7. Oktober 2014

Marokko: eine wüste Fleischwunde

Es ist trübneblig und regenfeucht. So wie Frau G. erzählt, gab es in der Nacht ein Gewitter. Ich aber habe geschlafen und von dem Donnerwetter nichts mitbekommen. Wäre ich ein Wachhund, dann wohl nur tagsüber.
Heute wird ein langer Fahrtag. Dass das Wetter heute schlecht ist kommt uns grad gelegen, denn wir fahren den ganzen Tag gegen Süden. Also genau gegen die Sonne und würde uns den ganzen Tag blenden und das Hirn kochen.

Mit jeder Stunde wird die Landschaft karger und die Dörfer seltener. Gegen Mittag kommen wir durch Outat-Oulad-El-Haj. Einem staubigen Städtchen ohne erkennbare Hübschheit, aber mit einem netten Strassen-Café voller Männer. Wir trinken Kaffee und erledigen nachher noch unseren online Schreibkram.
Dann geht’s weiter. Manchmal zwanzig Kilometer weit geradeaus. Das Grünzeug wir immer kümmerlicher und die Wüste langsam spürbar.

Die Gegend ist ja lieblich, aber der eigentliche Grund warum wir – also eigentlich ich - diese Route gewählt habe ist ein anderer. Ich sage mal so: Es geht dabei um Eisenbahn und -geschichte. Davon berichte ich dann aber ein andermal, odr so.

An der Tanke bei der Strassengabelung vor Midelt treffen wir eine Gruppe Belgier, die mit schicken Oldtimern unterwegs sind. Austin Healey, Lancia, alte Porsche und junge Frauen.

Unsere Strasse führt noch einmal über einen Pass. Hier oben auf gut 1‘900 Metern bläst ein kalter Wind. Und am Strassenrand steht eine Mutter mit ihrem Buben. Der Kleine hat eine eindrückliche Quetschwunde am Kopf. Wir verarzten die Beule so gut es geht und versüssen die Heilung mit einem Schoko-Riegel.

In der Nähe von Rich fahren wir von der Strasse ein wenig in die Fläche hinaus und finden da einen ganz ordentlichen Übernachtungsplatz. Es regnet einige Tropfen, dann scheint die Sonne.

Beim brünzeln sehe ich, dass auf dem steinharten Kiesboden winzig kleine Pflänzchen spriessen. Wovon leben die? Und was wird aus denen, wenn sie gross sind? Man weiss es nicht.

6. Oktober 2014

Marokko: Schafe im Einkaufs-Zentrum

Die Nacht war ruhig und der Sternenhimmel üppig bestückt. Als wir im nächsten Dorf am Polizeiposten vorbei fahren, winkt uns ein rundlicher Polizist lachend zu. Die Strasse windet sich weiterhin über und um die Hügel. Die Sonne blendet und der Asphalt saust unter unserem Auto durch.

Gegen Mittag kommen wir nach Taza. Ich muss unbedingt zum Bahnhof, denn in einer alten Halle soll ein ganz spezieller Zug eingelagert sein. Der Bahnhof ist da, die Halle auch. Aber leer! Oder ich habe die falsche Halle angeschaut? Jedenfalls ist der gesuchte Zug nicht da. Bloss eine alte Diesellok ohne Motor steht an der prallen Sonne.

Wir gehen im neuen Shopping Center einkaufen. Zwischen den Aktions-Kühlschränken und dem Handy-Shop werden Schafe angeboten. 48 Dirham kosten ein Kilo lebendes Schaf. Man feiert ja demnächst das islamische Opferfest. Dazu brauche man unbedingt ein Schaf, erzählt mir der Verkäufer. Und lebend könne man die ganz gut frischhalten.

Taza ist eine erstaunlich grosse und lebhafte Stadt. Wir fahren ins Zentrum, denn der Frau G. ihr Computer muss geflickt werden. Als das erledigt ist, setzen wir uns in ein Café gegenüber und trinken welchen. Auf der Strasse wuseln alle geschäftig umher. Es scheint den Leuten gut zu gehen.

