12. Oktober 2012

Tschechien: Nutten-Schwemme

Auf kleinen Nebenstrassen kurven wir durch den Böhmerwald. Hügel, Wälder und Seen. Ab und zu überqueren wir die Moldau, die hier oben bloss noch ein Bach ist.

Im 18. Jahrhundert war Brennholz in den österreichischen Städten rar und teuer. Hier im Böhmerwald hatte es davon reichlich. Aber wie nach Wien bringen?
Man baute einen Kanal, in dem das Brennholz relativ bequem ins Tal und dann bis nach Wien geflösst werden konnte. Der "Schwarzenbergsche Schwemmkanal" (n48.6454, e14.0486) funktionierte bis ins 20. Jahrhundert hinein, bevor ihm die Kohle und die Eisenbahn endgültig den Garaus machten.
Heute sind noch Resten des Kanals ein alter Kanaltunnel zu sehen.

In Prachtice schauen wir uns die alten Häuser an und essen das Tagesmenü; es gibt gebratene Wurst und Linsenbrei. Ist gut.

Ich hatte Vimperk als nettes Städtchen in Erinnerung. Jetzt erscheint es mir aber klein und öd. Und ein offenes WiFi haben sie auch keines.

Bis zur Grenze ist nicht mehr weit. Am Strassenrand stehen knapp bekleidete und junge Frauen und winken uns zum Abschied hinterher. Eigentlich nett von ihnen. Aber ich weiss was die von mir wollen – mein Sackgeld.
Diese Route war einst bekannt für die zahlreichen Nutten-Caravans am Strassenrand. Die gibt es auch heute noch, die Lustgewerblerinnen - nun aber ohne Wohnwagen, freistehend.

Im letzten Dorf vor der Grenze haben sich ein Haufen Ramschläden (n48.9072, e13.7237) angesiedelt. Alles Vietnamesen, die für sehr wenig Geld tolle Markenartikel und kistenweise Schnaps feilhalten. «Ich hab gross Jacke», sagt ein schmächtiger Asiat zu mir. Hab ich auch.

11. Oktober 2012

Tschechien: Hochwasser, Japaner und Kuchen mit Loch

Vor zehn Jahren wurde Český Krumlov (Krumau) vom Hochwasser verwüstet. Mancherorts stand das Wasser damals zwei Meter hoch. Und in den Häusern. Heute ist ausser vereinzelten Hochwassermarken kaum mehr etwas davon zu sehen.

Krumau liegt ganz malerisch auf einem Hügel in einer Flussschleife; rund herum die Moldau. Um den Marktplatz drängeln sich prächtige Häuser. In der Mitte die obligate barocke Mariensäule. Japanische Touristen zerren ihre Rollkoffer übers Pflaster.
Wir setzen uns in ein Gasthaus: "Rinderlende mit böhmischen Knödeln". Schmeckt wie früher und sauguuut.

Nebenan thront hoch oben auf einer Felsrippe das Schloss Krumlov. Fünf Höfe, 360 Räume und ein grandioses Theater, das über eine mehrstöckige Brücke erreicht wird. Über eine weitere Brücke konnten einst die Blaublütler in den Park hinüber flanieren. Wir auch.

In kleinen Bäcker-Kämmerchen werden süsse Teigrollen, Trdelník, gebacken. Sind vergleichbar mit den Baumkuchen, bloss weniger Baum und wesentlich mehr Loch. Und mehr Zucker.

Gegen Abend fahren wir noch ein Stück die Moldau aufwärts und übernachten in Rožmberk bei den Enten.

10. Oktober 2012

Tschechien: der Türke hat einen Vogel

Das Schloss Hluboká liegt auf einem Hügel über der Moldau, und gar nicht weit von Třeboň entfernt. Das Schloss gleicht einwenig einem Prinzessinnenschloss aus einem Mädchenfilm (n49.0513, e14.4413). Rundtürme, Erker, Zinnen; wie im England des 19. Jahrhunderts.

Der Eindruck täuscht nicht, das Schloss Hluboká ist nicht sehr alt. Fürst "zu Schwarzenberg" liess es um 1850 bauen; als romantisches Jagdschloss. Die alte Burg, die seit dem Mittelalter hier stand, wurde dafür ratzeputz entfernt.

