen. Ich setze mich in eine Kneipe zu den alten Männern. Die Stimmung ist gelöst. Der Kaffee dunkelschwarz und Salamibrot das knusprig-flauschig-würzige. Friedlich hier.
Doch die Sache mit den nicht gesehenen Schiffen nagt schon ein wenig an meinem Stolz.

8. Dezember 2015

Ligurien: armlose Heilige und ein speckiger Hund

Genova: Da ich grad in der Nähe bin, schaue ich mir noch einmal die Kathedrale San Lorenzo an. Aussen wie innen ist sie zebramässig gestreift; schwarzer und weisser Marmor. Ganz besonders beeindruckt mich das gotische Portal mit den vielen verschiedenen Säulen und den Friesen mit Marmor-Intarsien. Einfach nur grossartig.

Am Fuss einer der Säulen liegt ein handtellergrosser Hund aus Marmor. Um ihn ranken sich viele Legenden. Wer ihm über den Rücken streichelt wird glücklich oder fruchtbar. Odr so. Und der Hund ganz speckig.

Ich steige in die Krypta hinunter, wo heute die Schatzkammer untergebracht ist. Gotische Kunstschmiedearbeiten aus Gold, Silber und Edelsteinen. Ein byzantinisches Reliquienkreuz enthält sogar originale Holzsplitter vom Kreuz Jesu. Daneben werden in einer Vitrine die Unterarme der heiligen Anne und vom heiligen Jakob ausgestellt. Würde mich aber nicht wundern, wenn anderenorts noch ein Dutzend weitere Anna- und Jakob-Arme präsentiert würden.

Diese Schale besteht aus einem einzigen schillernden Halbedelstein. Es soll sich um den Teller handeln, worauf man damals dem römischen Stadthalter den abgeschlagenen Kopf des heiligen Johannes präsentiert hat. Sein Kopf wird übrigens in Amiens aufbewahrt. Und sein rechter Unterarm in Istanbul. Ich sag's nur, sollte jemand von euch weitere Teile vom Heiligen Jaohannes anschauen wollen.
Die katholische Kirche beherrscht solche Inszenierungen schon immer meisterhaft - besser als jede Jahrmarkts-Geisterbahn.

An einer Seitenwand der Kathedrale entdecke ich diese Steintafel mit einem Arm drauf. Dieses Zeichen war im Mittelalter weit verbreitet und wurde auch von den Nicht-Lesern verstanden. Heute nicht mehr. Wir kennen aber noch den Ausdruck „öffentliche Hand“.