24. September 2013

BahnOsten Rumänien: Eiscreme, Revolution und 0 Kilometer

Bukarest. Unser Hotel ist ein preiswertes und dementsprechend ist auch das Zmorgen; Anstaltskost. Darum fahren wir in die Stadt und trinken in einem Strassencafé einen feinen Kaffee. Heute ist wunderbares Wetter, sommerlich warm und dazu ein frischer Wind. Herrlichst.

Bukarest ist eine grosse Stadt, und eine schöne. Wir schlendern durch die Altstadt, also jenen Teil, der das Erdbeben und die kommunistische Städteplanung heil überstanden hat. Schöne Stadthäuser aus dem letzten und vorletzten Jahrhundert.

Auf dem Platz der Revolution steht ein Revolutions-Denkmal. Es soll an den Volksaufstand im Dezember 1989 erinnern. Und gleich dahinter, auf dem Balkon des heutigen Senats-Gebäudes, hielt Ceaușescu damals seine legendäre Ansprache zum Volk. Das ihn ausbuhte und als Diktator beschimpfte. Eine Woche später war Rumänien frei und der Diktator gebodigt.

Ganz in der Nähe steht die St. Cyprian Kirche. Hier wir seine rechte Hand als Reliquie verehrt. Schon wieder! Wir bewundern das braunhölzerne Teil, wobei sich meine Begeisterung in Grenzen hält.

Dafür beeindruckt uns die "Passage Macca-Villacrosse". Diese zwei Gassen sind mit gelbem Glas überdacht und beherbergen etwa ein Dutzend Cafés, wo die Leute Wasserpfeife rauchen und Karten spielen. Wir schlürfen ein Eiskaffee und geniessen die orientalische Atmosphäre. Schön hier. Und auch die Gegend rundherum.

Im Park vor der Sfântul Gheorghe Kirche überrascht mich Frau G. mit dem „Kilometrul 0“, dem Ausgangspunkt der rumänischen Vermessung. Dankeschön.

Auf dem Nachhauseweg setzen wir uns im Cișmigiu-Park an den Weiher und trinken Traubenmost. Junge Pärchen ruderbooten übers Wasser und lutschen einander im Gesicht. Eine tote Ente dümpelt rhythmisch in den Wellen.
Nebenan ist eine Veranstaltung. Ich erhoffe mir eine Bratwurst, es findet aber bloss die Prämierung der hübschesten Fahrrad-Fahrerinnen statt. Hilft mir jetzt auch nichts, also fahren wir ins Hotel zurück und ruhen uns aus. Ein wunderschöner Tag geht zu Ende.
Und morgen fahren wir wieder Bahn - ich verspreche es.

23. September 2013

BahnOsten Rumänien: vom Regen aufs Dach des Diktators

Galati. Es regnet wieder. Und wie; es seicht wie aus Kübeln. Wir futtern uns derweilen durch das Frühstücks-Buffet. Es gibt von allem - und fünf Sorten Wurst. So gestärkt lassen wir uns vom Taxi zum Bahnhof bringen. Der ist recht neu und es herrscht ein reges Kommen und Gehen. Und kurz darauf kommt auch unser Zug; eine Diesellok mit vier Doppelstockwagen.

Neulich wurde ich von der rumänischen Bahn über eine Reservations-Änderung informiert. Jetzt ist mir auch klar, warum? Doppelstockwagen satt normaler. So sitzen wir nun also fast vier Stunden in einen Pendlerzug. Einem pflatschvollen Pendlerzug! Pünktlich um 9:25 legen wir ab.

Nach und nach bessert sich das Wetter. Mächtige Wolken türmen sich am Himmel und die Stoppelfelder leuchten fahl in der Sonne. Richtig schön. Der Zug rauscht pfeilgerade über die topfebene Landschaft. Einige Minuten zu früh erreichen wir unser Ziel, den Bahnhof „Bucureşti de Nord“. Unser Hotel „Andy“ liegt praktischerweise gleich nebenan.

Bukarest wird gerne „das Paris des Ostens“ genannt. Das wollen wir uns mal aus der Nähe anschauen, kaufen einen Stadtplan  und fahren mit der der „Metrou 1“ ins Stadtzentrum. An der Piața Unirii steigen wir aus, rolltreppen ans Tageslicht und schauen einmal rundum. In der Ferne sehen wir schon den einstigen "Palast des Volkes", ein Überbleibsel des furchtbaren Ceaușescu-Regimes.

Der Palast wurde in den 1980-er Jahren gebaut; geplant von der jungen Architektin Anca Petrescu. Masslos, neoklassizistisch und unglaublich gross. Für den Palast wurden ein beträchtlicher Teil der Altstadt abgerissen, stattdessen entstanden da breite Boulevards, grosse Plätze und noble Stadthäuser.

Heute sind im Palast zwei Museen, ein Konferenzzentrum und zahlreiche internationale Organisationen und das Parlament untergebracht. Wir besuchen das Kunstmuseum, also eigentlich vor allem die  Dachterrasse der Cafeteria.

