11. Dezember 2015

Ligurien: einbahn nach La Spezia

La Spezia: Kurz nach sieben verlasse ich mein Genua-Hotel endgültig. Es war eine nette Unterkunft. Doch heute habe ich im Internet gelesen, hier gäbe es Bettwanzen. Ich glaube das zwar nicht, doch es erklärt die in Plastikfolie eingewickelte Matratze und die juckenden Pusteln an meinen Beinen. Das Mädel am Empfang verabschiedet mich mit einem leblosen «m-hmh».

Am Bahnhof-Automaten ziehe ich ein Biglietto nach La Spezia. Heute fahre ich mit dem Regionalzug, da der an allen Bahnhöfen anhält und ich den Ausblick auf die berühmet Cinque Terre geniessen will. Doch der Nebel und die schmutzigen Fenster vereiteln wirkungsvoll mein Vorhaben.

Der eigentliche Grund weshalb ich noch einmal nach La Spezia fahre, ist naturlich das Museo Nazionale dei Trasporti - das berühmte Eisenbahnmuseum. Wobei; jetzt im Winter ist es weniger ein Museum, als mehr eine Werkstatt. Die „guten Fahrzeuge" seien in einem auswärtigen Depot eingelagert, hier seien momentan nur die Patienten.

Heute bin ich der einzige Besucher. Nachdem ich dem Lackierer geholfen habe einige Abdeckfolien zu verräumen, führt er mich durch die Sammlung. Er weiss zu jedem Ausstellungsstück etwas zu erzählen. Und er zeigt mir die Lokomotive, mit der er als Schulbub mit seinem Vater mitfahren durfte.

In der Werkstatt steht eine schwerkranke Dampflok. Sie wurde 1909 als von "Krauss & Comp." in München gebaut. Jetzt ist sie an schwerer Korrosion erkrankt und braucht eine Kessel-Revision. Die notwendigen Ersatzteile werden in der eigenen Werkstatt und von Hand angefertigt. Von Mechaniker die nur wenig jünger als die Dampflok sind.

Im Aussengelände einige alte Güterwagen der Marinebasis und Rangierloks aus der Umgebung. Dazwischen thront eine mächtige „E.626“. Diese Lokomotive ist ein Meilenstein in der italienischen Eisenbahn-Geschichte. Mit ihr wurde in den 1930-er Jahren die Elektrifizierung eingeläutet. Von diesem robusten Arbeitstier wurden einst weit über vierhundert Stück gebaut und sie war bis vor wenigen Jahren im Einsatz. Doch davon sind nur ganz wenige übriggeblieben. Die E.626.089 bräuchte dringend etwas Zuneigung, aber dazu fehlt das Geld.

Zum Abschied bekomme ich ein tolles Souvenir geschenkt und den Wunsch mit auf den Weg, ich solle doch zuhause allen Eisenbahnliebhabern davon erzählen. Man freue sich über jeden Besucher - und das nicht nur wegen den 3 Euro Eintritt.

Genova-La Spezia; Trenitalia Reg 33825, 2:09 h, 2.Klasse, 7,50 Euro

10. Dezember 2015

Ligurien: in schwarze Löcher gucken

Genova: Als ich neulich auf dem Righi war, habe ich da oben nicht nur die Aussicht genossen, sondern mir auch das dortige Observatorium angeschaut. Die Tür zur Sternwarte stand weit offen, also ging ich hinein. Und die Treppe hinauf. Die Frau Astronomin guckte etwas erstaunt aus ihrem Fernrohr - eigentlich habe sie ihren Freund erwartet, nicht mich. Ausserdem sei die Anlage nur für Forscher zugänglich.

Da ich aber schon mal hier bin, darf ich mir das Teleskop und die anderen Gerätschaften anschauen. Leider sieht man im Fernrohr lauter schwarz, im Weltall scheint es noch Nacht zu sein...

Eine ganz andere Messeinrichtung lockt mich in den Hafen. Gleich hinter dem Aquarium steht ein unscheinbarer Glaskasten voller Elektronik und einem Schwarzen Loch im Boden. Das ist der „Pegel Genova“. Der Pegel misst für halb Italien - und die ganze Schweiz – den Wasserstand des Mittelmeeres. Nicht dass das Meer unbemerkt leerläuft...

Nach soviel Wissenschaft widme ich wieder meinen eigenen Forschungen - der schier grenzenlosen Welt der Wurstbrote.

9. Dezember 2015

Ligurien: kein Schwimm, bloss Kran

Genova: Es sieht nicht nur nach Regen aus, es tut. Was tun? Da ich ja weiss, dass sich viele von euch für Kräne interessieren, will ich heute einen ganz besonderen anschauen gehen. Den Schwimmkran „Langer Heinrich“, der heuer seinen 100. Geburtstag feiert.

