18. September 2013

BahnOsten Transnistrien: mit der Bahn nach nirgendwo

Dicker Nebel suppt Chişinău zu; sieht doch alles gleich viel hübscher aus. Am Bahnhof ist nicht viel los, bloss eine Handvoll Reisewillige stehen herum. Und unser Zug 642. Ein paar grüne Personenwagen und eine blaue Diesellok vorne dran. Heute reisen wir 2. Klasse - und das bedeutet diesmal Holzbänke.

Pünktlich um halb acht fährt unser Zug nach Transnistrien los. Erst schleicht er durch die Vororte und dann weiter übers Land. Die Landschaft ist unspektakulär, hügelig und neblig. Viel Brachland und Gestrüpp. Der Zug hält selten mal an, steht dann aber lange. Fahrplanmässig treffen wir pünktlich um 9:44 in Tiraspol ein. Der Bahnhof ist wie ausgestorben. Keiner da?

Tiraspol ist die unbekannte Hauptstadt von Transnistrien. Und Transnistrien ist seit zwanzig Jahren ein eigener Staat. Den gibt es aber eigentlich gar nicht, da er bis heute von keinem anderen Land anerkannt wurde. Aber er hat alles, was ein Staat braucht. Für uns hat er erst einmal eine Grenzkontrolle; Zettel ausfüllen und den Pass durch ein Fensterchen reichen, Stempel drauf - und nach drei Minuten sind wir eingereist.

Auf dem Bahnhofplatz stehen ein paar Busse und zwei Hunde herum. Sonst ist nichts los. Erst mal Geld wechseln und dann kaufe uns ein Frühstück. Gipfeli – mit Sauerkrautfüllung. Irgendwie sind meine Sprachkenntnisse wohl lückenhaft.

Wir laufen ins Stadtzentrum, das ist ab hier etwa ein Kilometer. Es würden auch Busse fahren, aber wir mögen nicht warten bis einer kommt. An der Strasse des „25. Oktober“ sehen wir ein Café; also ergänzen wir unser Frühstück um ein Heissgetränk. Alle sprechen russisch und schauen russisches Fernsehen. Nett hier.

Entlang dieser Strasse stehen die meisten Sehenswürdigkeiten Tiraspols. Theater, Kulturpalast, Parlament und andere mehr. Alle in diesem Sowjet-Stil. Und ein wenig vom Alter gezeichnet. Aber eigentlich sieht es hier genauso aus, wie in Moldawien oder Rumänien. Bloss in kyrillisch.

Am Ufer des Dnjestr befindet sich ein grosser Park mit einigen Denkmälern, Monumenten und dem obligaten Sockelpanzer. Jetzt wo die Sonne scheint ist es wieder schwülheiss. Ich muss brünzlen und habe Durst. Ersteres erledige ich im anwesenden Grünzeug, der Durst aber bleibt.

Vom Parlamentsgebäude winkt uns ein Granit-Lenin zu. Ich bin ein wenig beeindruckt, dass der immer noch so zuversichtlich in die Zukunft schaut. Ganz in der Nähe ist ein ebenso imposantes Suworov-Denkmal. Der General galoppiert mit dem Pferd ins Nichts. Auf die Pferdehoden hat jemand was geschrieben. Bestimmt etwas aufmunterndes?

Mein Durst lässt nicht nach, dagegen müssen wir dringend was unternehmen. Und da kommt zufällig der Trolleybus nach Bender daher…

Zug 642 Chişinău-Tiraspol, 2.Klasse, 71 km, 2:24 h, ca. 0.90 Euro

17. September 2013

BahnOsten: von Rumänien nach Moldawien

Iasi. Zum Frühstück gibt’s heute Spiegelei und über Iaşi Hochnebel. Am Busbahnhof, gegenüber vom Bahnhof, ist heute Morgen nicht viel los. Halbvolle Busse kommen und gehen. Alles ist perfekt organisiert und die Leute sind ausgesprochen nett. Eigentlich wäre ich ja lieber mit dem Bahn gefahren, aber die Fahrt dauerte schier endlos. Und so machen wir es halt wie die Einheimischen und nehmen den Bus.

Unserer nach Chişinău startet pünktlich um neun Uhr vom Peronul 5. Ein „Otokar“ mit dreissig Sitzplätzen und einem Riss in der Frontscheibe. Der Fahrer ist so ein richtiger Kerl; Bürstenschnitt, Lederjacke und Zigarette.
Bereits nach einer halben Stunde Fahrt erreichen wir die Grenze. Kurze Kontrollen beiderseits vom Grenzfluss – und schon sind wir aus der EU raus und in Moldawien drin.

