1. Juli 2013

Benelux: Kuchenziegel und eine Katze im Schuh

Boullion. Morgentau. Die Sonne leuchtet fahl durch den Nebel. Das wird ein schöner Sommertag, also los. Dinant ist ein hübsches Städtchen an der Meuse. Malerisch, aber vom Autoverkehr völlig verstopft. Dafür ist es für zwei Sachen weltbekannt: Saxophon und Coucues.

„Coucues“ sind nicht was ihr jetzt denkt. Das sind so flache Kuchen in allerlei lustigen Formen; Fische, Flugzeuge, Schweine. Ich kaufe mir eine Katze in einem Damenschuh! Die Kuchenplatte ist steinhart; eine Konsistenz wie – öööhm – Sanitärkeramik. Und der Geschmack ist auch vergleichbar. Ich esse selbstverständlich den Kuchenziegel trotzdem.

In Dinant wurde seinerzeit der Adolph Sax geboren. Er ist der Erfinder des Saxophons. Manche erzählen, dass der Adolph eigentlich den Mofa-Auspuff erfinden habe wollen. Damit war er aber seiner Zeit weit voraus, Mofas wurde erst Jahrzehnte später erfunden. Deshalb hat er Löcher in den Auspuff gebohrt und ihn als Blasinstrument feilgeboten; das Saxophon. Später wurde dafür ein Mofa nach ihm benannt; das Sachs. Glauben tue ich‘s aber nicht.

Hier in Wallonien gibt es als „die schönsten Dörfer“ ausgezeichnete Orte. Wir schauen uns ein paar davon an, da sie sowieso auf unserem Weg liegen. Sosoye, Falaёn und andere. Pittoresk gemauerte Häuser, stattliche Dorfkirchen und gemütliche Bierlokale. Schön.

Überhaupt ist die Gegend sehr schön. Nicht aufregend, eher lieblich. Ideal für Seniorenausflüge oder Weltkriege. Wir kurven auf schmalen Landstrassen über die Hügel. Getreidefelder gesprenkelt mit rotem Mohn. Weiden mit stämmigen Kühen. Ab und zu ein Bauernhof. Rundherum viel nichts.

Eigentlich wollen wir heute die Ruinen der Abtei von Aulne anschauen. Aber als wir da ankommen ist der Vorplatz voller Ausflügler. Für uns sind es eindeutig zu viele. Wir fahren drum zur Kanalschleuse ganz in der Nähe; schiffegucken. Frau G. hat Koliken und braucht Ruhe. Und das Wetter verschlechtert sich auch. So übernachten wir hier.

30. Juni 2013

Benelux: Mönche, Männer und so

Das Wetter ist nach wie vor unschön. Also fahren wir weiter, nach Belgien. Ist nicht weit und vielleicht scheint da ja die Sonne?
Kurz nach der Grenze lockt uns ein Schild zur Abtei von Orval. Das ist ein grosses Kloster mit einer eigenen Bierbrauerei. Hinter den neueren Gebäuden beschauen wir die Ruinen des alten Klosters; teilweise romanisch, das meiste aber gotisch.

Das heutige Kloster ist nicht zugänglich, jedenfalls nicht für uns. Und hinein gewollt hätten wir sowieso nicht. Der einsetzende Regen treibt uns weiter. Schon bald kommen wir nach Bouillon, der Stadt, die wie eine Suppe heisst. Ganz anders als bei unserem letzten Besuch ist es heute dumpf und öd. Damals war es sonnig und Sonntag und es herrschte quirliges Treiben. Heute nicht.

Wir fahren zum Übernachten zum Tschuttiplatz und trinken erst einmal ein Orval-Bier. Als dann für einen Moment die Sonne scheint, pedalen wir gschwind mit dem Velo in die Stadt. Schaufensterbummel. In einem kleinen Laden verkaufen sie den Tabak gleich kübelweise. Das habe ich heute schon andernorts gesehen. Und die Leute kaufen den auch kübelweise!

Dann kommen wieder die grauen Wolken und wir setzen uns in eine Bar mit Internet. In dem Lokal namens „Le-Saint-Arnould“ verkehren auffallend viele schicke Männer, die sich zur Begrüssung auffallend ausgiebig küssen. Ich vermute, die sind alle miteinander verwandt.

29. Juni 2013

Benelux: zu zweit duschen und viel Giessharz

Seit dem ersten Tag ist unserer Wasserpumpe kaputt. Am Druckschalter ist ein elektrischer Kontakt abgefault. Der erste Reparaturversuch ging schief, ich habe drum den Druckschalter überbrückt. Seither mussten wir immer zu zweit duschen. Einer duschte und der andere war der Maschinist und bediente die Pumpe.

