4. März 2013

Marokko: Plastiktüte oder Kuchen

Wir sind wieder da, wo wir ganz am Anfang unserer Reise auch schon mal waren; bei der Herkules-Grotte. Es ist windig, grau und regnet Niesel. Nicht schön. Ich stehe früh auf, lümmle auf dem Campingplatz herum und tue wenig Sinnhaftes.

Der Atlantik schlägt hohe Wellen – na gut, was soll er auch sonst tun bei dem Wetter? Sonst ist nicht viel los. Also setze ich mich in ein Café und schreibe etwas. Aber worüber; ist ja nix los hier?

Vom unliebsamen Vorfall heute Morgen vielleicht: Öhm - die Klobrille war gerissen und hat mich in die Schwarte gebissen. Und als ich dann so da sitze, stelle ich fest, dass da kein Arschwisch ist! Ich suchte alle meine Hosentaschen ab – aber kein Papier. Bloss eine eine Plastiktüte mit krümligem Kuchen von gestern. Womit sollte ich jetzt abwischen - mit der Plastiktüte oder dem Kuchen?

Nach dem Mittag regnet es sehr schräg. Als er um drei etwas nachlässt, machen wir einen Ausflug an das nahe „Cap Spartel“. Der alte Leuchtturm dort steht stumm auf seiner Klippe. Früher hat er mit seinem Licht die Schiffe angelockt, jetzt nur noch ein paar Touristen.
Dann beginnt es wieder zu regnen und wir fahren zurück.

Am Abend schauen wir im Fernsehen Kamelrennen. Manch einer könnte jetzt denken, das sei sicher spannender Rennsport und so. Aber nein! Stundenlang wird über Kamele gefachsimpelt, Kamele abgefilmt und zwischendurch gevolkstanzt. Bloss losrennen tun die Viecher nicht. Nach gut zwei Stunden langeweilen gehe ich schlafen.

3. März 2013

Marokko: Absturz ins Bodenlose

Mein Bauch ist arg verkratzt. Fingertiefe, blutrote Striemen ziehen sich über die Wölbung. Ich bin entstellt, diesen Bikini-Sommer kann ich wohl vergessen.
Das ganze Unheil nahm seinen Anfang mit der Wahl meines Reisegepäcks. Denn ein solches ist für so eine gewagte Marokko-Expedition von entscheidender Bedeutung. Es geht ja schliesslich um nichts Geringeres, als ums Überleben. Da braucht man ein multifunktionales und extrem belastbares Tragsystem. Wenn möglich aus der Raumfahrt-Forschung. Odr so.

«Willst du das haben - Bub», sagte meine Mutti, «sonst werf ich's weg!». Jawohl! DAS war es; mein Expeditionsgepäck. Aus robust verwebten Polyethylenstreifen, enorm viel Fassungsvermögen, wasserdurchlässig und meteoritendicht. Ein „Türkenkoffer“; mein Türkenkoffer.
In diesen schichtete ich nun alle meine Habseligkeiten. Unten die Hosen, dann die Leibchen drauf. Und in die Lücken das Kleinzeug. Auch meine Werbegeschenk-Taschenlampe.
Und genau hier passierte nun das Ungeheuerliche. Irgendwas verschluckte meine Taschenlampe und gab sie auch nicht wieder her. Und deshalb musste ich kürzlich in dieser einen mondlosen Nacht raus. In die Wildnis zum Ausscheiden. In völliger Dunkelheit. Schritt für Schritt tastete ich mit den Füssen den Wüstenboden ab. Aufs Mal spürte ich nur noch Leere unter mir. Augenblicklich begann mein Körper unter der Einwirkung der Gravitation zu fallen. Wieselflink drehte ich mich um die eigene Achse und krallte mich am Geröll fest. Das bremste meinen Absturz ins Bodenlose etwas, allerdings raspelte ich mit meinem Leib über die scharfkantige Klippe. Und dabei fing ich mir am Bauch diese entsetzlichen Schürfungen ein.

