19. November 2012

Berlin: wir Schweizer und ihr Fernsehturm

Berlin ist flach wie eine Pfütze. Und das was die Eingeborenen als „Berge“ benennen, sind in Wirklichkeit bloss ein paar fladenförmige Hügel. Kaum dreimal so hoch wie die Hausdächer, also nix.
Diesem Umstand wollten einst die Ostberliner mit einem Turm begegnen. Einem hohen Fernsehturm – einem sehr, seeehr hohen.

Mit der Planung des Fernsehturms begann man bereits in den 1950-er Jahren. Die Form war bald gefunden: Ein runder Turm mit einer Kugel und einer Antenne obendrauf. Aber wo soll er zu stehen kommen?
Der Basler Architekten Hans Schmidt wusste Rat und schlug heutigen Standort vor. Perfekt; hier war der Fernsehturm von überall her gut zu sehen. Auch aus Westberlin! Und wegen diesem Schweizer steht der Turm nun da, wo er heute steht.

Das vorgeschlagene Areal war unbebaut. Also - seit dem der Krieg die Häuser zerstört hat. Eines der Grundstückgehört einer Schweizer Familie. Die betrieben hier seit mehreren Generationen das „Café Vicedomini“. Nun wurde das Grundstück für den neuen Fernsehturm benötigt - also enteignet.

Die Familie Vicedomini wollte eine Entschädigung für ihr Grundstück - Deutschland wollte aber nicht bezahlen. Die ganze Sache zog sich hin. Erst 2003 gab Deutschland nach und entschädigte die Erben in der Schweiz: Ganz genau 1‘797 Euro und 39 Cent erhielten sie für ihr Millionen-Grundstück im Herzen Berlins.

17. November 2012

Reisetipp: das Bettlergeld

Der Reisetipp am Samstag: Fast in allen Reiseländern trifft man auf Bettler. Ob man ihnen was gibt oder nicht, muss jeder für sich selber entscheiden. Wenn ja, dann ist es aber eher ungeschickt, wenn man vor seinen Augen in seinem Bargeld nach der kleinsten Münze wühlt.
Ich habe darum meine "Bettlermünzen" immer in der rechten Hosentasche. In der linken ist dann das richtige Geld. Ein Griff - und ich habe eine passende Spende.
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16. November 2012

Berlin: Frau Tete hat ein Auge auf mich

Vor uns wurmt sich eine lange Schlange quälend langsam vorwärts. Anscheinend wollen auch noch andere ins Neue Museum. Nebenan wird zurzeit grad die „James Simon-Galerie“ gebaut, so gibt es für mich wenigstens was zu schauen.
Wir wollen die Büste der Nofretete anschauen. Nicht nur, aber auch. Der Kopf begeistert mich schon lange. Mehr als dreitausend Jahre alt und fast komplett erhalten - bloss das linke Auge fehlt. Und etwas vom Ohr.

Vor genau hundert Jahren wurde die Büste der Königin Nofretete in Ägypten ausgegraben. James Simon hat damals die archäologischen Grabungen bezahlt und die Büste dann dem Freistaat Preussen geschenkt. Simon war Unternehmer, Kunstmäzen und ein Berliner.

Sein Grab liegt auf dem wildromantischen Jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee.

An der Spree gibt es seit kurzem sogar einen James-Simon-Park. Und gleich nebenan kennt der Peter eine wunderschöne Kneipe. „Verkehrs beruhigte Ost Zone“ nennt sie sich. Sie ist in einem alten Viaduktbogen der Berliner Stadtbahn beheimatet.
Wir genehmigen uns eine Berliner Weisse. Rot oder grün?

15. November 2012

Berlin: tanzen oder mampfen

Wie ein Sputnik schwebt eine Diskokugel über uns. Und von den Wänden hängt Lametta, herzallerliebst von bunten Neonröhren illuminiert. Peter hat uns in „Clärchens Ballhaus“ geführt. Das legendäre Tanzlokal gibt es schon seit über hundert Jahren. Und so sieht es dann auch aus. Als ob die Zeit vor längerem stehen geblieben sei. Und nach Renovations-Stau.

Clärchens Ballhaus ist berühmt für seine grandiosen Tanzveranstaltungen. Jetzt am späten Nachmittag sind wir aber die einzigen Gäste. Und wir sind nicht zum tanzen da, sondern zum essen.
So sitzen wir nun ganz alleine im angejahrten Saal, zwischen Tanzparkett und Tresen. Die Beleuchtung ist düster - romantisch oder defekt, ich weiss es nicht. Aber zum essen reicht es allemal.

Hausgemachte Bouletten auf Kartoffelsalat, dazu eine Fassbrause. Die Hacktätschli sind wunderbar fleischig. Aussen eine schöne Kruste, innen drin saftig und mürb. Und erst die Herdäpfel; wenig Sauce, wenig Säure, etwas Schnittlauch - tadellos!

Dann schleppt ein Mann eine elektrische Orgel auf die Bühne. Wohl Zeit zu gehen für uns. So kurz nach dem Essen möchte ich keinesfalls tanzen.

14. November 2012

Berlin: den Adolf tiefergelegt

Ob man will oder nicht, überall stolpern wir über Berlins Vergangenheit. Vor allem über die der DDR und des unrühmlichen Dritte Reiches.
Überall in Berlin stehen Einzelteile der DDR-Grenzmauer herum. Zerschundene Betonwinkel, meist beidseitig grellbunt bemalt. Beidseitig, obwohl damals damals ja gar nicht ging! Dieses hier steht am Leipziger Platz und zeigt ein Bild vom berühmten Thierry Noir.

Unweit vom Holocaust-Mahnmal liegt zwischen einigen Mietskasernen ein öder Parkplatz. Hier befanden sich vor siebzig Jahren das Machtzentrum der Nazis; die Reichskanzlei und der Führerbunker. Und hier verkroch sich gegen Ende des Krieges der Adolf H. Da heiratete er noch gschwind seine Eva - und schoss sich dann ein Loch in den Kopf.

Gleich hinter der Barriere wurden damals die beiden Leiche in aller Eile verscharrt. Das Tausendjährige Reich war zu Ende - nach bloss elf Jahren. Und der Krieg auch. Das hat sich der GröFaZ bestimmt ganz anders vorgestellt.