13. Dezember 2012

Algerien: Süsskram und ein schwarzer Mond

aus meinem Tagebuch: Teil 4
Mittwoch 3. April 96. Am Vormittag besuchen wir den Markt. Zahllose Händler bieten Unmengen von Waren an. Billigst Batterien aus China, emaillierte Blechtöpfe und in Einzelteile zerlegte Kamele. Schon alleine die verschiedenen Gerüche waren einen Besuch wert. Während wir in einem Strassencafe Cremeschnitten futtern, bemerken wir, dass uns die Polizei beobachtet. Nicht gut, ich glaube, es wird für uns Zeit, El Oued zu verlassen!

Wir wollen nach In Salah in Zentral-Algerien. Auf der direkten Hauptstrasse geht das nicht; da soll es überall Strassensperren geben. Direkt nach Süden geht’s auch nicht, da sind die schier endlos Sanddünen des Grand Erg Oriental. Wir könnten aber versuchen die Städte nördlich zu umfahren. Das wäre unüblich und eine von Touristen kaum heimgesuchte Region. Ich kenne da auch einige Schleichweg bis in die Gegend von Ghardaia. Und ab da gibt es dann genügend abgelegene Pisten in den Süden.
Am Mittag, als alle im Schatten dösen, fahren wir kurzerhand los. Nach Norden aus der Stadt hinaus. Vor einer grossen Kaserne am Stadtrand stehen lange Kolonnen Militärfahrzeuge und die Soldaten sind grad aum Aufsitzen. Kein gutes Zeichen.
Etwa 30 Kilometer nördlich von Guemar biegen wir nach Westen ab. Die Strasse ist sogar geteert und quert den Nordrand vom Souf. Wir übernachten in einem Dünenfeld, einen Kilometer weg von der Strasse. Der Wind bläst uns den Sand ins Gesicht, aber wir sind froh, draussen zu sein.
Kurz vor Mitternacht bekommt der Vollmond einen Schatten. Die versprochene Mondfinsternis beginnt. Wir haben uns liegestuhlförmige Gruben gegraben und liegen nun drinnen und schauen dem Mond zu. Um Mitternacht ist der Mond komplett dunkel. Leo „spielt“ mit seinem Didgeridoo. Hört sich irgendwie nach Hirsch und Brunft an.
Philippe meint, der Mond sei ein abgesprengtes Stück der Erde. Ich vermute, ein Stück Algerien; da die hier ja alle eine Ecke ab haben.
Ob wir morgen weiter in den Süden kommen? Hoffen wir mal, und machen wir das Beste aus der misslichen Situation. Aber erst einmal wollen wir die Wüste geniessen.

Morgen geht es hier weiter, und um nackte Kerle.

12. Dezember 2012

Algerien: wenn die Wüste grenzenlos wäre

aus meinem Tagebuch: Teil 3
Dienstag 2. April 96. Gegen halb neun fahren zur Grenze, ist ja nicht weit. Früher hinzufahren lohnt sich meist nicht, da die Grenzer dann noch schlafen. Ich habe gemischte Gefühle; so zwischen Erinnerungen an die "guten alten Zeiten" und Neugier auf das "neue Algerien". Hazoua, der tunesische Grenzort hier im Süden, ist in den letzten Jahren mächtig gewachsen. Hässliche Neubauten, wohin man blickt. Die Grenzabfertigung geht zügig und freundlich, sonst ist aber alles beim Alten geblieben. Die Grenzer interessieren sich sehr für Leos Didgeridoo im Bademantel; lassen ihn aber doch passieren.
Nach ein paar Kilometern Niemandsland kommen wir zum algerischen Grenzposten Taleb Larbi. Auch hier; ausser einem neuen Dach, sehe ich keine Veränderungen. Freundlich und hilfsbereit werden wir abgefertigt. Polizei – Zoll – Devisendeklaration - Pflichtumtausch – Versicherung, wie früher. Der Bankier kann nicht rechnen, der Versicherungsagent ist fast blind und wird von einem Schwarzhändler begleitet. Nach etwa drei Stunden sind wir abgefertigt und dürfen los. Grüezi Algerien!

