11. August 2015

Skandinavien: manche unterstellen mir eine gewisse Vorliebe für Oxydation …

Bis zur schwedischen Grenze ist es nicht mehr allzu weit. Norwegen wird immer flacher und nach etwa einer Stunde Fahrt sind wir da. Grad nach der Grenze biegen wir gleich rechts ab und holpern in den Wald hinein. Nach gut 15 Kilometer Kiesstrasse erreichen wir Båstnäs – sozusagen mein Ziel dieser Skandinavien-Rundreise. Hier stehen mitten im Nirgendwo einige Hundert Oldtimer herum.

Die Autos wurden ursprünglich hier zwischengelagert, um sie später nach Norwegen zu exportieren – öööhm - schmuggeln. Das war in den 1960-er Jahren ein lukratives Geschäft - bis Norwegen die Gesetze änderte und der Handel schlagartig zu Ende war. Seither dösen die Autos im Wald und warten auf - öööhm - Zukunft.

Unglaublich, wie brutal die Natur mit diesen Kulturschätzen umgeht. Das Grünzeug siedelt nicht nur auf den Karossen, nein, manches spriesst sogar im Interieur. Kriecht über die Armaturen und frisst die schönen Autos buchstäblich von innen auf. Oder erschlägt sie mit Astwerk.

Wir schlendern lange herum und schauen Autos. Und Lastwagen. Bis wir schweren Herzens den einzigartigen Platz verlassen und weiterfahren müssen. Zurück zur Hauptstrasse.
Etwas später biegen wir wieder auf eine dieser, von uns so geliebten, kleinen Nebenstrassen ab. Wieder geht’s in den Wald hinein. In den Waldlichtungen blühen bunte Blumen und auf den Tümpeln weisse Seerosen.

Grad jetzt sind die Heidelbeeren reif. Die Folge sind blaue Finger und blaue Zungen.
Wir übernachten an einem Waldsee. Ein traumhafter Platz direkt am Wasser (N59.4272 E12.5307). Die Wellen plätschern ans Ufer, die Birken rauschen und der Wind jagt weisse Wolken über den Himmel. Und nichts spräche gegen einen Elch…

10. August 2015

Skandinavien: ein Bauernhof voller müdes Fahr-Zeug

Hamar: Es ist ja nicht so, dass ich jeden Tag übers Wetter jammern will. Aber heute Morgen hängen die Wolken wieder wie feuchte Waschlappen vom Himmel. Es ist grau und kalt - und ungemütlich. Wir frühstücken erst einmal ausgiebig, während draussen der Wind am Möbelwagen rüttelt. Es regnet noch nicht, deshalb wagen wir einen kleinen Spaziergang zu den Ruinen der alten Domkirche. Das Gemäuer wird von einem grossen Glasdach geschützt. Es erinnert mich an ein Aquarium.

Seit mehr als 150 Jahren fährt der Schaufelrad-Dampfer „Skibladner“ auf dem See. Wir schauen beim Ablegen zu. Es gurgelt, schäumt und dampft, dann schaufelradelt er los wie ein Rennboot.
Wie in Gjøvik baute man auch hier in Hamar für die olympischen Winterspiele Lillehammer eine Sporthalle. Diese sieht aus wie ein – öööhm, ein gekentertes – Wikingerboot. Es beginnt zu regnen, also fahren wir weiter. Der Regen wird stärker und schon bald kübelt es regelrecht vom Himmel.

Schon bald lockt uns – also vor allem mich - ein Schild am Strassenrand ins kleine Dorf Stange. Hier mitten im Ackerland ist auf einem Bauernhof das „Norsk Motorhistorisk Museum“ (N60.71846, E11.20747) zuhause. Eine Sammlung von etwa 400 Fahrzeuge und Maschinen; vor allem Traktoren, aber auch Autos, Lastwagen, Baumaschinen, Standmotoren und vieles mehr. Fast alle Exponate sind im Originalzustand, mit Gebrauchsspuren und Patina. Manche verwechseln das mit Rost.

Der Chef empfängt uns persönlich und freut sich sehr über unseren Besuch. Und ich bin ganz begeistert von all den müden und kranken Gerätschaften. Ich kann mich kaum sattsehen. Herrlich.

Etwas versteckt zwischen den alten Traktoren entdecke ich auch noch einen Autotraktor. Einen wie wir neulich am Strassenrand gesehen haben. Es ist ein Ford Modell BB von 1932, der später in Schweden zum Traktor umgebaut wurde.

Wir übernachten in Sørumsand. Es ist immer noch mieses Wetter, aber der Regen hat nachgelassen. Gegen Abend bilden sich am Himmel immer mehr hellblaue Wolkenlöcher.