Hinter Taza wird die Landschaft flacher. Wir brummen noch bis Guercif ostwärts, dann biegen wir nach Süden ab. Anfangs hat es noch Olivenbäume am Strassenrand, dann wird es immer karger. Nur ab und zu noch einige sonnengedörrte Häuser in der Ferne. Kiesige Hügel und staubtrockene Flusstäler.
Während wir rasten, beginnt nebenan in der Moschee der Muezzin mit seinem Gebetsruf. Zuerst knackt es fürchterlich und dann leiert die Muezzin-Tonbandkassette einen müden Singsang. Hört sich wie ein altes Kreidler Florett bergauf an.

Einst „befriedeten“ die Franzosen mit Gewalt und ihrer Fremdenlegion diesen Landstrich. Da und dort finden wir noch Ruinen aus dieser Zeit. Mächtige Festungen mit Zinnen und Schiessscharten. Nun seit vielen Jahrzehnten unnütz und am Zerbröseln.

Gegen Abend fahren wir einfach einige Kilometer in die Landschaft hinaus und finden einen netten Schlafplatz neben ein paar Bäumen. Gegenüber am Djebel Bou Naceur türmen sich brandschwarze Gewitterwolken auf. Wundert uns nicht, denn der Berg ist mehr als 3‘000 Meter hoch.
Später kommen noch einige Kinder vorbei und beschauen die bleichen Touristen. Wir machen Faxen und essen Kekse. Dann geht die Sonne unter und die Kinderschar nachhause.

5. Oktober 2014

Marokko: elektrische Palme

Die meisten Leute beachten sie gar nicht, diese etwas steife Palme mitten im Stadtpark.

Diese geheimnissvolle Palme ist aus Beton und Blech - und ist eine Handy-Antenne.

4. Oktober 2014

Marokko: Achterbahn in die Einsamkeit

Die Nacht war unruhig. Wobei – ich habe geschlafen. Aber Frau G. berichtet nicht nur vom Strassenlärm und Hundegekläffe, sondern auch davon, dass die halbe Nacht Haschisch-Händlern um uns herum schlichen. Und sie kein Auga habe zu tun können. Wie dem auch sei; nach einer heissen Dusche und einem heissen Kaffee verlassen wir zeitig unseren Schlafplatz.
Nach dem Bergpass geht die Strasse nicht etwa bergab, sondern der Krete entlang. Immer so auf 1‘600 Meter Höhe. Zedernwälder und Millionen von Kurven. Vereinzelt stehen noch Haschisch-Winker am Strassenrand, aber das Ärgste scheint vorüber zu sein.

Gegen Mittag erreichen wir Ain-Aisha. Die Berge und die Wälder sind nun hinter uns. Die Hügel sind jetzt sonnenverbrannt und gelbbraun wie Omeletten. Wir fahren auf einer kleinen Nebenstrasse quer hinüber in Richtung Taza. Obwohl unsere Strasse auf der Landkarte bloss ein dünner grauer Strich ist, ist sie doch asphaltiert. Zumindest mehrheitlich.

Kaum Häuser und so gut wie kein Verkehr. An einer Weggabelung setzen wir uns in ein Strassenlokal und geniessen den kühlen Schatten und den süssen Tee. Die Dorfstrasse ist wie ausgestorben, wohl grad Siesta.

Ich dachte die Hügel würden nun flacher, aber das Gegenteil ist der Fall. Es geht hinauf und hinab und hinauf. Wie auf einer Achterbahn. Dann aufs Mal eine ruppige Geröllpiste steil hinunter und über ein Bachbett ans andere Ufer. Nach wenigen Kilometern noch einmal ein Flusstal. Wieder eine lange steinige Abfahrt und dann einige hundert Meter übers Geröll ans andere Ufer.

Die Gegend ist so schön, dass wir beschliessen gleich hier zu übernachten (N34.4337, W4.4345). Im Schatten unseres Möbelwagens lässt sich gut lesen. Ein lauer Wind und manchmal etwas Vogelgezwitscher. In der Ferne schreit ein Esel. Sonst nichts. Schön hier.

