12. August 2015

Skandinavien: wie in einem schwedischen Heimatfilm

Würden am Waldrand noch ein Elch röhren, es wäre hier genauso kitschig schön, wie in diesen schwedischen Heimatfilmen. Die Seerosen schaukeln vergnügt in den Wellen, die Hummeln nuckeln an den Blüten und wir liegen im Bett und schauen zur offenen Tür hinaus zu. Um uns nur menschenfreie Biomasse.

Wir hügeln über die Waldstrasse auf und ab, kommen kaum nach mit schauen. Alles blüht und grünt. Nur das Navi mahnt unablässig; «bitte wenden – bitte wenden». Tun wir aber nicht. Irgendwann wird der Wald lichter. Felder mit „Michel von Löneburga“-Bauernhöfen tauchen auf, dann erreichen wir die Teerstrasse. Und dann kommen wir nach Arvika.

Das Wetter ist herrlich und das Städtchen gefällt uns auf Anhieb. Wir schlendern über den Bahnhofplatz ins Stadtzentrum - was ein und das selbe ist.

Auf einem Plakat lese ich, dass hier demnächst ein Oldtimer-Treffen stattfindet. Das erklärt vermutlich auch die zahlreichen Ami-Schwarten hier im Ort. Chromjuwelen und gammlige Strassenkreuzer flanieren durch die Strassen. Dazwischen knattern stelzbeinige Oldtimer herum.

Hinter dem Bahnhof finden wir einen tollen Übernachtungsplatz direkt am See (N59.6522, E12.5909). Es sind noch ein paar Wohnmobile hier. Unsere Nachbarn haben einen Hund in der Grösse eines Bisons, einfach noch haariger. Er heisst Cesar und ist etwas scheu. Ich freunde mich gleich mit ihm an - vorsichtshalber, denn wer weiss, was mir so ein Tier nachts antun könnte?

Seit unzähligen Jahren benutzen wir einen Flötenkessel zum Kaffeewasser kochen. Und fast ebenso lange ist er stumm. Wenn das Wasser siedet und er flöten sollte, macht er bloss «…», manchmal «…h». Das aber nur ganz selten. Und nur ganz leise. Myschteriös!

11. August 2015

Skandinavien: manche unterstellen mir eine gewisse Vorliebe für Oxydation …

Bis zur schwedischen Grenze ist es nicht mehr allzu weit. Norwegen wird immer flacher und nach etwa einer Stunde Fahrt sind wir da. Grad nach der Grenze biegen wir gleich rechts ab und holpern in den Wald hinein. Nach gut 15 Kilometer Kiesstrasse erreichen wir Båstnäs – sozusagen mein Ziel dieser Skandinavien-Rundreise. Hier stehen mitten im Nirgendwo einige Hundert Oldtimer herum.

Die Autos wurden ursprünglich hier zwischengelagert, um sie später nach Norwegen zu exportieren – öööhm - schmuggeln. Das war in den 1960-er Jahren ein lukratives Geschäft - bis Norwegen die Gesetze änderte und der Handel schlagartig zu Ende war. Seither dösen die Autos im Wald und warten auf - öööhm - Zukunft.

Unglaublich, wie brutal die Natur mit diesen Kulturschätzen umgeht. Das Grünzeug siedelt nicht nur auf den Karossen, nein, manches spriesst sogar im Interieur. Kriecht über die Armaturen und frisst die schönen Autos buchstäblich von innen auf. Oder erschlägt sie mit Astwerk.

Wir schlendern lange herum und schauen Autos. Und Lastwagen. Bis wir schweren Herzens den einzigartigen Platz verlassen und weiterfahren müssen. Zurück zur Hauptstrasse.
Etwas später biegen wir wieder auf eine dieser, von uns so geliebten, kleinen Nebenstrassen ab. Wieder geht’s in den Wald hinein. In den Waldlichtungen blühen bunte Blumen und auf den Tümpeln weisse Seerosen.

Grad jetzt sind die Heidelbeeren reif. Die Folge sind blaue Finger und blaue Zungen.
Wir übernachten an einem Waldsee. Ein traumhafter Platz direkt am Wasser (N59.4272 E12.5307). Die Wellen plätschern ans Ufer, die Birken rauschen und der Wind jagt weisse Wolken über den Himmel. Und nichts spräche gegen einen Elch…

10. August 2015

Skandinavien: ein Bauernhof voller müdes Fahr-Zeug

Hamar: Es ist ja nicht so, dass ich jeden Tag übers Wetter jammern will. Aber heute Morgen hängen die Wolken wieder wie feuchte Waschlappen vom Himmel. Es ist grau und kalt - und ungemütlich. Wir frühstücken erst einmal ausgiebig, während draussen der Wind am Möbelwagen rüttelt. Es regnet noch nicht, deshalb wagen wir einen kleinen Spaziergang zu den Ruinen der alten Domkirche. Das Gemäuer wird von einem grossen Glasdach geschützt. Es erinnert mich an ein Aquarium.

Seit mehr als 150 Jahren fährt der Schaufelrad-Dampfer „Skibladner“ auf dem See. Wir schauen beim Ablegen zu. Es gurgelt, schäumt und dampft, dann schaufelradelt er los wie ein Rennboot.
Wie in Gjøvik baute man auch hier in Hamar für die olympischen Winterspiele Lillehammer eine Sporthalle. Diese sieht aus wie ein – öööhm, ein gekentertes – Wikingerboot. Es beginnt zu regnen, also fahren wir weiter. Der Regen wird stärker und schon bald kübelt es regelrecht vom Himmel.

