5. August 2011

mein Coiffeur und die Staunässe

Mein Coiffeur gehört einer aussterbenden Gattung an; er ist ein Herren-Coiffeur - ein Haarschneider für Männer.
Über der Eingangstür steht werbewirksam „Herren“ geschrieben. Und im Schaufenster locken zwei Bilder von prächtigen Haarschöpfen und ein weisslicher Vorhang. Durch eine Glastür betritt man seinen „Salon“. Er ist etwa drei mal vier Meter gross und dreigeteilt. Gleich links vom Eingang steht eine Bank, mit Kunstleder bezogen. Hier setzt man sich hin und wartet bis man dran kommt, denn anmelden kann man sich bei meinem Haarschneider nicht. In der Mitte des Salons steht der „Behandlungsstuhl“. Schwarzes Kunstleder, hellgelbes Fahrgestell. Ganz vorne an der Stirnwand ist seine Werkbank mit einem Waschbecken und ein paar Schubladen. Darüber ein Spiegel. Ansonsten gibt es nicht viel; kein Raumschmuck, keine trendige Illustrierten – doch, eine Deckenlampe mit einem Blendraster hat es noch.

Also setzte ich mich auf die Kunstlederbank und warte. Meine Beine sollte ich nicht übereinanderschlagen, denn der Platz ist rar und dem Coiffeur vorbehalten. Nach ein paar Minuten ist mein Vordermann fertig beschnitten und ich setze mich auf den elektrischen Stuhl. Mein Coiffeur fragt: «schneiden?». Ich sage «ja». Eigentlich ist die Frage überflüssig, ich wüsste jedenfalls nicht, was er sonst noch anbieten täte. Und da nun alle Stylingfragen geklärt sind, beginnt er mit Haare schneiden.
Keine Viertelstunde später bürstet er mir einige entflohene Haare von den Schultern. Schabt noch mit einem Rasiermesser die Nackenhaare und fertig. Keine Pflegespülung, keine Duftwässerchen, kein Getue.
Die Viertelstunde Bearbeitungszeit hat gerade knapp gereicht, um die Vor- und Nachteile von Zementplatten auf dem Gartensitzplatz zu erörtern. Ich empfehle ihm eine Holzveranda, auch wenn der Unterhalt aufwendiger ist. Aber sie heizt sich im Sommer weniger auf und ist einfach viel wohnlicher. Wichtig ist aber ein Längsgefälle von mindestens zwei Prozent. Aber das ist ja auch bei Zementplatten nicht anders. Und keine Staunässe, also unbedingt auf eine ausreichende Entwässerung achten. Wir konnten uns noch nicht entscheiden, aber in drei Monaten werden wir noch einmal darüber sprechen.

4 Kommentare:

  1. und in der mitte der veranstaltung kam regelmäßig von meinem vater die anweisung :hinten kürzer! als ehemaliger wehrmachtssoldat wusste er um die gefahr, die von zu langen nackenhaaren ausging : übermäßiger verschleiß der hemdkragen, läuse könnten sich einnisten und allgemeiner sittlicher verfall...
    und so kämpfte er nach der kapitulation weiter an der heimatfront...
    gruß thomas

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  2. Hoi Thomas
    DAS kenne ich! Bei mir waren es damals nicht die Nackenhaare, sonder die ums Ohre herum. Die mussten weg, alle, restlos - ums verrecken. Und dabei wollte ich damals unbedingt die gleiche Frisur wie der Buffalo Bill.

    liebe Grüsse vom Muger

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  3. Wunderbar! Ein Herrenhaarschneider ohne SchnickSchnack. Einfach nur Haareschneiden. Zu so etwas kann man jeden Herrn nur beglückwünschen.
    Aber ich schätze mal, auch diese Art Läden gehören der aussterbenden Art an

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  4. Am nächsten Samstag fahre ich über den Brünig-Pass - vielleicht hat Dein Coiffeur ja dann geöffnet...

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