Wer hätte früher mal gedacht, dass wir einmal oben auf Ceaușescu-Palast sitzen und in die Wolken schauen. Er selber konnte das übrigens nie tun, noch bevor der Palast fertig war, war es sein Leben auch; Loch im Kopf.

IR 1670 Galaţi–Bukarest, 3:53 h, 230 km, 2.Klasse, ca. 10.00 Euro

22. September 2013

BahnOsten Moldawien: wurstlos glücklich

In jedem Land, das ich bereise, esse ich eine einheimische Bratwurst. So wollte ich das auch in Moldawien tun. Bloss – da gibt es gar keine Bratwürste! Salami ja, Wurstsalat auch, aber keine Bratwurst. Problem, was tun?

In meiner Not behalf ich mich mit einem „Hot Dog“ – Hauptsache Wurst. In einer Teigtülle verbarg sich dann aber ein darmloses „Etwas“. Zwar fleischfarbig, aber geschmackreduziert und von sehr eigenwilliger Konsistenz. Woraus sowas wohl hergestellt wird - bestimmt aus etwas Asserirdischem?
Gegessen habe ich es selbstverständlich trotzdem und mit Leidenschaft. Für die Wissenschaft - für euch…

21. September 2013

BahnOsten Moldawien: pfützenhüpfen durch ein unbekanntes Land

Der Tag beginnt so wie der gestrige endete; Chişinău im Regen. Wir schlafen lange und heimsuchen dann den Frühstücksraum. Heute sind zwei Aufseherinnen da. Beide in weissen Ärmelschürzen, wie in den alten Filmen die Irrenhaus-Wärterinnen.
Heute stehen die beiden Schüsseln mit den Omeletten anders als sonst; heute die mit Kartoffelfüllung rechst, Käsefüllung links. Die Aufseherinnen informieren daher jeden ankommenden Gast persönlich über die Veränderung - einfach die Schüsseln andersherum hinzustellen wäre vielleicht einfacher gewesen!
Wir nehmen ein Taxi zum Busbahnhof „Autogara de Sud“. Es schüttet wie aus Eimern und über die Strasse fliessen richtige Bäche. Am Busbahnhof ist trotz des miesen Wetters viel Betrieb. Zum Glück ist der Busbahnhof überdacht. Wobei – das Dach ist stark inkontinent, aber wir finden trotzdem noch ein trockenes Pfützchen.

Wir fahren heute mit dem Bus, weil der Zug mitten in der Nacht fährt, und wir wollen doch etwas sehen von Moldawien. Pünktlich um 11:30 fährt unser Bus, ein betagter Neoplan aus Deutschland, los. Es geht Richtung Süden.
Nach einer Stunde hört der Regen auf und schon bald scheint zaghaft die Sonne. Im Bus wird es warm. Frau G. beklagt sich über Hitzewallungen ihrerseits. Um halb zwei machen wir in Leova eine kurze Rast. Ich suche das WC, rieche es lange bevor ich es sehe.

Das Wetter wird immer besser, dafür zeigen sich die Spuren der heftigen Regenfälle der letzten Tage. Schlamm und viele hundert Meter lange Pfützen. Manche Nebenstrassen sind völlig zerstört und viele Häuser überflutet. Oft geht’s nur im Schritttempo voran. An einer Stelle ist auch das Bahngleis unterspült und ein Zug sitzt fest. War der Bus doch die richtige Wahl!

Die Landschaft ist hübsch; etwa so wie in Südfrankreich. Hügel mit Reben, Obstbäume, Sonnenblumenfelder. Lange Nussbaum-Alleen. Ab und zu ein Dorf. Richtig schön hier.

Mit einer halben Stunde Verspätung erreichen wir um halb fünf die Grenze im südlichsten Zipfel Moldawiens. Die Ausreiseprozedur geht zügig und ohne nennenswerte Kontrolle vonstatten.

Auf der anderen Seite des Flusses findet die Einreise nach Rumänien und die EU statt. Eine lange Kolonne verheisst nichts Gutes. Und so ist es dann auch; anstehen und warten. Die eigentliche Kontrolle geht dann aber zügig und problemlos. Nach Galati sind es dann nur noch ein paar Kilometer.

Gegen halb sieben sind wir in unserem Hotel. Vom Balkon sehen wir die Donau und am gegenüberliegenden Ufer einen wunderschönen Regenbogen.

Bus „Moldova“ Chişinău–Galaţi, 6:00 h (6:45 h), 230 km, ca. 7.10 Euro

20. September 2013

BahnOsten Moldawien: eine anregnende Stadt

Es regnet in Chisinau. Das heisst ausschlafen bis sieben, und dann ausgiebig frühstücken. Unser Frühstücksraum erinnert an eine Land-Disco in den 80-er Jahren. Grüne Wände, ehemals goldfarbene Vorhänge und bunte Lampen. Die Vorhänge zu und die Lampen aus, so dass wir im halbdunkeln speisen. Am Eingang wacht eine ältere Frau mit einer Ärmelschürze, dass sich kein unberechtigter Mitesser einschleicht.

