22. Juni 2012

Baltikum: Sand und noch Meer

Unweit von Kuldīga, dem sogenannten „Venedig von Lettland“, besuchen wir eine weitere Sehenswürdigkeit. Abgelegen in einem Wald liegt ein altes Quarzsand-Bergwerk.

Die Strasse dahin ist eine Baustelle und eigentlich gesperrt. Ein Einheimischer meint, wir sollen trotzdem fahren - geht doch. Dann führt uns ein Waldpfad zu einem steilen Abhang. Und da ist er, der Eingang zu den Stollen.

Ein Waldarbeiter begleitet uns in die Unterwelt. Die Gänge sind oft niedrig und weit verzweigt. Mit einigen Kerzen und meiner Taschenlampe dringen wir ins Innere vor. Finster und feucht, rund um uns nur Quarzsand.
Den Sand brauchte man damals für das berühmte Riga-Glas.

In wenigen Tagen müssen wir leider heimfahren. Darum wollen wir noch einen Tag am Strand verbringen. Bis dahin ist ja nicht mehr weit. Doch der Strand bei Jūrkalne liegt im Nebel! Und das an einem Nachmittag im Juni. Also gibt es vorerst keine Strandparty.

Wir und machen Hausarbeiten. Das heisst: liegen, lesen und Chips. Ich nutze die Gunst der Stunde und knüpfe meine neue Hängematte zwischen die Bäume. Sie entstammt einem Sonderangebot vom ALDI und erreicht mit mir anscheinend ihre Belastungsgrenze. Jedenfalls gibt sie nicht sehr vertrauenerweckende Geräusche von sich. Knooorz-chrrr-chnirrrsch…

Gegen Abend geht der Nebel weg und wir sehen doch noch die Steilküste. Viel Sand und Wasser. Schön.
Steine können sie gut - die Letten..

21. Juni 2012

Baltikum: das Zündhölzli ist aus

Für heute suchten wir ein nettes Landstädtchen um etwas abzuhängen. Eines mit niedlichen Strassencafés und schattigen Alleen. Kuldīga, das „Venedig von Lettland“ hörte sich gut an. Da fahren wir mal hin.

Venedig von Lettland? Ich kenne bloss dieses eine Venedig in Italien. Aber das können sie keinesfalls gemeint haben. Kuldīga hat bloss einen alten Mühlenkanal und knapp zwei Brücken - keine Kanäle, keine Paläste, keine Gondeln, gar nix. Vor allem kein Venedig. Aber abgesehen davon ist Kuldīga ganz nett und gemütlich.

Wenn schon kein Venedig, dann haben sie hier zumindest den „längsten Wasserfall Europas“! Zweihundert Meter – nicht hoch – lang ist der. Also eigentlich breit. Der Fluss stürzt hier über eine Felsenschwelle unglaubliche eineinhalb Meter in die Tiefe. Tosende Gischt, gähnender Abgrund, oder so. Wir sind ein wenig begeistert.

Kuldīga dürfte natürlich den Freunden des osteuropäischen Streichholzes ein Begriff sein. Hier wurden hundert Jahre lang die weltnekannten „Vulkāns“ Zündhölzli hergestellt.

Die Fabrik wurde 1878 von einem Louis Hirschmann gegründet und produzierte jedes Jahr viele, viele, viele Millionen Streichhölzern. Im Jahr 1996 und 2000 brannten einige Fabrikanlagen ungeschickterweise ab. Und im Jahr 2004 wurde dann die Produktion für immer eingestellt. Seither werden die übrig gebliebenen Gebäude von den Anwohnern ausgeschlachtet und gefleddert. Privatisiert.

Wir haben einen wirklich schönen Übernachtungsplatz unter einer mächtigen Kastanie. Ganz nahe am Zentrum und doch völlig ruhig. Dazu der laue Sommerabend und dann in der Nacht ein kühler Luftzug. Nettlich.