Und Schuld - Schuld an der ganzen Misere ist meine Mutti. Die mir diesen albernen Türkenkoffer aufschwatzte. Der meine Taschenlampe verschluckte und mich in den Abgrund tappen liess.

2. März 2013

Marokko: süsse Mädchen und saure Milch

Erst dachte ich unser Mowag habe Heimwehtränen - aber es waren bloss Regentropfen auf der Frontscheibe. Ungeachtet dessen reifeln wir weiter heute nach Norden. Nach Lixus.


In Lixus wohnten einst die Phönizier, dann die Numider und zum Schluss die Römer. Heute ist alles kaputt – seit eineinhalbtausend Jahren nur noch Ruinen. Lixus war damals für sein "Garum" berühmt. Garum ist eine würzige Sauce aus vergohrenem Fisch und war damals bei Römer's sehr beliebt. Die Herstellung stank aber dermassen, dass man die Fabriken ausserhalb der Stadt baute. Heute kann man noch etwa 150 Garum-Becken sehen, eine Zisterne und ein Salzlager. Stinken tut’s nicht mehr.

Am Mittag erfüllte ich mir einen lang gehegten Traum - ich bestellte mir eines der legendären Pommes-Frites-Sandwich. Abgesehen davon, dass leider grad keine Pommes da waren, war es ein tadelloses Pommes-Frites-Sandwich. Und ein wahrer Hochgenuss.

Etwas weiter im Landesinneren schauen wir uns den Steinkreis von M'soura an. Ein hoher Megalith, ein grosser Steinkreis und ein Hügelgrab. Beeindruckend. Und in der Umgebung liegen noch weitere Megalithen herum. Das Hügelgrab wurde allerdings im Rahmen von Forschungsarbeiten komplett zerstört und ist kaum mehr zu erkennen.
Da und dort sitzen Mädchen am Strassenrand und bieten ein milchiges Getränk an; „Laban“. Eine Art Sauermilch, zusätzlich mit geschrotetem Getreide drin. Genau so schmeckt es auch.

Gegen Abend erreichen wir den Stadtrand von Tanger. Als besonders malerisch möchte ich die Gegend nicht bezeichnen, aber hier gibt es diese riesigen Einkaufszenter wie in Frankreich. Also gehen wir einkaufen.

Ich kaufe mir neue Kugelschreiber und etwas Naschwerk. Und ein Sandwich-Kochbuch - in arabisch. Raja kauft den gesamten Vorrat an Dateln; mehr als dreissig Kilo.
Wir übernachten am Strand. Es stürmt und regnet.

1. März 2013

Marokko: Flamingos sind wie Schuppen

Moullay Bousselham. Die Morgensonne lässt die Pfützen glitzern. Der grosse Regen ist vorüber. Die Welt ist frisch gewaschen und am Himmel ziehen die letzten Wolken vorüber. Sie sehen aus wie die Schafhirne neulich in Marrakesch.

Am Mittag schlendern wir ins Städtchen hinauf. Entlang eines deutlich zu gross geratenen Platzes reihen sich Cafés, Restaurants und Kramläden. Gleich dahinter ist der Markt. Kleine noch regennasse Gassen voller Verkaufsläden und Warenlager. Herrlich.

Die ganze Reise schon wünsche ich mir eine Pizza. Jetzt wo ich endlich eine bekomme, ist der Reiz irgendwie vorbei. Und die Pizza ist ölig und schmeckt abgestanden. Nach Pizzaschachtel.

Raja überredet mich zu einer Bootsfahrt über die Lagune. Die sei recht gross und man könne allerhand Vögel beobachten, auch Flamingos. Also klettern wir in ein Fischerboot und stechen in See. Wobei  zurzeit in der Lagune grad Ebbe ist, statt Wasser sehen wir Sandbänke.
Kormorane schnabeln Würmer aus dem Schlick. Fischer stiefeln durchs Wasser und fangen Muscheln, Schnecken oder Köderwürmer? Die Landschaft ist – öööhm – sehr flach. Und schön. Und wir sehen sogar Flamingos; in gut einem Kilometer Entfernung! Sehen aus wie Schuppen auf einem Rollkragenpulli.

