14. August 2015

Skandinavien: woher du all die Sachen?

Der Göta-Kanal geht quer durch Schweden und verbindet Göteborg und Stockholm. Die Schiffe können seither durchs Innenland fahren und ersparen sich den weiten Weg aussen herum. Aber eigentlich sind es mehrere einzelne Kanalabschnitte und Seen.

Heutzutage fahren auf dem Kanal nur noch Freizeitboote und Ausflugsdampfer herum, so wie die berühmte „Juno“. Wir schauen und staunen, als sie an unserem Esstisch vorbei fährt. Ein prächtiges Schiff - wie aus einem alten Abenteuerfilm.

Die Wolken kommen und wir gehen. Wir nutzen wieder die kleinen Waldwege als Abkürzung. Man braucht zwar länger, aber am Strassenrand gibt es immer etwas zu sehen. Zum Beispiel einen – ach  –nur Schrott.

In Motala fahren wir zum Hafen (N58.53399 E15.03737). Gleich nebenan ist - und ich schwöre, es ist purer Zufall - das „Motala Motormuseum“. Es zeigt eine stattliche Anzahl alter Autos, dazu unglaublich viele Zweiräder, Radios,Telefone und ...

Wir bestaunen das älteste Auto Schwedens, ein De Dion-Bouton von 1899 und einen Rolls aus dem schwedischen Königshaus. Königlicher Besuch war übrigens auch schon hier. Im Prospekt steht, die Kronprinzessin Victoria sei beeindruckt gewesen und habe gesagt: «Woher du all die Sachen?»

In Motala ist heute Stadtfest. Grad als wir losgehen, beginnt es zu regnen. Die Stimmung ist dementsprechend trüb. Nasse Punys drehen auf dem Karussell unbemannt ihre Runden, der Mann am Schiessstand kaut an seiner Zigarette und der Bierzapfer starrt teilnahmslos ins Leere. Auf der grossen Bühne schrammeln ein paar ergraute Rocker Hits aus den 90-er Jahren. Nicht schön, aber schön laut. Der Regen wird stärker. Wir gehen heim.

Unser Parkplatz, wo wir eigentlich übernachten haben gewollt, wäre heute nicht das Stadtfest, ist ab heute Abend gesperrt. Wir übernachten deshalb am anderen Ende der Stadt, direkt an der Schleusentreppe Borenshult (N58.5556 E15.0785). Trotz des Regens schleusen viele Segelboote hinauf in die Stadt, hinunter an den See aber kein einziges.
Der Regen prasselt auf unser Dach; es tönt beinahe wie Applaus.

13. August 2015

Skandinavier: Ente gut, alles gut am Göta-Kanal

Gestern Abend kamen immer mehr Wohnmobile, vermutlich war das hier ein offizieller Womo-Stellplatz? Heute Morgen tankten wir im Bootshafen Trinkwasser und fuhren zeitig los. Nach Karlstadt.

Karlstad ist eine kleine Stadt ohne wirkliche Sehenswürdigkeiten. Einzig die alte steinerne Brücke (N59.38452 E13.51316) ist bemerkenswert, aus schlichten Bruchsteinen gemauert und bereits seit einigen Jahrhunderten in Betrieb.

Ausgerechnet heute ist in der Fussgängerzone eine Fressmeile aufgebaut. An bunten Ständen werden Köstlichkeiten aus der ganzen Welt angeboten. Wir flanieren dazwischen herum und naschen hie und da ein Häppchen. Käse aus dem Jura, Landjäger aus Deutschland, Süsskram aus Grossbritannien. Die Verkäuferin hat ein rosiges Gesicht und nennt mich „Darling“.

Nach einem erweiterten Frühstücks-Kaffe bei „Anitas Brödbod“ fahren wir gegen Mittag weiter. Noch ist der Himmel himmelblau, doch am Horizont quellen Quellwolken. Die Landschaft ist kitschig schön, ob bloss wegen des schönen Wetters, oder überhaupt, wissen wir auch nicht.
Dass ich unterwegs ein Eisenbahn-Depot besichtige, getraue ich schon gar nicht mehr zu erwähnen. Jedenfalls erreichen wir Mitte Nachmittag Sjøtorp am Göta-Kanal. Hier wöllten wir eigentlich übernachten und den Schiffen zu gucken. Ungefähr Drölfzigtausend andere hatten die gleiche Idee. Die Kombination aus Sommerferien und sonnigem Wetter scheint alle an den Göta-Kanal zu locken! Dazu ganze Heerscharen von Wohnmobilen, die unseren Platz besetzen. So geht das nicht!