Wie aus dem Nichts taucht ein Mann auf und schenkt uns Granatäpfel Trauben und Erdnüsse. Er hat ganz in der Nähe einen Garten, den wir erst sehen, als er uns zeigt wo. Wir dachten es sei ein Gestrüpp.

Es war schon lange dunkel, als die Polizei vorfuhr. Ein rundlicher Beamter sorgte sich um unsere Sicherheit hier draussen in der Wildnis. Deshalb notierte er alle Angaben aus unseren Pässen, ergänzte sie mit den Namen unserer Eltern und Grosseltern und einigen weiteren markanten Vorkommnisse unseres Daseins. Dann versprach er, er garantiere persönlich für unsere Sicherheit und verschwand dann munter winkend in der Dunkelheit.

3. Oktober 2014

Marokko: über die Haschisch-Berge

Über uns ein Regenbogen, welch eine nette Begrüssung. Hinter dem nächsten Hügel liegt Ceuta, eine der spanischen Enklaven in Marokko. Eine imposante Mauer hält die afrikanischen Flüchtlinge auf Distanz.
Wir fahren dem Meer entlang nach Martil und weiter bis nach Tetouane. Hier kaufen wir im „Marjane“-Einkaufsparadies Proviant ein. Und für jeden unserer Computer einen Internet-Stick. Die Strasse schlängelt sich durch die Hügel. Zedernwälder und kleine Dörfer.

Irgendwann erreichen wir Chefchaouen, das für seine blauen Häuser bekannt ist. Das Städtchen ist wesentlich grösser, als ich dachte. Und sehr hügelig und betriebsam.

Winklige Gassen, mal steil bergan, dann wieder treppab, gesäumt von Krämerläden. Alle Hauswände sind blau angemalt, in den Innenhöfen auch der Boden. Wir schlendern durch himmelblaue Gassen und schauen die feilgebotenen Waren an. Hochzeitkleider, Fladenbrote, geschnitzte Kommoden.

Am Hauptplatz gibt es einige Strassenkaffees. Wir setzen uns in den Schatten eines Baumes und bestellen ein Kefta-Brot und eine Limonade. Die Leute sind sehr freundlich. Uns gefällt es hier.

Gegen Abend fahren wir auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz etwas weiter. Da und dort winken Männer am Strassenrand und rufen «Haschisch». In den Rif-Bergen nichts Besonderes, man liest ja immer davon.
Wir finden bald einen recht schönen Übernachtungsplatz abseits der Strasse. Etwas später kommt ein Anwohner vorbei und erzählt uns, dies sei jede Nacht der Besäufnis-Platz der lokalen Jungmänner. Wir sollen uns doch lieber irgendwo im Dorf hinstellen.

Also fahren wir weiter. Immer mehr Haschisch-Männer winken uns zu. Und dann überholen uns auch Autos und die Beifahrer preisen ihre faustgrossen Haschisch-Knollen an. Andere fahren hinter uns her und lichthupen wie blöd. Als wir dann einen Konvoi von drei Haschisch-Autos anführen, wird es mir zu bunt. Ich halte an und bespreche die Sache mit den Händlern. Einer kapierte es nicht – und ich fotografiere ihn. Nun wird der fuchsteufelswild und schimpft wie ein Barbar. Wir fahren weiter und halten erst wieder bei einem Kaffee auf einem Bergpass an.
Kaum sitzen wir, steht unser Kifferfreund auch schon neben uns. Er wirkt eher etwas unzufrieden. Wir einigen uns dann darauf, dass ich das Foto von ihm lösche und er uns dafür jetzt in Ruhe lässt. Er ist seeehr erleichtert. Und ich bin froh, dass er in der Nacht nicht unser Auto vandalisiert.
Als wir unser Milchkaffee leer haben, ist es bereits stockfinster. Neben unserem Möbelwagen enttäusche ich noch gschwind einen letzten Haschisch-Fachhändler. Feierabend für heute.

Übrigens: Wer schon heute wissen will was morgen ist, kann bei Frau G. lesen, denn sie schreibt schneller und ist mir einen Tage voraus ...