Gegen Mittag lässt der Regen nach und wir wagen einen Stadtbummel. Immer dem Bulevardul Ștefan cel Mare entlang, der Flaniermeile und Prachtstrasse der Stadt. Unzählige Wechselstuben und Handyläden säumen die Strasse. Überhaupt hat es hier enorm viele Läden. Und Leute auf der Strasse. Alle eilen geschäftig herum und telefonieren pausenlos.

Wurstmässig ist in Moldawien nichts los. Bis jetzt ist es mir jedenfalls nicht gelungen, eine Bratwurst zu erwerben. Darum setzten wir uns in ein Restaurant „Nistru“ und ich bestelle mir einen Wurstsalat mit Begleitgrün.

In einem kleinen Park ist täglich Kunstmarkt. Künstler bieten hier ihre Werke an. Einiges ist ganz nett, das meiste aber „röhrender Hirsch in Waldlichtung“ oder "Blumen-Stilleben".

Entlang der Strasse befinden sich auch die meisten der Sehenswürdigkeiten. Meist Paläste im sowjetischen Zuckerbäckerstil. Am grossen Platz der mächtige Regierungspalast aus Chruschtschow-Beton. Und gegenüber der Triumphbogen zu Ehren der Helden der Sowjetunion. Ich bin – öööhm – sprachlos.

Manchmal kommt jetzt sogar kurz etwas Sonne durch die Wolkendecke. Sieht alles doch gleich etwas freundlicher aus. Sowieso; uns gefällt Chişinău sehr gut. Lebhaft und gemütlich hier.

Dann treiben uns die nächsten Regenwolken nachhause. Mir tut der rechte Hinterlauf weh. Und morgen geht’s weiter.

19. September 2013

BahnOsten Transnistrien: unser Ausflug nach Bender 1

Mit dem Oberleitungsbus Nr. 19 fahren wir über Land in die Nachbarstadt Bender. Die ist etwa elf Kilometer entfernt und liegt ennet dem Grenzfluss Dnjestr. Russische Friedenstruppen haben hier an der Brücke einen Kontrollposten eingerichtet und sorgen hier für Ruhe.

Vor dem Sheriff-Supermarkt steigen wir aus. Die umliegenden Häuser machen einen etwas abgelebten Eindruck, aber hier ist viel mehr los, als in Tiraspol drüben. Emsiges Treiben.
Ich möchte zum Bahnhof „Bender 1“, denn dort soll es ein Eisenbahnmuseum geben. Also schlendern wir die Lenin-Strasse hinab. Inzwischen ist es richtig heiss; ein Eis-Lutscher bringt nur kurzfristig Linderung.

Die Lenin-Strasse ist bestimmt einen Kilometer lang, wird aber gegen den Bahnhof hin immer einsamer. Der Bahnhofvorplatz ist dann gähnend leer, nicht einmal streunende Hunde hat‘s. Das gesuchte Eisenbahnmuseum befindet sich in einem alten, grünen Eisenbahnzug - und ist natürlich heute geschlossen!
„Bender 1“ ist einer von drei Bahnhöfen in Bender. Über „Bender 2“ sind wir heute Morgen nach Tiraspol gefahren und „Bender 3“ ging bei der Trennung verlustig und liegt nun drüben in Moldawien. Viele Geleise, aber kaum fahrende Züge, bloss etwas Alteisen steht herum.

In der grossen Markthalle naschen wir von den dargebotenen Leckereien. Dann ist wieder Zeit, zurück nach Tiraspol zu fahren. Hier schauen wir uns noch einige weitere Sehenswürdigkeiten an. Zum Beispiel die Schnapsfabrik „KVINT“, die auch auf der 5 Rubel Note abgebildet ist. Es soll weltweit der einzige Geldschein mit einer Schnapsfabrik darauf sein. Toll.

Uns ist heiss und die Beine sind schwer von der Lauferei. Und unser Zug nach Chişinău fährt erst um 19:20. Da kommt es uns grad recht, als ein Bus nach Chişinău vorbei fährt. Kurz gewunken - und schon sind wir auf der Heimreise.

Der Bus fährt zuerst zum Busbahnhof von Bender und dann weiter zur nahen Grenze. Die Ausreise dauert etwa fünf Minuten. Der Zettel wird eingesammelt und das war‘s schon. Die Einreise nach Moldawien geht ähnlich gschwind. Kurzer Blick in den Pass, einen Moment warten und weiter zum Zoll. Noch einmal Passkontrolle und fertig. Das ganze ohne aussteigen und Gepäckkontrolle.

Nach der Grenze beginnt es zu regnen. Immer heftiger, die Pfützen spritzen meterhoch.
Unser Busfahrer könnte ein Bruder vom vorgestrigen sein; Bürstenschnitt, Lederjacke und Telefon am Ohr. Als wir in Chişinău ankommen ist es bereits finster. Wir steigen ganz in der Nähe von unserem Hotel aus. Wir sind verschwitzt, regennass und nudelfertig. Das war ein wirklich schöner Ausflug.

Bus „MTC“ Tiraspol-Chişinău, ca. 75 km, ca. 2 h, 2.60 Euro