Einige Kilometer weiter, an der Kanalbrücke in Rigstorp (N58.8139 E14.0356) finden wir dann einen wunderschönen Platz direkt am Wasser. Und ganz für uns allein. Die Boote fahren sozusagen mitten durch unser Esszimmer.
Zwei Enten lümmeln herum und werden von mir mit hartem Brot beworfen. Sie schnäbeln gierig danach, selbst wenn ich nur so tue, als ob ich werfe.
Am Abend schaue ich noch lange raus, ob vielleicht ein Elch kommt? Es kommt aber nur die Schläfrigkeit.

12. August 2015

Skandinavien: wie in einem schwedischen Heimatfilm

Würden am Waldrand noch ein Elch röhren, es wäre hier genauso kitschig schön, wie in diesen schwedischen Heimatfilmen. Die Seerosen schaukeln vergnügt in den Wellen, die Hummeln nuckeln an den Blüten und wir liegen im Bett und schauen zur offenen Tür hinaus zu. Um uns nur menschenfreie Biomasse.

Wir hügeln über die Waldstrasse auf und ab, kommen kaum nach mit schauen. Alles blüht und grünt. Nur das Navi mahnt unablässig; «bitte wenden – bitte wenden». Tun wir aber nicht. Irgendwann wird der Wald lichter. Felder mit „Michel von Löneburga“-Bauernhöfen tauchen auf, dann erreichen wir die Teerstrasse. Und dann kommen wir nach Arvika.

Das Wetter ist herrlich und das Städtchen gefällt uns auf Anhieb. Wir schlendern über den Bahnhofplatz ins Stadtzentrum - was ein und das selbe ist.

Auf einem Plakat lese ich, dass hier demnächst ein Oldtimer-Treffen stattfindet. Das erklärt vermutlich auch die zahlreichen Ami-Schwarten hier im Ort. Chromjuwelen und gammlige Strassenkreuzer flanieren durch die Strassen. Dazwischen knattern stelzbeinige Oldtimer herum.

Hinter dem Bahnhof finden wir einen tollen Übernachtungsplatz direkt am See (N59.6522, E12.5909). Es sind noch ein paar Wohnmobile hier. Unsere Nachbarn haben einen Hund in der Grösse eines Bisons, einfach noch haariger. Er heisst Cesar und ist etwas scheu. Ich freunde mich gleich mit ihm an - vorsichtshalber, denn wer weiss, was mir so ein Tier nachts antun könnte?

Seit unzähligen Jahren benutzen wir einen Flötenkessel zum Kaffeewasser kochen. Und fast ebenso lange ist er stumm. Wenn das Wasser siedet und er flöten sollte, macht er bloss «…», manchmal «…h». Das aber nur ganz selten. Und nur ganz leise. Myschteriös!

11. August 2015

Skandinavien: manche unterstellen mir eine gewisse Vorliebe für Oxydation …

Bis zur schwedischen Grenze ist es nicht mehr allzu weit. Norwegen wird immer flacher und nach etwa einer Stunde Fahrt sind wir da. Grad nach der Grenze biegen wir gleich rechts ab und holpern in den Wald hinein. Nach gut 15 Kilometer Kiesstrasse erreichen wir Båstnäs – sozusagen mein Ziel dieser Skandinavien-Rundreise. Hier stehen mitten im Nirgendwo einige Hundert Oldtimer herum.

Die Autos wurden ursprünglich hier zwischengelagert, um sie später nach Norwegen zu exportieren – öööhm - schmuggeln. Das war in den 1960-er Jahren ein lukratives Geschäft - bis Norwegen die Gesetze änderte und der Handel schlagartig zu Ende war. Seither dösen die Autos im Wald und warten auf - öööhm - Zukunft.

Unglaublich, wie brutal die Natur mit diesen Kulturschätzen umgeht. Das Grünzeug siedelt nicht nur auf den Karossen, nein, manches spriesst sogar im Interieur. Kriecht über die Armaturen und frisst die schönen Autos buchstäblich von innen auf. Oder erschlägt sie mit Astwerk.