Der Sandwind ist inzwischen noch etwas kräftiger geworden. Wir sind gespannt, was uns erwartet. Vorerst erwartet uns Wind, Sand und steinewerfende Kinder. Philippe muss alle paar Kilometer seinen Töff auf die Seite legen, damit etwas vom restlichen Benzin in den Vergaser läuft! Alle Tankstellen haben zwar Benzin; aber heute Stromausfall, und so laufen ihre Pumpen nicht. Benzinreserven haben wir natürlich keinen mit, denn Benzin kostet hier ja bloss halb soviel wie in Tunesien.
Kurz vor El Oued werden wir an einer Strassenkontrolle ein weiteres Mal angehalten. Ein netter Uniformierter nimmt uns gleich die Pässe ab, nuschelt etwas ins Funkgerät - und bittet uns, doch einen Moment zu warten. Tun wir doch gerne ...
Nach wenigen Minuten braust ein silbriger Peugeot daher. Ihm entsteigen einige grimmige Herren mit Maschinenpistolen und bitten uns freundlich, ihnen doch zu folgen. Wir besuchen gemeinsam das örtlichen Polizeipräsidium. In einem schäbigen Büro im zweiten Stock offenbart uns der Chef der „Strassenräuber“, dass die Weiterfahrt verboten sei. Wir jammern ein wenig. Er bietet uns drum ein Begleitfahrzeug nach Illizi (Südostalgerien) an. Wir wollen aber weder ein Begleitfahrzeug, noch nach Illizi. Also lehnen wir dankend das grosszügige Angebot ab. Daraufhin legt man uns nahe, nachhause zu fahren!
Doch dann bekommen wir überraschend unsere Pässe zurück. Und den dringenden Wunsch, uns vorläufig im „Hotel du Souf“ einzuquartieren. Ein schönes Hotel zum Entspannen - gewiss, aber wir wollen uns nicht entspannen. Wir wollen in die Wüste!
El Oued ist uns vertraut. Im Stadtzentrum essen wir erst einmal ein Grillhähnchen und trinken farbige Limonaden. Zurück im Hotel werden wir von einen bekannten Gesicht empfangen. Unser Polizist bringt drei weitere Schweizer vorbei. Auch sie sind in der Strassenkontrolle hängen blieben. Sie kamen bis nach Hassi Messoud hinunter, und wurden dann zurückgeschickt. Sie berichten von zahlreichen Strassensperren und Kontrollen unterwegs. Unser Plan einfach abzuschleichen, scheint zu platzen. Mal schauen ...
Bis Mitternacht sitzen wir zusammen im Hotelgarten. Über uns der Mond, in uns reichlich zuckersüsse Limo.

Morgen geht es weiter, und um gar keinen Mond.

11. Dezember 2012

Tunesien: Versteinerungen, Couscous und Nutella

aus meinem Tagebuch: Teil 2
Montag 1. April 96. Gegen 6 Uhr erwache ich. Draussen höre ich Gerede. Ich steige aus meinem Bus-Bett und gehe nachschauen. Das verlassene Haus ist gar nicht verlassen! Die Bewohner sind schon auf den Beinen und bestaunen die zahlreichen Besucher auf ihrer Veranda. Mit einer herzlichen Entschuldigung und zwei Dosen Bier regeln wir die Übernachtungskosten.
Den ganzen Tag rollen wir südwärts, wir wollen heute bis Nefta. Unterwegs verlieren wir den Kontakt zu unsern Töffs. Kein Problem. In Gafsa warten wir in einem Strassencafé, doch sie kommen nicht. So fahren wir weiter. In der Nähe von Metlaoui gehen Leo und ich Leo Fossilien suchen. Doch wir finden nichts Gescheites, bloss versteinerte Muscheln. Wenn die Töffs noch hinter uns wären, müssten sie uns jetzt längst eingeholt haben, doch sie sind nirgends zu sehen. Leo spielt noch etwas Didgeridoo, drum will ich losfahren. Also fahren wir bis nach Tozeur und hängen dort in einem Strassencafé herum. Und warten. Nichts. Wir futtern präventiv etwas Kuchen.
Um fünf Uhr kommen wir an unserem Übernachtungsort, im „Marhala“ in Nefta, an. Auch hier; keine Töfffahrer. Hätten wir in Gafsa doch noch länger warten sollen? Dann schellt das Telefon. Ist für mich, Andi ist dran: Sie sind noch in Gafsa - und warten auf uns! 120 Kilometer hinter uns.
Eine gute Stunde später sind sie da. Gemeinsam gehen wir bei meinem Freund im „Specialite Couscous“ Nachtessen. Nett, aber nicht wirklich gut. Wie immer.
Das Hotel „Marhala“ ist ein älteres Hotel aus den hier typischen Backsteinen. Alles, selbst die Betten sind gemauert. Früher stand es ganz allein ausserhalb von Nefta. Jedes Jahr rücken aber die Neubauten näher, die ersten sind schon fast da.
Ich bringe für die Kinder des Inhabers immer Schoggi und Nutella mit, auch dieses mal. Ich habe seine Kinder aber noch nie gesehen; könnte ja sein, dass er gar keine hat und das Zeug selber isst.

