10. Oktober 2014

Marokko: fast mehr als 100 Grad

Als wir am Vormittag über die Einkaufsmeile vom Merzouga flanieren, brennt die Sonne schon wieder gleissend hell vom Himmel. Es ist bestimmt schon wieder 30 Grad - im Schatten. Und solcher ist hier äusserst rar, da die Allee-Bäume noch kaum zwei Meter hoch und nahezu laubfrei sind.

Hier am grossen Boulevard gibt es einen Fleischer, einen Eierhändler, zwei Lebensmittelläden und drei Cafés. Wir setzen uns in den Schatten und schauen dem Alltag zu. Manchmal fährt einer mit dem Mofa vorbei, dann ist wieder längere Zeit Ruhe. Dann kommt ein Strohballen-Lastwagen, der Fahrer hockt sich in das Café gegenüber und schaut uns zu. Und wir ihm, mal sehen wer sich zuerst bewegt?

Hier tragen viele Männer die traditionelle Kleidung und den Schesch und fast alle Frauen sind verschleiert. Das war vor fünfzehn Jahren noch ganz anders. Eine eigenartige Entwicklung!

Am eher ruhigeren Ende des Stadtzentrums gibt es zwei Friseur-Salons. Ich wähle den auf der Schattenseite und lasse mir die Haare scheren. Nach mehr als einer Stunde Schneidarbeit habe ich eine geleckte Frisur und rieche nach Vanille.

In unserem Auberge „la Petit Prince“ sind wir immer noch die einzigen Gäste. Es ist heiss und wir dösen am Schatten. Zum Glück habe ich eine gute Internet-Verbindung. Zeitung lesen und so.

Am späten Nachmittag kommt Ali mit zwei Kamelen. Wir setzen uns auf seinen Tiere – praktischerweise hocken die sich dazu extra nieder – und reiten in die Sanddünen hinaus. Ali zufuss voraus, wir hoch oben auf dem Rücken der beiden Schwielensohler hinterher.

Nach zwei, drei Kilometern sind wir ganz allein mitten im Sandmeer. Natürlich weiss ich, dass der Erg Chebbi nur winzig klein und hinter den nächsten Dünen zu Ende ist. Aber es ist wunderschön – wie früher in Algerien oder Libyen.

Nach dem Sonnenuntergang wenden wir unsere Kamele und reiten in der Dämmerung zurück. Ich will die Frau G. mit der pantomimischen Darstellung eines Schmetterlings meinerseits beeindrucken. Und was sieht sie - einen Pavian!

9. Oktober 2014

Marokko: gelbe Dünen und glühende Flossen

Ein wunderschöner Morgen. Erst ruft der Muezzin, dann jault der junge Hund vom Nachbarn. Ich schlendere ein wenig durch den Palmgarten. Auberginen, Gurken, Chili wächst hier im Schatten der Palmen; und etwa ein Dutzend verschiedene Küchenkräuter. Das Wasser plätschert durch die Kanäle und die Honigbienen tun geschäftig.
Nach dem Frühstück zeigt mir der Camping-Chef seine solarbetrieben Grundwasserpumpe. Die fördert einen armdicken Wasserstrahl aus dem zehn Meter tiefen Brunnen. Kostenlos, sauber und leise, wie er extra hervorhebt.

Dann ist Zeit den Garten zu verlassen und weiterzufahren. Draussen ist es gleissend hell und schon ordentlich warm. Wir fahren nach Rissani und setzen uns in ein schattiges Strassencafé. Gegenüber in der Eisenwarenhandlung werden lange Stahlrohre per Velo ausgeliefert. Nebenan wartet der Friseur auf Kundschaft und in der Strassenmitte ist ein Graben, dem jeder ausweichen muss. Brandschwarz verhüllte Frauen(?) huschen vorbei. Wir trinken Milchkaffee und schauen dem Treiben zu.

Es ist heiss und wir sollten weiter. Ich habe der Frau G. für heute Sanddünen versprochen. Die Strasse läuft schnurgerade über eine graue Kiesebene. Dann sehen wir am Horizont die ersten gelben Sandberge.

Bei der ersten Gelegenheit fahre ich quer hinüber zu den Dünen. Der Sand ist hier noch eher gräulich, aber immerhin schon eine richtige Düne. Aber auch glutheiss und ich verbrennt mir prompt die Füsse. Als alter Wüstenfahrer lasse ich mir natürlich nichts anmerken, bin dann aber doch froh, als ich wieder in meine Sandalen schlüpfen kann.