Wir schlendern lange herum und schauen Autos. Und Lastwagen. Bis wir schweren Herzens den einzigartigen Platz verlassen und weiterfahren müssen. Zurück zur Hauptstrasse.
Etwas später biegen wir wieder auf eine dieser, von uns so geliebten, kleinen Nebenstrassen ab. Wieder geht’s in den Wald hinein. In den Waldlichtungen blühen bunte Blumen und auf den Tümpeln weisse Seerosen.

Grad jetzt sind die Heidelbeeren reif. Die Folge sind blaue Finger und blaue Zungen.
Wir übernachten an einem Waldsee. Ein traumhafter Platz direkt am Wasser (N59.4272 E12.5307). Die Wellen plätschern ans Ufer, die Birken rauschen und der Wind jagt weisse Wolken über den Himmel. Und nichts spräche gegen einen Elch…

10. August 2015

Skandinavien: ein Bauernhof voller müdes Fahr-Zeug

Hamar: Es ist ja nicht so, dass ich jeden Tag übers Wetter jammern will. Aber heute Morgen hängen die Wolken wieder wie feuchte Waschlappen vom Himmel. Es ist grau und kalt - und ungemütlich. Wir frühstücken erst einmal ausgiebig, während draussen der Wind am Möbelwagen rüttelt. Es regnet noch nicht, deshalb wagen wir einen kleinen Spaziergang zu den Ruinen der alten Domkirche. Das Gemäuer wird von einem grossen Glasdach geschützt. Es erinnert mich an ein Aquarium.

Seit mehr als 150 Jahren fährt der Schaufelrad-Dampfer „Skibladner“ auf dem See. Wir schauen beim Ablegen zu. Es gurgelt, schäumt und dampft, dann schaufelradelt er los wie ein Rennboot.
Wie in Gjøvik baute man auch hier in Hamar für die olympischen Winterspiele Lillehammer eine Sporthalle. Diese sieht aus wie ein – öööhm, ein gekentertes – Wikingerboot. Es beginnt zu regnen, also fahren wir weiter. Der Regen wird stärker und schon bald kübelt es regelrecht vom Himmel.

Schon bald lockt uns – also vor allem mich - ein Schild am Strassenrand ins kleine Dorf Stange. Hier mitten im Ackerland ist auf einem Bauernhof das „Norsk Motorhistorisk Museum“ (N60.71846, E11.20747) zuhause. Eine Sammlung von etwa 400 Fahrzeuge und Maschinen; vor allem Traktoren, aber auch Autos, Lastwagen, Baumaschinen, Standmotoren und vieles mehr. Fast alle Exponate sind im Originalzustand, mit Gebrauchsspuren und Patina. Manche verwechseln das mit Rost.

Der Chef empfängt uns persönlich und freut sich sehr über unseren Besuch. Und ich bin ganz begeistert von all den müden und kranken Gerätschaften. Ich kann mich kaum sattsehen. Herrlich.

Etwas versteckt zwischen den alten Traktoren entdecke ich auch noch einen Autotraktor. Einen wie wir neulich am Strassenrand gesehen haben. Es ist ein Ford Modell BB von 1932, der später in Schweden zum Traktor umgebaut wurde.

Wir übernachten in Sørumsand. Es ist immer noch mieses Wetter, aber der Regen hat nachgelassen. Gegen Abend bilden sich am Himmel immer mehr hellblaue Wolkenlöcher.

9. August 2015

vor 70 Jahren verstarb der Kunstfurzer Pujol

Heute ein Einschub zwischen unsere Skandinavien-Reiseberichte: Denn genau heute vor 70 Jahren verstarb in Toulon Joseph Pujol, genannt „le Pétomane“. Er war seinerzeit der berühmteste Kunstfurzer weltweit. Er furzte für Kaiser und Könige und begeisterte ein Millionenpublikum.

Pujol beherrschte die Kunst der Abwinde wie kein zweiter. Virtuos blies er die beliebten Schlager der Epoche und überraschte mit seinen ausdruckstarken Flatulenzen. So soll er aus mehr als einem Meter Entfernung eine brennende Kerze ausgeblasen haben. Nach nur fünfundzwanzig Schaffensjahren streikte sein Organ. Immer öfters entwichen dem Künstler Misstöne und etliche Vorführungen gingen buchstäblich in die Hose. Im September 1914 gab er seine Abschiedsaufführung und verstummte dann für immer.

Elton John ehrte den einzigartigen Kunstfurzer Joseph Pujol mit seinem Mega-Hit „Candle in the Wind“.