26. Mai 2014

Weissrussland: ein psychedelisches Wisent

Die Morgensonne wirft psychedelische Lichtstreifen auf die eh schon gestreifte Wand. Zum Frühstück bestellen wir Spiegeleier mit Wurst und Kaffee, etwas anderes geben unsere Sprachkenntnisse noch nicht her. Schmeckt ausgezeichnet.

Wie dem auch sei, wir befreien unser Auto aus dem Hinterhofgefängnis und fahren früh los. Jetzt wo wir schon mal in der Gegend sind, machen wir gleich einen Abstecher nach Mir. Denn auch da gibt es ein weltbekanntes Schloss.

Und tatsächlich, wie im Märchen steht es am Ufer eines Teiches. Im Schilf hocken Fischer und fischen, im Geäst zwitschern Vögel. Der kühle Wind jagt Wolken über den Himmel. Und gefällts.

Hierher fuhren auf einer ganz kleinen Nebenstrasse, mitten durch ein altertümliches Dorf. Holzhäuser in allen möglichen Farben. Aber ausser einigen Hühnern sehen wir keine andere Lebewesen. Wo sind die Leute hin?

Nun aber nehmen wir die Autobahn. Sie ist perfekt ausgestattet und es hat kaum Verkehr, ein richtiges Autoparadies.

Auf einem Hoger neben der Autobahn steht ein gigantischer Wisent. Er ist das Wappentier der hiesigen Region, dessen Name ich weder lesen noch schreiben kann. Ich schaue mir das Getier aus der Nähe an und bin - ääähm - beeindruckt. Wisente hab ich mir irgendwie weniger flach vorgestellt. Mehr so rundlich, odr so.

24. Mai 2014

Weissrussland: rosarotes Rätsel

Neulich im Hotel. An der Wand hängt so ein Ding, ohne erkennbare Funktion. Zwar ist es am Strom angeschlossen, hat aber keinen Ein- oder Ausschalter!

Ich vermute, das ist so eine Abhörwanze. Aber wieso ist sie rosarot? Rätselhaft.

23. Mai 2014

Weissrussland: Wald und Wald und Russen-Pop

Borisov. Die Morgensonne prahlt vom blauen Himmel. Heute haben wir Grosses vor. Wir wollen quer durchs Land fahren um uns den Westen Weissrusslands etwas näher anschauen.
Zuerst geht’s aber ein Stück nach Süden. Sehr viel Landschaft. Dann und wann ein karges Bauerndorf mit diesen bunten Holzhäusern. Dann wieder Tümpel, vor allem aber kilometerlange Raps- und Weizenfelder. Komisch nur, dass wir kaum Bauernhöfe sehen - wohl alles Kolchosen nach Sowjet-Vorbild.

Hier unten sollte irgendwo der geografische "Mittelpunkt Weissrusslands" sein. Der liegt ausgerechnet in einem abgelegenen Waldstück, zu dem nur ein Matschpfad hinführt. Das ist uns dann aber doch zu blöd und so fahren wir halt weiter. Stellvertretend habe ich ein Foto eines Bus-Häuschens gemacht, odr so.

Später führt unsere Strasse schnurgerade durch grosse Wälder. Oft viele Dutzend Kilometer lang nur Wald, dann eine Lichtung und dann wieder Wald, und Wald. Warnschilder versprechen einen springenden Hirsch von rechts – kommt aber keiner. Wir rollen dahin. Aus dem Autoradio plärrt Belarus-Pop. Wolken türmen sich himmelhoch, unglaublich schön.

Njaswisch soll wunderschön sein, habe ich gestern irgendwo gelesen. Also fahren wir hin. Das Städtchen ist nichts Besonderes, aber auf einer Insel im Teich steht ein prächtiges Wasserschloss aus dem 16. Jahrhundert. Leider ist es arg überrestauriert und gleicht eher einem Neubau. Oder einer Filmkulisse. Aber schön hier.
In einem gemütlichen Gartenrestaurant unter den Linden bieten sie Bratwurst an. In der bebilderten Speisekarte sieht die toll aus, in Wirklichkeit eher gräulich. Sie ist mehr gesotten als gebraten, aber mit Kümmel und Senfsamen gewürzt und schmeckt tadellos. Bloss ausschauen tut sie halt übel. Am Nebentisch sitzen Eishockey-Fans aus Lettland. Die ersten Touristen, die wir sehen.

Eigentlich möchten wir hier in Njaswisch übernachten. Es gibt zwei Hotels. Das eine sieht aus wie eine abgehalfterte Kaserne, andere wird grad umgebaut. Ein paar Kilometer weiter finden wir dann das Hotel „Magistral“. Es liegt direkt an der Autobahn und kostet 25 Euro, quittungsfrei. Unser Zimmer ist grau-gelb diagonal gestreift und tadellos. Und es gibt funktionierendes WiFi.