Die Landschaft ist – öööhm, ja wie soll ich sagen – da. Hügel und struppige Felder. Ab und zu ein Landstädtchen. Es regnet, kaum Verkehr. Die Strasse ist manchmal etwas zerknittert oder perforiert, oder onduliert. Wir kommen dennoch recht zügig voran. Nach etwa drei Stunden erreichen wir schon den Stadtrand von Chişinău, der Hauptstadt Moldawiens. Jetzt hat es etwas mehr Verkehr, es geht drunter und drüber. Als es dann irgendwie nach Stadtzentrum ausschaut, steigen wir aus. Unser Hotel ist erstaunlicherweise ganz in der Nähe.

Das Hotel „Cosmos“ hat 22 Stockwerke und ich würde es nicht als sehr zierlich bezeichnen. Und auch nicht als brandneu. Unser Zimmer liegt im zehnten Stock und ist braun-beige in allen Varianten. Vom Balkon aus sieht man – die Nachbarhäuser. Und im Westen den blauen Himmel.

Heute müssen wir unbedingt noch einige Tickets für die Weiterreise besorgen. Was mich wenig freut, da ich endlose Palaver befürchte.
Auf dem Weg zum Bahnhof latschen wir zufällig einem kleinen Busfahrschein-Fachgeschäft vorbei. Minuten später haben wir unser Busticket nach Galaţi in den Händen. Super. Am Bahnhof gibt es zwar kaum Züge, aber einen Schalter für internationale Billets. Völlig problemlos erfüllt man uns unsere exotischen Wünsche. Hätte ich jetzt nicht gedacht, dass das so gut klappt! Und so freundlich.

Bus „Transbus Codreanu“, Iasi–Chisinau, 130 km, 3:15 h, ca. 10.50 Euro

16. September 2013

BahnOsten Rumänien: Iaşi mag uns

Das Hotel "Continental" liegt mitten im Stadtzentrum von Iaşi und war einst wohl eines der Besten der Stadt. Inzwischen ist es ein wenig in die Jahre gekommen und verströmt dieses typische Ostblock-Flair. Abgetretene Teppiche und furnierte Spanplatten. Unser Zimmer ist sehr gross und wohnlich. Einzig ein grosser Wasserfleck an der Decke weist auf gewisse Schwächen während der Regenzeit hin. Aber was soll‘s, jetzt ist Spätsommer und sonnig.

Der Lift gibt weinerliche Geräusche von sich. Und er bleibt unterwegs immer wieder stehen. Einfach so, auch da wo es keine Tür hat. Wir drücken dann auf den  Knöpfen herum, bis er wieder fährt. Irgendwohin.
Gleich vor unserem Hotel ist ein grosser Platz, Plata Unirii, mit einem Denkmal. Gestern Abend haben hier die Leute Tango getanzt. Und später haben Andere für Strassenhunde demonstriert. Oder dagegen, so genau konnte ich das nicht erkennen; jedenfalls etwas mit Hunden.

Der Bulevardul Ștefan cel Mare ist die Flaniermeile von Iaşi. Er führt von unserem Hotel bis zum Kulturpalast im Süden. Vorbei an grossen Theatern, prächtigen Kirchen und üppigen Warenhäusern. Aber auch vorbei an sozialistischer Betonarchitektur, die mittlerweile ja auch schon wieder sehr reizvoll ist.

Der Kulturpalast ist ein riesengrosses schlossähnliches Gebäude mit Türmen und Türmchen. Gleich südlich davon liegt der Palas-Park. Wasserspiele, Blumenrabatten und Garten-Cafés. Und rundherum jede Menge nagelneuer Shoppingcenters. Eigentlich ganz schön hier.

Zu Fuss und mit der Strassenbahn erkunden wir die Innenstadt. Manche der Trams sind aus Stuttgart und fahren hier in ihrem zweiten Leben im Kreis herum.
Auf vielfachen Wunsch trinke ich heute ein Ursus Bier. Später muss ich feststellen, dass das zusammen mit Schoggi-Torte eigenartig schmeckt.

Iaşi ist eine unglaublich angenehme und gemütliche Stadt. Hier würden wir gerne noch etwas länger bleiben. Aber morgen müssen wir weiter - wir haben doch keine Zeit...

15. September 2013

BahnOsten Rumänien: im Paris des Ostens

Iaşi wird gerne auch als das „Paris des Ostens" bezeichnet.

Vermutlich wegen diesem "Moulin rouge" an der Bahnhofstrasse?

14. September 2013

BahnOsten Rumänien: einmal quer hinüber

Cluj Napoca. Unser heutiger Zug besteht aus nur drei Personenwagen und einer Elektrolok. Und die sieht diesmal wesentlich besser aus, als die Wagen. Unserer ist der mittlere, ein 1. Klasse-Seitenabteilwagen in heftigem 1970-er Jahre Schick. Ein Traum in Hellbraun, Orange und Mausgrau gesprenkelt; wobei ich mir bei den Sprenkeln nicht sicher bin, ob die gewollt sind.