9. August 2015

vor 70 Jahren verstarb der Kunstfurzer Pujol

Heute ein Einschub zwischen unsere Skandinavien-Reiseberichte: Denn genau heute vor 70 Jahren verstarb in Toulon Joseph Pujol, genannt „le Pétomane“. Er war seinerzeit der berühmteste Kunstfurzer weltweit. Er furzte für Kaiser und Könige und begeisterte ein Millionenpublikum.

Pujol beherrschte die Kunst der Abwinde wie kein zweiter. Virtuos blies er die beliebten Schlager der Epoche und überraschte mit seinen ausdruckstarken Flatulenzen. So soll er aus mehr als einem Meter Entfernung eine brennende Kerze ausgeblasen haben. Nach nur fünfundzwanzig Schaffensjahren streikte sein Organ. Immer öfters entwichen dem Künstler Misstöne und etliche Vorführungen gingen buchstäblich in die Hose. Im September 1914 gab er seine Abschiedsaufführung und verstummte dann für immer.

Elton John ehrte den einzigartigen Kunstfurzer Joseph Pujol mit seinem Mega-Hit „Candle in the Wind“.

7. August 2015

Skandinavien: der Steinzeitler mag Elch

So, heute wollen wir ein Stück südwärts fahren, in Richtung Oslo und Schweden. Das Wetter ist bestens und die Landschaft reichhaltig vorhanden. Wir rollen durch lange Täler und hüglige Wälder. Immer wieder versprechen Schilder am Strassenrand Elche von rechts - aber nie kommt einer!

Gleich neben einer malerischen Stromschnelle haben die Steinzeit-Jäger ihre Zeichnungen in den blanken Felsen geritzt: Die Felszeichnungen „Helleristninger“ (N60.83697 E9.8393). Sie zeigen vor allem Elche und sind etwa 6‘000 Jahren alt. Die rote Farbe ist aber neueren Datums. Irgendwie finde ich es sehr nett, dass die Steinzeitler damals gleich neben der Strasse gezeichnet haben – das erspart uns heute einen mühsamen Anmarsch.

Mittagsrast am alten Bahnhof von Dokka. Auf dem Gleisfeld steht das Gras kniehoch, Züge fahren hier schon lange keine mehr. Aber aus einem Lokschuppen quillt Rauch. Ob da jemand eine Dampflok einheizt? Es ist dann aber bloss Staub, den einige Junge beim Putzen aufwirbeln. Schade.

Dann halt weiter. Wir holpern gemütlich auf ganz kleinen Nebenstrassen durch die Hügellandschaft. Vereinzelt stehen verlassene Bauernhöfe am Strassenrand; und Wald. Viel, viel Wald. Ideal für Elche!
In Gjøvik baute man für die olympischen Winterspiele Lillehammer eine grosse Sporthalle. Soweit nichts Besonderes, aber die die Halle ist komplett im Berg drinnen.

Von aussen sieht man bloss einen etwas unschönen Eingang aus Beton. Ein sehr grosser Korridor führt uns dann tief in den Untergrund bis zu einer grossen Eishockey-Halle. Heute ist sie gähnend leer. Nur zwei Kletterer hangeln sich die Kletterwand hinauf. Und einer beginnt mit den Vorbereitungen für ein Konzert am kommenden Wochenende.

Das Städtchen Gjøvik gefällt uns nicht sooo sehr, also fahren wir auf die andere Seeseite nach Hamar. Hier finden wir einen tollen Übernachtungsplatz direkt am Strand. Und gleich gegenüber vom Eisenbahnmuseum!

Das „Norsk Jernbane-Museum“ präsentiert - wenig überraschend - norwegische Eisenbahnen. Das Hauptgebäude ist eher bescheiden, aber das Freigelände ist spannend. Hier werden nämlich nicht Züge, sondern Bahnhöfe ausgestellt. Alte Bahnhöfe, Stellwerke, Barrieren. Dazu in zwei Remisen weiteres Rollmaterial und allerhand Fahr-Zeug. Wir schaue uns die grösste norwegische Dampflok an; und die erste elektrische Lok und das Schienenauto des Bahndirektors. Und vieles mehr.

Heute scheint die Sonne bis spät abends. Es ist warm. Ich trage kurze Hosen und Frau G. badet im See (N60.80162 E11.02623). Dann sitzen wir bei unsern Nachbarn aus Niederösterreich und plaudern bis spät in die Nacht.