Schon bald lockt uns – also vor allem mich - ein Schild am Strassenrand ins kleine Dorf Stange. Hier mitten im Ackerland ist auf einem Bauernhof das „Norsk Motorhistorisk Museum“ (N60.71846, E11.20747) zuhause. Eine Sammlung von etwa 400 Fahrzeuge und Maschinen; vor allem Traktoren, aber auch Autos, Lastwagen, Baumaschinen, Standmotoren und vieles mehr. Fast alle Exponate sind im Originalzustand, mit Gebrauchsspuren und Patina. Manche verwechseln das mit Rost.

Der Chef empfängt uns persönlich und freut sich sehr über unseren Besuch. Und ich bin ganz begeistert von all den müden und kranken Gerätschaften. Ich kann mich kaum sattsehen. Herrlich.

Etwas versteckt zwischen den alten Traktoren entdecke ich auch noch einen Autotraktor. Einen wie wir neulich am Strassenrand gesehen haben. Es ist ein Ford Modell BB von 1932, der später in Schweden zum Traktor umgebaut wurde.

Wir übernachten in Sørumsand. Es ist immer noch mieses Wetter, aber der Regen hat nachgelassen. Gegen Abend bilden sich am Himmel immer mehr hellblaue Wolkenlöcher.

9. August 2015

vor 70 Jahren verstarb der Kunstfurzer Pujol

Heute ein Einschub zwischen unsere Skandinavien-Reiseberichte: Denn genau heute vor 70 Jahren verstarb in Toulon Joseph Pujol, genannt „le Pétomane“. Er war seinerzeit der berühmteste Kunstfurzer weltweit. Er furzte für Kaiser und Könige und begeisterte ein Millionenpublikum.

Pujol beherrschte die Kunst der Abwinde wie kein zweiter. Virtuos blies er die beliebten Schlager der Epoche und überraschte mit seinen ausdruckstarken Flatulenzen. So soll er aus mehr als einem Meter Entfernung eine brennende Kerze ausgeblasen haben. Nach nur fünfundzwanzig Schaffensjahren streikte sein Organ. Immer öfters entwichen dem Künstler Misstöne und etliche Vorführungen gingen buchstäblich in die Hose. Im September 1914 gab er seine Abschiedsaufführung und verstummte dann für immer.

Elton John ehrte den einzigartigen Kunstfurzer Joseph Pujol mit seinem Mega-Hit „Candle in the Wind“.

7. August 2015

Skandinavien: der Steinzeitler mag Elch

So, heute wollen wir ein Stück südwärts fahren, in Richtung Oslo und Schweden. Das Wetter ist bestens und die Landschaft reichhaltig vorhanden. Wir rollen durch lange Täler und hüglige Wälder. Immer wieder versprechen Schilder am Strassenrand Elche von rechts - aber nie kommt einer!

Gleich neben einer malerischen Stromschnelle haben die Steinzeit-Jäger ihre Zeichnungen in den blanken Felsen geritzt: Die Felszeichnungen „Helleristninger“ (N60.83697 E9.8393). Sie zeigen vor allem Elche und sind etwa 6‘000 Jahren alt. Die rote Farbe ist aber neueren Datums. Irgendwie finde ich es sehr nett, dass die Steinzeitler damals gleich neben der Strasse gezeichnet haben – das erspart uns heute einen mühsamen Anmarsch.

Mittagsrast am alten Bahnhof von Dokka. Auf dem Gleisfeld steht das Gras kniehoch, Züge fahren hier schon lange keine mehr. Aber aus einem Lokschuppen quillt Rauch. Ob da jemand eine Dampflok einheizt? Es ist dann aber bloss Staub, den einige Junge beim Putzen aufwirbeln. Schade.

Dann halt weiter. Wir holpern gemütlich auf ganz kleinen Nebenstrassen durch die Hügellandschaft. Vereinzelt stehen verlassene Bauernhöfe am Strassenrand; und Wald. Viel, viel Wald. Ideal für Elche!
In Gjøvik baute man für die olympischen Winterspiele Lillehammer eine grosse Sporthalle. Soweit nichts Besonderes, aber die die Halle ist komplett im Berg drinnen.

Von aussen sieht man bloss einen etwas unschönen Eingang aus Beton. Ein sehr grosser Korridor führt uns dann tief in den Untergrund bis zu einer grossen Eishockey-Halle. Heute ist sie gähnend leer. Nur zwei Kletterer hangeln sich die Kletterwand hinauf. Und einer beginnt mit den Vorbereitungen für ein Konzert am kommenden Wochenende.

Das Städtchen Gjøvik gefällt uns nicht sooo sehr, also fahren wir auf die andere Seeseite nach Hamar. Hier finden wir einen tollen Übernachtungsplatz direkt am Strand. Und gleich gegenüber vom Eisenbahnmuseum!

Das „Norsk Jernbane-Museum“ präsentiert - wenig überraschend - norwegische Eisenbahnen. Das Hauptgebäude ist eher bescheiden, aber das Freigelände ist spannend. Hier werden nämlich nicht Züge, sondern Bahnhöfe ausgestellt. Alte Bahnhöfe, Stellwerke, Barrieren. Dazu in zwei Remisen weiteres Rollmaterial und allerhand Fahr-Zeug. Wir schaue uns die grösste norwegische Dampflok an; und die erste elektrische Lok und das Schienenauto des Bahndirektors. Und vieles mehr.

Heute scheint die Sonne bis spät abends. Es ist warm. Ich trage kurze Hosen und Frau G. badet im See (N60.80162 E11.02623). Dann sitzen wir bei unsern Nachbarn aus Niederösterreich und plaudern bis spät in die Nacht.