10. Dezember 2012

Tunesien: vom Versuch in die Sahara zu fahren

Früher reiste ich jedes Jahr mehrmals in die algerische Sahara. Bis dort Anfang 90-er Jahre Unruhen begannen. 1996 erschien sich die Lage wieder etwas beruhigt zu habe. Warum also nicht mal wieder hinfahren und nachsehen?
Wir, das waren drei Töffahrer: Gü (Honda Dominator), Andi und Philippe (Kawa KLX 650). Dazu der Leo bei mir im Begleitfahrzeug (MB310 4x4). Wir waren alles alte Freunde und erfahrene Weltreisende. Damals habe ich leider fast keine Fotos gemacht und die paar wenigen habe ich glaub verloren. Es war damals halt einfach eine von vielen Saharatouren ...

aus meinem Tagebuch: Teil 1
Samstag 30. März 96. Früh am Morgen fahre ich von zuhause los. Unterwegs steigt Leo zu. Er hat ein Didgeridoo dabei. Das Ding ist bestimmt anderthalb Meter lang und in einen Frotte-Bademantel eingerollt.
Auf der Gotthard-Raststätte treffen wir die drei Töffler - Andi, Gü und Philippe. Und weiter. Frühstück in Bellinzona. Kaum in Italien, streikt Gü’s Töff. Ein Deckeli am Motor ist weg. Wir laden beide zu uns in den Bus und fahren weiter.
Gegen Mittag sind wir im Hafen von Genua. Andi und Philippe fahren noch gschwind in die Stadt, um einen Deckel für Gü’s Dominator zu besorgen; ist hier vermutlich einfacher als in Tunesien. Ich mache den Papierkram für alle und dann warten wir aufs Schiff. Ein kurzes Gerangel und wir sind auf der Fähre. Und ganz vorne, was bei der Ankunft guuut ist Pünktlich um 17 Uhr verlässt die „Dame M“ mit uns an Bord den Hafen. Das Schiff fährt als Ersatz für die "Habib" und ist etwa gleich - öööhm - nett.

Sonntag 31. März 96. Den ganzen Tag hocken wir auf dem Schiff! 24 laaangeweilige Stunden.
Als wir La Goulette, den Hafen von Tunis, verlassen, ist es bereits finster. Wir fahren gleich auf die Autobahn und gegen Süden. Etliche Schilder weisen auf die neuen Zahlstellen hin, doch die sind zum Glück noch nicht in Betrieb.
Nachtessen in Bou Ficha, da wo ich im letzten November kotzen musste! Wegen einer Cremeschnitte, die gut schmeckte - dabei aber sehr eigenwillig roch.
Wir übernachten am Strand vorne, neben einem verlassenen Haus.

9. Dezember 2012

keine Katze heisst Merkel

Zweiter Adventssonntag: Wenn ich eine Katze hätte, täte ich sie "Traktor" nennen. Ich habe aber keine.

Wollte das nur mal mit aller Deutlichkeit gesagt haben ...

8. Dezember 2012

Reisetipp: Kinderfoto

Der Reisetipp am Samstag: Bei Kontrollen unterwegs muss man öfters mal den Reisepass vorzeigen. Ein Beamter mit einem speckigen Kragen blättert dann lustlos darin hin und her. Und stellt dann mürrisch einige Fragen. Name? Woher? Wohin?
Ich lege immer ein Foto mit "meinen" Kindern in den Pass. Das fällt dann bei der Kontrolle gerne zu Boden und der Beamte muss es aufheben. Er schaut drauf - und erzählt von seiner eigenen Brut. Von seinen kräftigen Buben und den paar Mädchen. Die Stimmung lockert sich jeweils schlagartig.
Auf meinem Foto sind einige Nachbarkinder abgebildet. Nur Knaben und vor neutralem Gebüsch. Nicht das ein Betrachter noch auf die Idee kommt, ich schwelge in Reichtum. Und würde ihm gerne etwas davon abgeben.