Den Dünen des Erg Chebbi entlang fahren wir nach Süden. Ein Touri-Camp nach dem anderen lauert auf Gäste. Dann erreichen wir nach Merzouga. Ein staubiges Kleinstädtchen mit flachen Lehmhäusern und ein paar Souvenir-Läden. Jetzt in der Nebensaison und Mittagshitze ist es so gut wie ausgestorben.
Nach unserer abenteuerlichen und langen Wüstenfahrt, immerhin fast mehr als 50 Kilometer, lümmeln wir erst etwas im Dorf-Café herum. Dann fahren wir zum nahen Camping „Le Petit Prince“ (N31.097767, W4.006605) und machen Feierabend für heute.

Es ist heiss und hinter unserem Camping beginnen gleich die Sanddünen. Praktisch für ausgedörrte und angejahrte Sahara-Reisende wie uns. Neben einer Gruppe amerikanische Sprachstudenten sind wir die einzigen Touristen hier. Schattensitzen, teetrinken und plaudern mit dem Chef.

Gegen Abend schlendern wir hinaus in die Dünen. Das warme Abendlicht lässt den Sand goldgelb leuchten. Ein laues Windchen weht und die Sonne lässt sich hinter den Horizont fallen. Schön wie in so einem Schnulzenfilm.

8. Oktober 2014

Marokko: den Kopf voller Flausen und Datteln

Die Morgensonne sonnt vom himmelblauen Himmel. Herrlich schön. Schon bald erreichen wir die Schlucht des Ziz. Unsere Strasse klebt an den rostbraunen Felswänden, tief unten schlängelt sich der Fluss talwärts. Wegen dem nächtlichen Regen hat er heute sogar Wasser. Wo immer es etwas ebenen Boden hat, werden Dattelpalmen gesetzt. Ab und zu ein Dorf mit Häusern aus Lehm.

Am Nachmittag kommen wir nach Er-Rachidia. Das ist eine erstaunlich grosse Stadt, kilometerlang säumen Häuser die Strasse. Gegenüber der Markthalle essen wir eine Tajine, im speziellen Tontopf gegartes Gemüse an gelber Sauce. Schmeckt wunderbar.

Auch die Markthalle ist ein Augenschmaus. Zwar klein, aber mit vielen schön zurechtgemachten Läden. Da spürt man noch den Krämer-Stolz; die Oliven fein säuberlich aufeinander gestapelt und das Fleisch mit Kopf und Fuss präsentiert.

Nach Er-Rachidia ist die Landschaft erste einmal steinig und bretteben. Frau G. sieht die ersten Kamele und ich erwerbe einen versteinerten Trilobiten; bezahle ihn mit meinen ausgelatschten Sandalen.

Dann aufs Mal fällt die Landschaft senkrecht ab. Unter uns die Oasen des Ziz. Ein breites grünes Band aus Dattelpalmen windet sich dem Talboden entlang. Von unserer Klippe haben wir einen grandiosen Überblick.

Die Palmengärten werden über ein dichtes Netz von kleinen Kanälen bewässert. Wir schlendern durch die Urwaldlandschaft und schauen uns die traditionelle Bepflanzung auf den drei Ebenen an. Am Boden Gemüse oder Viehfutter, darüber Feigen- und Granatapfelbäume und über allem die Dattelpalmen. Aber keine Mandarinen oder Orangen! Die würden hier nicht wachsen, sagt der Bauer.
Auch die Dattel-Krankheit „Bayoud“ ist nach wie vor nicht ausgemerzt. Diese Pilzkrankheit vernichtet seit einigen Jahrzehnten die Palmen ganzer Landstriche.

Heute leisten wir uns einen Campingplatz, weil wir wieder einmal andere Reisende treffen wöllten. Der Camping „Hakkou“ in der Nähe von Aoufouss (N31.673337, W4.201264) liegt grad am Weg und so übernachten wir hier. Der Campingplatz ist ganz neu und deshalb noch etwas kahl. Aber im Palmgarten nebenan kann man wunderschön im Schatten sitzen, und der Besitzer ist sehr nett. Doch leider sind wir heute die einzigen Gäste…

7. Oktober 2014

Marokko: eine wüste Fleischwunde

Es ist trübneblig und regenfeucht. So wie Frau G. erzählt, gab es in der Nacht ein Gewitter. Ich aber habe geschlafen und von dem Donnerwetter nichts mitbekommen. Wäre ich ein Wachhund, dann wohl nur tagsüber.
Heute wird ein langer Fahrtag. Dass das Wetter heute schlecht ist kommt uns grad gelegen, denn wir fahren den ganzen Tag gegen Süden. Also genau gegen die Sonne und würde uns den ganzen Tag blenden und das Hirn kochen.