Das klappte soweit ganz gut, aber jetzt will ich sie flicken. Aus einem Metallstreifen, dem Anschluss einer Blockbatterie, fertige ich einen neuen Kontakt. Dann feile ich das Schaltergehäuse passend und verklebe alles mit Giessharz. Als alles fest ist, funktioniert es – nicht. Dauerkontakt. Das ist nicht der Sinn eines Schalters!
Alles auseinander nehmen und noch einmal machen. Und viel Kunstharz. Dann – hurrrra - funktioniert er wieder; wie neu. Ich habe mit der Reparatur einen halben Nachmittag verplempert, aber was kann man bei dem Wetter denn sonst tun.

28. Juni 2013

Benelux: schwanzlos hinter dicken Mauern

Gestern Abend sind wir in Fond-de-Gras geblieben und haben ganz malerisch am Bahnhof übernachtet. Heute Morgen weckt mich der Regen, der aufs Dach prasselt. Das mag ich.
Nach dem Frühstück fahren wir ein paar Kilometer - und sind schon wieder in Belgien, dann in Frankreich. Einkaufen. Ich gönne mir so ein Dreierpack Pommes-Chips: Geschmacksrichtung „Poulet“, „Bolonaise“ und noch was. Warum tun die nicht einfach Salz dran?

Weiter geht’s auf kleinen Landstrassen, immer der belgischen Grenze entlang. Die Landschaft ist – öööhm – anwesend. Unaufdringlich und eher flach. Nicht weit und in der Ferne taucht die Festung von Montmédy auf. Die wollen wir uns anschauen.

Montmédy ist so eine typische barocke Festung, eine Zitadelle, wie sie Vauban überall hat bauen lassen. Allerdings befindet sich hier innerhalb der Mauern ein kleines Dorf. Ein paar Häuser, eine viel zu grosse Kirche und Bauruinen. Überall Einschusslöcher, obwohl der letzte Krieg doch schon ein paar Jahrzehnte her ist. Alles wie ausgestorben, Wir begegnen bloss einem alter Mann und einem schwanzlosen Hund an. Den Hund ernenne ich zu unserem Wachhund. Er rennt weg.

Wir passen grad noch so durch das Tor hindurch; 2,20 mal 2,70 Meter. Knapp, aber es reicht. Also wohnen wir heute gut geschützt innerhalb der dicken Mauern. Am Abend kommen Leute und spielen auf einem Kiesplatz Boul. Ich schaue zu. Boul ist wie Sport, aber in Zeitlupe. Und ohne Schweiss.

27. Juni 2013

Benelux: übergeschnappt, und viel bahnfahren

Rumelange. Beim Frühstück erzählt Frau G. vom Feuerwerk in der vergangenen Nacht. Ich habe geschlafen und nichts davon mitbekommen. War alles bestimmt bloss ein Traum! Sie beharrt aber auf dem Feuerwerk und versucht ihre Träumerei sogar mit Fotos zu belegen. Jetzt fotografiert sie schon ihre Träume - ist Frau G. nun übergeschnappt?

Mal vom Nieselregen und dem eisigen Wind abgesehen, ist das Wetter ganz gut. Wir fahren einige Kilometer weiter, bis zum alten Bahnhof „Fond-de-Gras“. Er ist erstaunlich gross und liegt in einem abgelegenen Wald. Einst war hier das Zentrum der umliegenden Eisenerzgruben, bis diese in den 1960-er Jahren eingingen.
Ausgerechnet heute fahren auf den alten Geleisen wieder die Züge. Da wollen wir – ich- natürlich dabei sein. Unsere erste Fahrt geht mit dem Schienenbus nach Pétange.

Zurück nach Fond-de-Gras mit dem Dampfzug; wir reisen 1. Classe.

Die dritte Fahrt mit der Schmalspur Grubenbahn und einer Dampflok nach Doihl.

Die vierte Fahrt mit der elektrischen Grubenbahn durch die Erzgrube hindurch nach Lasauvage.

Dann weiter mit einer Diesel-Grubenbahn nach Lasauvage Eglise und Saulnes in Frankreich.

Die sechste Fahrt geht wieder durch den Stollen zurück nach Doihl, Elektro-Grubenlok.

Und wieder zurück nach Fond-de-Gras mit der Dampflok.

Im Bahndepot stehen noch mindestens ein Dutzend Lokomotiven. Einige sind fahrbar, andere schwer krank.

Nach drei Tagen mit alter Eisenbahnen ist jetzt genug. Frau G. zeigt sich zwar nach wie vor nachsichtig, doch ich will ihre Geduld keinesfalls überstrapazieren. Die nächsten Tage sollen frei von müden Maschinen sein. Ausser der Zufall sollte es anders wollen…