Unser Bootsfahrer meint, so gegen halb sechs komme das Wasser zurück. Also spaziere ich an den Atlantik um zu schauen, wie die Flut kommt. Wasser wäre genug da, bloss kommt es nicht über die Sandbank, die den Weg in die Lagune versperrt. Um halb sechs ist noch weniger Wasser in der Lagune, als am Nachmittag. Ist der Atlantik defekt? Oder leckt die Lagune.

28. Februar 2013

Marokko: der Krötenfisch und die Kultur

Moullay-Bousselham. Es seicht. Ich bleibe erst einmal bis halb neun liegen, vielleicht scheint dann die Sonne? Tut sie nicht! Also setze ich mich halt unter das Vordach und schaue dem Regen zu.

Als er kurz mal pausiert, schlendere ich ins Campingcafé und stecke meinen Compi an den Strom. Gegen Mittag treibt mich der Hunger wieder in den Regen hinaus. Als ich bei unserem Mowag ankomme, ist grad der Fischmann da. Er hat eine Kiste voll frischer Fische dabei. Wir kaufen einige silbrige und einen, der aussieht wie ein weiche Kröte. Der soll ganz besonders gut schmecken, sagt der Fischmann.

Eine Schafherde zieht über den Platz. Die vielen Schafbeine im Gras hören sich wie Regentropfen an. Der Nachbarhund heisst „Timmy“ und interessiert sich auch für Schafe. Wir schauen ihnen lange zu. Timmy interessiert sich auch für unsere Fischköpfe. Er darf sie aber nicht fressen, weil er deswegen kotze. Das jedenfalls behauptet sein Führer. Timmy frisst dann trotzdem einen unserer Fischköpfe – mal schauen …

Dann essen wir die kopflosen Fische, ausser dem Krötenfisch, den soll es zum Znacht geben. Ich besorge mir stattdessen Pommes-Frites. Und dann sitzen wir wieder unter dem Vordach und schauen dem Regen zu. Timmy kotz trotz der gefressenen Fischköpfe nicht. Jedenfalls nicht bei uns!
Dann drückt doch noch die Sonne durch die Wolken. Ich schlendere mit meinem Kulturbeutel zum „Sanitärgebäude“, da locken warme Duschen. Ich kulture mich gründlich und ausgiebig.

Der Sonnenuntergang ist dann doch noch ganz passabel. Vielleicht ist es morgen ja wieder sonnig?

27. Februar 2013

Marokko: bei der Kehricht-Kuh links

Es ist mausgrau und bewölkt, und für die nächsten Tage droht das Fernsehen mit Regenwetter. Wir fahren trotzdem nach Norden. Immer der Küste entlang, grasgrüne Felder und Bananen-Plantagen unter Plastik. Schön ist das nicht unbedingt. Gegen Mittag kommen wir in solch ein typisches Strassendorf. Auf den Telefonstangen nesten die Störche und in den Gassen ist Markt.

Hier auf dem Land sind noch die schönen alten Ford-Lastwagen unterwegs. Heute transportieren sie Esel und/oder Eselmist – in die gleiche Richtung! Raja wird von den Garküchen am Strassenrand magisch angezogen. In einem Speiselokal mit einem üppig-lila Ambiente essen wir Tajine und Grill-Schaf. Wobei - ich mag heute kein Schaf.

Die Landschaft ändert sich kaum, bloss unsere Strasse wird immer runzliger. Die Idee mit der Landstrasse war vielleicht doch keine so gute. Hätten wir doch die Autobahn nehmen sollen? So hoppeln wir halt in Schrittgeschwindigkeit über die Schlaglöcher. Velos und Traktoren überholen uns - schlimm sowas.

Irgendwann am Nachmittag erreichen wir doch noch das angepeilte Moullay-Bousselham. Gleich gegenüber einer müllfressenden Kuh geht’s links hinunter zum Strand. Zum Znacht kocht Ü. Spaghetti an Paprikasauce. Die ist dermassen scharf, dass uns die Tränen kommen. Und dann beginnt es auch noch zu regnen. Ein trüber Tag geht zu Ende.