Mit jeder Stunde wird die Landschaft karger und die Dörfer seltener. Gegen Mittag kommen wir durch Outat-Oulad-El-Haj. Einem staubigen Städtchen ohne erkennbare Hübschheit, aber mit einem netten Strassen-Café voller Männer. Wir trinken Kaffee und erledigen nachher noch unseren online Schreibkram.
Dann geht’s weiter. Manchmal zwanzig Kilometer weit geradeaus. Das Grünzeug wir immer kümmerlicher und die Wüste langsam spürbar.

Die Gegend ist ja lieblich, aber der eigentliche Grund warum wir – also eigentlich ich - diese Route gewählt habe ist ein anderer. Ich sage mal so: Es geht dabei um Eisenbahn und -geschichte. Davon berichte ich dann aber ein andermal, odr so.

An der Tanke bei der Strassengabelung vor Midelt treffen wir eine Gruppe Belgier, die mit schicken Oldtimern unterwegs sind. Austin Healey, Lancia, alte Porsche und junge Frauen.

Unsere Strasse führt noch einmal über einen Pass. Hier oben auf gut 1‘900 Metern bläst ein kalter Wind. Und am Strassenrand steht eine Mutter mit ihrem Buben. Der Kleine hat eine eindrückliche Quetschwunde am Kopf. Wir verarzten die Beule so gut es geht und versüssen die Heilung mit einem Schoko-Riegel.

In der Nähe von Rich fahren wir von der Strasse ein wenig in die Fläche hinaus und finden da einen ganz ordentlichen Übernachtungsplatz. Es regnet einige Tropfen, dann scheint die Sonne.

Beim brünzeln sehe ich, dass auf dem steinharten Kiesboden winzig kleine Pflänzchen spriessen. Wovon leben die? Und was wird aus denen, wenn sie gross sind? Man weiss es nicht.

6. Oktober 2014

Marokko: Schafe im Einkaufs-Zentrum

Die Nacht war ruhig und der Sternenhimmel üppig bestückt. Als wir im nächsten Dorf am Polizeiposten vorbei fahren, winkt uns ein rundlicher Polizist lachend zu. Die Strasse windet sich weiterhin über und um die Hügel. Die Sonne blendet und der Asphalt saust unter unserem Auto durch.

Gegen Mittag kommen wir nach Taza. Ich muss unbedingt zum Bahnhof, denn in einer alten Halle soll ein ganz spezieller Zug eingelagert sein. Der Bahnhof ist da, die Halle auch. Aber leer! Oder ich habe die falsche Halle angeschaut? Jedenfalls ist der gesuchte Zug nicht da. Bloss eine alte Diesellok ohne Motor steht an der prallen Sonne.

Wir gehen im neuen Shopping Center einkaufen. Zwischen den Aktions-Kühlschränken und dem Handy-Shop werden Schafe angeboten. 48 Dirham kosten ein Kilo lebendes Schaf. Man feiert ja demnächst das islamische Opferfest. Dazu brauche man unbedingt ein Schaf, erzählt mir der Verkäufer. Und lebend könne man die ganz gut frischhalten.

Taza ist eine erstaunlich grosse und lebhafte Stadt. Wir fahren ins Zentrum, denn der Frau G. ihr Computer muss geflickt werden. Als das erledigt ist, setzen wir uns in ein Café gegenüber und trinken welchen. Auf der Strasse wuseln alle geschäftig umher. Es scheint den Leuten gut zu gehen.

Hinter Taza wird die Landschaft flacher. Wir brummen noch bis Guercif ostwärts, dann biegen wir nach Süden ab. Anfangs hat es noch Olivenbäume am Strassenrand, dann wird es immer karger. Nur ab und zu noch einige sonnengedörrte Häuser in der Ferne. Kiesige Hügel und staubtrockene Flusstäler.
Während wir rasten, beginnt nebenan in der Moschee der Muezzin mit seinem Gebetsruf. Zuerst knackt es fürchterlich und dann leiert die Muezzin-Tonbandkassette einen müden Singsang. Hört sich wie ein altes Kreidler Florett bergauf an.

Einst „befriedeten“ die Franzosen mit Gewalt und ihrer Fremdenlegion diesen Landstrich. Da und dort finden wir noch Ruinen aus dieser Zeit. Mächtige Festungen mit Zinnen und Schiessscharten. Nun seit vielen Jahrzehnten unnütz und am Zerbröseln.

Gegen Abend fahren wir einfach einige Kilometer in die Landschaft hinaus und finden einen netten Schlafplatz neben ein paar Bäumen. Gegenüber am Djebel Bou Naceur türmen sich brandschwarze Gewitterwolken auf. Wundert uns nicht, denn der Berg ist mehr als 3‘000 Meter hoch.
Später kommen noch einige Kinder vorbei und beschauen die bleichen Touristen. Wir machen Faxen und essen Kekse. Dann geht die Sonne unter und die Kinderschar nachhause.