20. Juni 2012

Baltikum: frisch gewaschen und aufgehübscht

Riga. Die gestrige Regnerei ist vorbei, heute ist wieder wunderschönes Wetter. Riga ist eine grosse Stadt, die Altstadt ist aber recht überschaubar. Reichdekorierte Häuser und schöne Plätze. Doch es schaut bloss historisch aus, die meisten Bauten sind keine fünfzig Jahre alt. Denn im Krieg wurde die Altstadt fast völlig zerstört.

In den riesigen Markthallen wurden früher mal für Luftschiffe gebaut. Fünf Hallen voller Gemüse, Fleisch, Käse - und Leuten.

Während wir aufs Zmittag warteten, bestaunten wir eine Skulptur gegenüber. Frau G. ist sich sicher eine Kröte, die ein Kaninchen belästigt, zu sehen. Ich hingegen sehe ganz eindeutig eine Nonne auf einem sehr, sehr müden Pferd. Wir können es nicht entscheiden und einigten uns deswegen auf einen Kompromiss. 

Unser Waschsalon ist von erlesener Eleganz und verfügte über einen umfangreichen Fuhrpark. Während sich unsere Wäsche im warmen Wasser vergnügte, gehe ich zum „Frizētava“ und lasse mir den Pelz kürzen.

Aufgehübst und mit sauberen Kleider verlassen wir gegen Abend Riga. Es war schön hier, wir kommen sicher wieder mal. Wir übernachten in Jaunpils hinter dem Schloss.

Das Abendlicht ist wunderschön. Wie in so einem Frauenfilm; mit einem Landarzt und einer unheilbaren erkrankten, früh verwitweten und einsam unglücklichen ehemaligen Adligen. Oder so.

19. Juni 2012

Baltikum: Segelfisch in Riga

So schön wie gestern das Wetter war, so – scheisse soll man ja nicht sagen – unbefriedigend ist es heute. Es regnet den ganzen Tag. Dunkelgraue Wolken und lange, tiefe Gumpen. Beim Fahren schaut es aus, als äuge man durch das Bullauge einer Waschmaschine.

Der Sonnenuntergang gestern Abend; noch ahnen wir nichts vom kommenden Grauen.

Also fahren wir über die Grenze nach Lettland, nach Riga. Hier besuchen wir als erstes das „Motormuseum“. Hier sind einige sehr interessante Fahrzeuge ausgestellt. Zum Beispiel einen Autounion-Rennwagen mit einem V-16 Motor. Oder der „Rolls-Royce Silver Shadow“, den Leonid Breschnew 1980 eigenhändig zu Schrott fuhr. Und natürlich viele weitere bekannte Fahrzeuge aus Ost und West.

Im Depot hinter dem Museum warten noch zahlreiche angejahrte Schätzchen auf ihre Wiederbelebung.

Im Stadtzentrum von Riga kaufe ich mir ein tolles Ölbild. Es zeigt einen Mann, der einem Segelfisch fährt.

Wir übernachten am Rande der Altstadt. Der Platz ist gut, aber nicht grad sehr ruhig. Immer wieder kommen Männer und brünzeln ins Grünzeug um uns herum.

18. Juni 2012

Baltikum: ohne murren und maulen

Der Bahnhof von Haapsalu hat zwar keinen Bahnanschluss mehr. Dafür aber ein Eisenbahnmuseum. Frau G. ihre Begeisterung für historische Schienenfahrzeuge ist ja etwas verhalten. Dennoch begleitet sie mich immer ohne murren und maulen. Und das rechne ich ihr hoch an.

So langsam ist es an der Zeit etwas südwärts zu fahren. In zehn Tagen sollten wir zuhause sein! In Pärnu schlendern wir durch die frühsommergrünen Alleen zum Strand. Der Strand ist weisssandig, breit und flach. Und sehr beliebt.

Unweit von Pärnu fahren wir an den Strand. Dösen, lesen und essen. Und da es hier so schön ist bleiben wir gleich über Nacht. Wir sind ganz alleine da und haben den ganzen Strand für uns. Bloss einige Möven stochern nach Gewürm.

«…die romanische Kirche ist einschiffig», liest Frau G. vor. «Ich bin auch einschiffig – huähähää hä». Ihr versteht; einschiffig: Mann – Pfiffli – einschiffig. Hihiii.