Der Wagen ist bis auf unser reserviertes Abteil völlig leer. Da sitzen schon drei Leute drin und die Heizung läuft auf Stufe „Oberhitze“. Wir setzen uns daher in ein anderes Abteil und hoffen, die Plätze sind nicht reserviert. Pünktlich um 9:12 verlassen wir Cluj und fahren ostwärts.

Die Landschaft ist hügelig und sonnenverdorrt. Staubgelbe Getreidefelder und Kleinstädte. Leeräugige Fabrikruinen und dann wieder Bauernhöfe. Ab und zu halten wir an und manchmal steigt jemand zu. Meist steht aber bloss der Bahnhofvorstand da und winkt uns mit seiner grünen Kelle hinterher.

Um eins, hinter Lunca Ilvei, ändert sich aufs Mal die Landschaft. Wälder und Schluchten. Und immer wieder kleine Bahnhöfe. Bahnhöfe mit unzähligen Geleisen, auf denen das Gras hüfthoch steht. Wohl wenig Bahnverkehr in der letzten Zeit.
Stunde um Stunde rollen wir gemächlich von Bahnhof zu Bahnhof; dreiundzwanzig werden es bis zum Schluss sein. Um halb vier, kurz vor Suceava, ändert sich die Landschaft erneut, nun wieder flach und dürr. Jetzt steigen Leute zu, unser Wagen ist bald halbvoll. Und wir fahren nun auch wieder schneller, manchmal bestimmt fast achtzig.

Auf die Minute pünktlich erreichen wir um 18:12 den Hauptbahnhof von Iaşi.
Ein sehr netter Taxifahrer bringt uns ins „Hotel Continental“. Unser Abendspaziergang endet nach kurzer Zeit in einem Gartenrestaurant. Bei Fitness-Salat und Limonade erholen wir uns von dem langen Ritt.

IR 1832 Cluj Napoca–Iaşi, 9:00 h, 460 km, 1.Klasse, ca. 23 Euro

13. September 2013

BahnOsten von Ungarn nach Rumänien in einem Zug

Budapest. Um halb Neun schieben sie unsern Zug auf Gleis 5 in den Bahnhof hinein. Bloss drei Personenwagen und ein Restaurantwagen. Und die hässlichste Lok weit und breit. Gefällt mir, denn wer so ausschaut, hat schon manche Schlacht gewonnen. Unverwüstliche Technik.

Pünktlich um 8:45 fahren wir los. Der Zug ist fast leer, höchstens zwanzig Passagiere. Unsere Sitzplätze sind in einem Grossraumwagen mit grünvioletten Sitzpolstern und dunkelroten Vorhängen. Ganz nett und sehr bequem.

Der Zug schleicht zuerst durch die Budapester-Vororte und dann übers Land. Ab und zu fährt er schneller, aber meist rollt er gemütlich nach Südosten. Die Landschaft ist flach, sonnengedörrt und endlos.

Gegen Mittag erreichen wir Püspökladány. Lokwechsel; nun kommt eine Diesellok vorne dran. Das ist in fünf Minuten erledigt, wir aber stehen noch weitere Dreiviertelstunden auf dem Bahnhof, bevor es fahrplanmässig weiter geht. Gut so, bloss keine Eile.

Die Sache mit der Diesellok stellte sich kurze Zeit später als überaus klug heraus; denn aufs mal fehlten die Fahrdrähte. Aus Langeweile füllen wir ungarische Kreuzworträtsel aus. Mein Lösungswort ist „Murmelhund“.

Kurz nach eins sind wir dann in Biharkeresztes. Wieder Lokwechsel, diesmal eine rumänisch Diesellok in blauweiss. Und ebensolch farbige Grenzer kontrollieren unsere Reisepässe. Wie‘s scheint, sind wir an der Grenze? Dies geniessen wir mit einem halbstündigen Stillstand.
Wir essen unsere mitgebrachten Sandwichs und rätseln lange, ob das darin Senf- oder Currysauce ist? Wir bleiben ratlos.

Die Landschaft in Rumänien ist zuerst unwesentlich anders, dann aber fahren wir durch Wälder und Schluchten. Schön hier. Unser Zug rollt relativ zügig dem Ziel entgegen. Pünktlich um 17:40 erreichen wir Cluj-Napoca. Mit der Strassenbahn fahren wir in unser Hotel. Das Hotel Melody mitten in der gemütlichen Altstadt.
Cluj ist eine angenehme und schöne Stadt, aber darüber schreibe ich nichts. Ich muss jetzt schlafen gehen, denn morgen früh geht’s weiter.

IC 363 „Bihar“ Budapest-Cluj Napoca, 7:55 h, 370 km, 2.Klasse, 19 Euro