6. August 2015

Skandinavien: ein Drachen auf dem Dach

Kaum sind wir losgefahren, reissen die Wolken auf und die Sonne scheint. Gut so, denn wir wollen noch eine dieser Stabkirchen anschauen. Borgund, Frau G. hat sich diese ganz besonders gewünscht. Und tatsächlich; es ist die interessanteste Kirche von allen bisherigen. Die vielen Dächer mit den Drachenfiguren erinnern an eine thailändische Pagode. Abers anders als in Asien, ist die Kirche komplett mit schwarzem Pech bestrichen, wohl als Feuchtigkeitsschutz. Trotzdem müssen die Schindeln immer wieder ersetzt werden.

Jetzt haben wir unseren nördlichsten Punkt erreicht. Wir lassen nun die Fjorde hinter uns und fahren hinauf auf den Fjell – die Hochebene im Innenland. Hier oben sieht es wie im Hochgebirge aus, wir sind aber bloss 800 Meter über dem Meeresspiegel. Die karge Landschaft ist fast baumlos, in Mulden und an Schattenhängen liegen noch einzelne Schneeresten. Soviel Schnee sei ungewöhnlich, erzählten uns Einheimische.

Es geht auf und ab und an malerischen Bergseen entlang. Vereinzelt sehen wir Alphütten und kommen an Ski-Gebiete im Sommerschlaf vorbei. Dann geht es nach und nach wieder abwärts. Die Täler werden fruchtbarer. Rote Bauernhöfe und kleine Dörfer säumen die Strasse.
Da und dort stehen Runensteine aus der Wikingerzeit, sie sind also etwa 1‘000 Jahre alt. Manche der Steine sind beschriftet, darum weiss man, wann und weswegen sie damals aufgestellt wurden. Andere sind mit Löwen und Blumen verziert, wie zum Beispiel der „Vang-Stein“.

Der „Eingangstein“ in Slidre steht mitten in einer Gruppe Hügelgräber aus dem frühen Mittelalter. Wegen dem Gestrüpp kann man sie aber kaum zu erkennen; und erst recht nicht fotografieren.
Dafür entdecke ich in der Nähe ein schöner Autotraktor. Den genauen Typ konnte ich leider nicht identifizieren, der Motor und der Tank könnte aber von Ford sein? In den Zylindern wächst Gras – vielleicht hilft das weiter?

Wir übernachten in Fagernes. Das Städtchen liegt an einem See und ist ein klassischer Ferienort. Ein paar Hotels und Gaststötten stehen an der Hauptstrasse, heute gut bevölkert. Früher fuhr sogar eine Bahn bis hier her; die „Valdresbanen“. Davon ist einzig das alte Bahnhofgebäude übriggeblieben. Und eine alte Rangierlok schläft auf einem kurzen Schienenstück nebenan.
Wir übernachten am Waldrand neben dem Fussballplatz.

5. August 2015

Skandinavien: Regen in Aurland

Aurland. Der Regen trommelt aufs Dach. Unter der Bettdecke ist es wohlig warm und es gibt wenig Grund aufzustehen. Irgendwann treibt uns dann der Hunger doch hinaus an die Frühstückskälte.
Für heute hatten wir ja sowieso einen faulen Tag geplant, darum stört uns das feuchte Wetter nicht. Auf der Suche nach Internet streifen wir durch Aurland. Das Dorf ist recht übersichtlich, einmal um die eigene Achse drehen, und man hat das Meiste gesehen. Und ein Wlan gibt’s auch.

Die heutige regenreiche Ereignislosigkeit hindert mich aber keineswegs am Schreiben. Ich erzähle einfach von den letzten Tagen.
Zum Beispiel von Bergen. Die Toiletten im Hauptbahnhof kann man nur mit einer Kreditkarte betreten. Kein Münze, keine Gewalt, nur mit Plastikgeld. Man muss die Kreditkarte an einem imposanten Automat durchziehen, dann spricht eine Computerstimme und wenn alles gut ist, leuchtet ein grünes Licht und die Klotür geht automatisch auf. Das Geschäft wird dann der Karte belastet, vermutlich leistungsabhängig und ganz detailliert aufgelistet?

Es regnet fast den ganzen Tag. Als wir am Schiffsanleger entlang spazieren, sehe ich, dass sich sogar einige Fische unter den Steg ins Trockene geflüchtet haben.
In manchen Fjorden sahen wir Aquakulturen, wo in grossen Netzen Fische gezüchtet werden. Vermutlich lebt auch unser nächster Weihnachts-Lachs hier?

Das Rathaus von Stavanger erinnert mich an jenes von Andorra. Nicht schön, aber gross. Und abweisend, als ob sich die Behörden vor ihren Bürgern verbarrikadierten.