Die Türklinke zeigt einen Raben, der einem Türken in den Kopf hackt. Genau so einer schmückt auch das Wappen der Familie "zu Schwarzenberg". Der Türkenpicker soll an die siegreiche Schlacht vom Raab (heute Győr) erinnern. Aber nett ist das trotzdem nicht.

Die Glas-Gusseisen-Konstruktion der Orangerie war damals das Modernste und Feinste, und auch heute noch ganz ansehnlich.
Wir rollen weiter durch die Hügellandschaft und kommen so nach Holašovice (n48.9695, e14.2724). Eigentlich bloss ein kleines Bauerndorf im böhmischen Hinterland. Aber was für eines: Langweilig schön.

Um den Dorfteich herum gruppieren sich die Bauernhäuser mit ihren verzierten Giebeln und bunten Fassaden. Jedes schöner als die anderen; Bauernbarock.

Hinter jedem der Häuser steht eine Scheune. Und dahinter der Hausgarten und dann die Felder. Wie aus dem Lehrbuch für ländliche Strassensiedlungen. Aber keine Gaststätte hat auf! Mein Vorhaben "böhmisch essen" scheitert erneut.

9. Oktober 2012

Tschechien: ich will keine böhmische Pizza

Die Strecke nach Třeboň ist hüglig und lieblich. Zwischen den Wäldern sehen wir immer öfter Karpfenteiche. Diese wurden vor gut dreihundert Jahren künstlich angelegt um Fische zu züchten. Im Winter wird dann das Wasser abgelassen und die Karpfen mit Körben eingesammelt. Und gebraten.

In Jindřichův Hradec besuchen wir die Schmalspurbahn „JHMD“. Diese Eisenbahngesellschaft befährt ein Streckennetz von stolzen 33 Kilometer; und das auf einer ungewöhnlichen Spurweite von nur 76 Zentimeter! Die Diesellokomotiven sind aus den 1950-er Jahren und die Personenwagen nur unwesentlich jünger. Das ganze sieht aus wie eine zu gross geratene Modellbahn.

Auch Třeboň hat, wie so viele böhmische Städte, einen grandiosen Hauptplatz. Wieder diese schnuckeligen Häuser, ein stattliches Schloss und eine stolze Kirche. Also alles da.
Wir steigen auf den Rathausturm; hundert Treppenstufen und eine wunderbare Aussicht über die Dächer und die umliegenden Karpfenteiche.

Am Abend wollen wir böhmisch essen gehen. Doch das Restaurant entpuppt sich als ein Italiener; und ich wollte doch unbedingt Knödel. Aber Knödel gibt’s beim Italiener keine. Na gut; futtern wir halt einen Salat und flüchten dann.

Wir übernachten am Stadtrand. Die Sonne flüchtet vor der kommenden Nacht. Und ich schaue bis spät in die Nacht Web-Fernsehen.

8. Oktober 2012

Tschechien: bonbonfarbene Häuser und Bienenkuchen

Telč ist mein Lieblingsort in Böhmen. Rund um den langgezogenen Hauptplatz stehen dichtgedrängt die Bürgerhäuser. Alle in so einem barocken Zuckerbäcker-Stil und herzallerliebst bonbonfarbig angestrichen. Die Giebelfassaden aufwändig mit allerhand Zierrat geschmückt. Hübsch.

Die niedlichen Häuser sind aber nicht etwa wegen den Touristen da; nein, sie wurden vor mehr als dreihundert Jahren genau so gebaut. Inmitten zahlreicher Fischteichen. Es sieht fast so aus, als ob Telč auf einer Insel liege.

Unter den Arkaden sind ein paar Cafés und viele Souvenirläden beheimatet. Frau G. hat eine Erkältung und ich WiFi. Und deshalb verbringen wir den Vormittag auf sehr unterschiedlich Weise. Wobei ich wohl die bessere Wahl getroffen habe.

Am Abend riecht man den Rauch der Kohlenöfen. Genau wie in der "guten alten Zeit", als ich zum ersten Mal hier war.

Diesen Honigkuchen nennen sie hier „Medový dort“, was auf deutsch wiederum "Honigkuchen" heisst – sowas kann doch kein Zufall sein! Und er schmeckt auch noch wie ein Honigkuchen. Mysteriös.