Gebaut wurde der Kran 1915 für die die Kaiserliche Werft Wilhelmshaven, denn zum Bau der riesigen Schlachtschiffe brauchte es auch einen riesigen Kran. Den damals weltgrössten. Die Sache mit dem 1. Weltkrieg endete für dem deutschen Kaiser eher ungünstig. Doch der Kran blieb ganz und man nutzte ihn im 2. Weltkrieg zum Bau von Kriegsschiffen und U-Booten. Wieder endete der Krieg anders als erwartet und der Kran ging in den Besitz der US-Marine über. In den 1990-er Jahren wurde der Lange Heinrich nach Genua verkauft, wo er bis heute krant.

Nach meinem neulichen Besuch bei der "Williamsburg", muss das heute klappen. Den Kran sehe ich zwar schon von weitem, doch erneut ist ein Gitterzaun im Weg. Die beiden Wachmänner am Tor sind ganz nett und finden den Kran auch ganz toll – aber aufs Gelände lassen sie mich trotzdem nicht!

Bildquelle: Google.it
Also steige ich gegenüber auf die alte Festungsmauer und schaue über die Dächer. Vom Schwimmkran sehe ich nur den Kran, der Schwimm bleibt hinter den Häusern verborgen.

Es beginnt wieder zu regnen. Ich setze mich in eine Kneipe zu den alten Männern. Die Stimmung ist gelöst. Der Kaffee dunkelschwarz und Salamibrot das knusprig-flauschig-würzige. Friedlich hier.
Doch die Sache mit den nicht gesehenen Schiffen nagt schon ein wenig an meinem Stolz.

8. Dezember 2015

Ligurien: armlose Heilige und ein speckiger Hund

Genova: Da ich grad in der Nähe bin, schaue ich mir noch einmal die Kathedrale San Lorenzo an. Aussen wie innen ist sie zebramässig gestreift; schwarzer und weisser Marmor. Ganz besonders beeindruckt mich das gotische Portal mit den vielen verschiedenen Säulen und den Friesen mit Marmor-Intarsien. Einfach nur grossartig.

Am Fuss einer der Säulen liegt ein handtellergrosser Hund aus Marmor. Um ihn ranken sich viele Legenden. Wer ihm über den Rücken streichelt wird glücklich oder fruchtbar. Odr so. Und der Hund ganz speckig.

Ich steige in die Krypta hinunter, wo heute die Schatzkammer untergebracht ist. Gotische Kunstschmiedearbeiten aus Gold, Silber und Edelsteinen. Ein byzantinisches Reliquienkreuz enthält sogar originale Holzsplitter vom Kreuz Jesu. Daneben werden in einer Vitrine die Unterarme der heiligen Anne und vom heiligen Jakob ausgestellt. Würde mich aber nicht wundern, wenn anderenorts noch ein Dutzend weitere Anna- und Jakob-Arme präsentiert würden.

Diese Schale besteht aus einem einzigen schillernden Halbedelstein. Es soll sich um den Teller handeln, worauf man damals dem römischen Stadthalter den abgeschlagenen Kopf des heiligen Johannes präsentiert hat. Sein Kopf wird übrigens in Amiens aufbewahrt. Und sein rechter Unterarm in Istanbul. Ich sag's nur, sollte jemand von euch weitere Teile vom Heiligen Jaohannes anschauen wollen.
Die katholische Kirche beherrscht solche Inszenierungen schon immer meisterhaft - besser als jede Jahrmarkts-Geisterbahn.

An einer Seitenwand der Kathedrale entdecke ich diese Steintafel mit einem Arm drauf. Dieses Zeichen war im Mittelalter weit verbreitet und wurde auch von den Nicht-Lesern verstanden. Heute nicht mehr. Wir kennen aber noch den Ausdruck „öffentliche Hand“.

7. Dezember 2015

Ligurien: Sonnenfänger und Eckenpisser

Genova: Neben all den prunkvollen Palästen und gottesfürchtigen Kirchen* bietet Genua auch weniger spektakuläre Sehenswürdigkeiten. Zum Beispiel interessante Alltagsarchitektur.

Die "Mampæ" sind verkehrt herum montierte Fensterläden und sollen in den engen Gassen etwas Tageslicht in die Wohnräume reflektieren. Die Mampæ bestehen entweder aus Blech oder stoffbespannten Holzrahmen und sind auf der Oberseite hell gestrichen.
Früher brauchte es die überall, aber seit es elektrisches Licht gibt sind sie fast verschwunden.

Ähnliche Lichtfänger gibt es zum Bedispiel auch in der Luzerner Altstadt. Hier in Genua fand ich sie nur noch an der Piazza Soziglia und am alten Hafen.

Ein weiteres architektonisches Kleinod sind die Eckenpisser-Wehrsteine. Man sieht sie noch überall, mal rund, mal eckig; banal gemauert oder aus schmuckem Marmor. Durch ihre besondere Formgebung reflektieren sie den Strahl auf die Schuhe des Urinators. Ich hab‘s zwar nicht selber ausprobiert, aber die Theorie scheint mir mehr als einleuchtend.

*die Paläste und Kirchen mag ich nicht abbilden, da man sie in jedem Reiseberichtsehen kann. Odr so...