Als wir vom Feierabend-Nickerchen erwachen ist es bereits Nacht. Wir setzen uns nebeneinander aufs Bett und essen den mitgebrachten russischen Salat. Uns ist pudelwohl.

22. Mai 2014

Weissrussland: die Klodeckel-Mütze sagt nein!

Borisov. Wies scheint liegt das alte Borisov am östlichen Ufer der Berezina. Jedenfalls sind da eine grosse orthodoxe Kirche, ein grosser Markt und viele buntangemalte Häuser aus dem 19. Jahrhundert. Schaut aus wie in Weissrussland.

Wir schlendern zwischen den Marktständen umher und beschauen die feilgebotenen Waren. Kartoffeln, Spielsachen, Schnaps, Gartenwerkzeug, Unterwäsche – einfach alles. Ich möchte eine Bratwurst, gibt es aber hier keine.

Es beginnt wieder zu regnen. Unsere Reisegruppe beschliesst in einem Shoppingcenter Schutz zu suchen. Ein riesiger Einkaufspalast. Die langen Regale platzen fast vor lauter Waren. Ich kaufe mir eine Wurst im Teig – besser als nichts.

Während Frau G. sich im Hotel entspannt, schlendere ich zum Bahnhof, Züge gucken. Es ist viel Eisenbahnverkehr und ich mache schöne Fotos von den exotischen Zügen. Auf einem Abstellgeleis fotografiere ich einen Bau-Zug mit einer M62. Und dann fährt ein neuer Stadler Flirt aus Schweizer Produktion ein. Und dann ein Fernzug nach Moskau. Und dann - kommt ein Uniformierter mit einer klodeckelgrossen Mütze und einem ernsten Gesicht. Pantomimisch erklärt er mir, dass es verboten sei Züge zu fotografieren; und ich nun die Bilder löschen müsse. Was ich natürlich verstehe, da könnte ja jeder kommen und ...

Als wir am Abend am Bahnhof vorbei fahren, fotografiere ich aus Trotz einen Güterzug mit Militärfahrzeugen drauf. Ha – das hat er nun davon, der Mützenmann. Ich hab sein Geheimnis gelüftet; die Armee fährt mit dem Zug.

21. Mai 2014

Weissrussland: Schicksal an der Beresina

Borisov. Die Nächte hier im Norden sind recht kurz, am Morgen ist jedenfalls immer schon taghell. Wie das hier im Hotel mit dem Frühstück geht, wissen wir nicht. Vermutlich hat man uns das gesagt, aber wir verstehen dieses Weissrussen so schlecht.

Wir erahnen aber, was die Kellnerin fragt und ich antworte: ääähm - zwei Kaffee und etwas zu futtern. Sie nickt und kurze Zeit später bekommen wir Spiegeleier mit Speck und Dill. Dazu einige Käsebrote und Kaffee. Perfekt. Fremdsprachenkenntnisse werden vielleicht doch überbewertet.

Das Wetter bessert sich allmählich und so fahren wir quer durch die Stadt zum nagelneuen Fussballstadion. Das liegt wie eine silberne Blase mitten im Wald. Geplant von slowenischen Architekturbüro OFIS, 13'000 Sitzplätze und sehr interessant anzuschauen.

Der Grund, warum wir ausgerechnet in Borisov halt machten – ihr ahnt es – ist ein anderer, nämlich die Beresina. Dieser Fluss spielt in der Schweizer Geschichte eine tragische Rolle.
Nur kurz die Geschichte dazu: Um 1800 herum war die Schweiz von Frankreich besetzt. Für Napoleons Russlandfeldzug musste sie deshalb Soldaten liefern. Die Grande Armée kämpfte sich dann quer durch Europa bis nach Moskau. Dort gewannen aber dummerweise die Russen die Oberhand und Napoleons Armee musste flüchten. Ende November 1812 erreichte sie die Beresina. Die Schweizer Regimente deckten hier den Rückzug der französischen Armee. Fast keiner von ihnen hat das überlebt. Am Ende kamen nur etwa 400 von den ursprünglich 8‘000 Soldaten zurück in die Heimat.

Heute erinnern verschiedene Denkmäler an die Toten von damals. Zuerst besuchen wir einige am westlichen Ufer. Viel Granit und Inschriften.
Wir fahren weiter nach Norden. Strassendörfer mit bunten Häusern, ab und zu eine Kirche. Dann über die Beresina hinüber zu einem weiteren Denkmal.

Die Beresina ist noch ein völlig naturbelassener Fluss. Zahllose Flussarme schlängeln sich durch das flache Tal. Schilf und Sandbänke, Frösche und Fischer. Ein richtiges Paradies.