6. November 2017

Bulgarien: Brutalismus und Mistwetter

Schumen. Es regnet. Alles ist trüb und grau. Und Frühstück gibt es in unserem Hotel auch keines!
Bei Sonnenschein mag Schumen ja ein nettes Städtchen sein, doch bei dem Mistwetter wirkt alles ziemlich schäbig und trist. Wir schlendern durch die Fussgängerzone und schauen uns um. Neben den paar schmucken Fassaden fallen vor allem die bombastischen Verwaltungsbauten und Denkmäler aus der kommunistischen Brutalismus-Ära auf.

Der Säulenmann ist das „Freiheitsdenkmal“ und oben auf dem Berg steht das monumentale „Schöpfer von Bulgarien" Denkmal. Typisch für ihre Zeit. Doch heute wirkt das alles ziemlich vongestern.

Ganz besonders fällt die Bauruine des Verwaltungszentrums auf. Der unfertige Betonstumpf ragt hoch in den Himmel hinauf und ist so unnütz wie ein knorpeliger Kropf. Und gleich daneben führen massive Granit-Treppen in eine nie fertiggebaute Tiefgarage hinunter. Wenigsten die Skater-Buben nutzen die Brüstungen als Rampe.

Heute wollen wir ein grosses Stück nach Westen fahren. Wie so oft benutzen wir nicht die Autobahn, sondern brummen gemütlich über die verkehrsfreien Nebenstrassen. Weite Landstriche scheinen unbesiedelt; Brachland und verlassene Gehöfte. Eigentlich wundert uns das nicht, hat Bulgarien doch seit der Wende ein Viertel seiner Bewohner verloren.

In Veliko Tarnovo fahren wir zum grossen Denkmal in der Flussschleife (n43.0823, e25.6379) und bewundern die historische Stadt am Hang gegenüber. Zum Glück scheint genau jetzt für kurze Zeit die Sonne.
Ein Anwohner erzählt, dass damals Fachleute aus Italien viele wichtige Gebäude und Brücken erbaut haben. Er selber spricht sehr gut Italienisch und Französisch. Und dann fragt er noch nach Euro-Münzen. Seine Kinder würden diese sammeln!

Wir rödeln weiter über Nebenstrassen. Manchmal sind sie eher Feldwegen, dann wieder gute Landstrassen. Unterwegs halten wir an einem Strassenlokal und essen Fleischkügeli und sonnengelben Kartoffelstock. Draussen regnet es wieder in Strömen.

Irgendwo im Niemandsland erreichen wir die Devetashka Höhle (n43.2363, e24.8828). Eigentlich wäre eine Höhlenbesichtigung genau das richtige bei diesem Wetter. Doch diese Höhle hat grosse Löcher in der Decke. Idealerweise täte hier die Sonne hereinscheinen, heute aber tröpfelt es von oben. Und da in der Devetashka Höhle auch zehntausend Fledermäuse leben, denke ich, vielleicht tröpfelt es ja aus den Fledermäusen, odr so.

Wir übernachten in Lowetsch im „Park Hotel Stratesh“. Es liegt etwas oberhalb und durch den Regendunst haben wir einen schönen Blick über die Stadt.
Ursprünglich wollte ich in einem anderen Hotel wohnen. Doch als wir heute daran vorbei fuhren, sahen wir, dass sein Dach abgebrannt ist. Glück gehabt - ganz besonders bei dem Regenwetter...

4. November 2017

Bulgarien: die nationale Teigrolle

Baniza sind Blätterteigrollen mit Käsefüllung und ­sehen aus und schmecken wie türkische Börek. Und sie sind so eine Art Nationalspeise der Bulgaren.

Die Baniza gibt es für wenig Geld immer und überall zu kaufen. Und mit verschiedenen Füllungen, von denen wir uns aber mangels bulgarischen Sprachkentnissen jeweils überraschen lassen müssen.

3. November 2017

Bulgarien: Varna und weiter

Varna. Die warmen Herbsttage scheinen nun vorüber zu sein, es ist grauwolkig und windkühl. Wir fahren ins Stadtzentrum von Varna und schauen uns ein paar Sachen an. Der Wind streut welke Blätter über die Strasse. Leute sind fast keine unterwegs. Die Stimmung ist dementsprechend düster und trostlos.

Die monumentalen Bauten, die Oper, die Muttergottes-Kathedrale; alles ist heute farblos trüb. Später lugt ab und zu die Sonne durchs Gewölk. Dann sieht alles gleich viel bunter und freundlicher aus. Selbst die Ruinen der römischen Therme.

Besonders nett finde ich den Fischladen namens "Nemo". Wir schlendern eine grosse Runde durch die Stadt, dann treibt uns das ungünstige Wetter weiter. Beim Marine-Museum schauen wir noch gschwind über den Zaun. Hier liegt auch das berühmte Torpedoboot „Drazki“. Es wurde vor 110 Jahren in der Schneider-Werft in Chalon-sur-Saône gebaut. Von diesen Schiffen sind so gut wie keine erhalten geblieben. Auch nicht die berühmte Werft, die Resten haben wir uns ja letztes Jahr angeschaut.

Als wir Varna verlassen, scheint aufs Mal die Sonne wieder. Zu spät, jetzt fahren wir nach Madara. Hier hat jemand vor tausend Jahren eine riesige Reiterfigur in den Felsen gemeisselt. Wir stampfen gefühlte hunderttausend Treppenstufen hinauf und sehen uns den Stein-Reiter aus der Nähe an. Gross ist er; und hoch oben an der Felswand. Wie eingemauert und irgendwie eindrücklich.

Ganz in der Nähe sind auch noch ein paar Höhlen. Eine ist recht gross und in einer anderen haben sie sogar eine kleine Kapelle eingerichtet. Aber fast noch schöner ist der Herbstwald drum herum; buntlaubig und voller Eichhörnchen.

Schumen ist so eine typische bulgarische Stadt. Rundherum ein paar tote Fabriken, im Zentrum löchrige Strassen und abgelebte Häuser. Alles sieht aus, als sei die gute alte Zeit schon etwas länger vorbei. Es ist kalt und wolkenverhangen.
Heute übernachten wir im „Irish Hotel“ mitten in Schumen. Wir bekommen ein schönes Eckzimmer für 35 Lewa, was weniger als 20 Euro sind. Gut, diesmal ohne Frühstück, aber dennoch ein sehr gutes Angebot.

2. November 2017

Bulgarien: lustige Berge und steinerne Elefanten

Nessebar. Das Wetter hat sich verändert, heute hatten wir Morgennebel. Tagsüber und an der Sonne ist es immer noch sommerlich warm, doch im Schatten ist es schon polarig kalt.
Wir fräsen uns durchs Frühstücks-Buffet und verlassen dann unser Hotel. Heute wollen wir nach Varna. Aber nicht direkt, sondern einen grossen Umweg-Bogen durch die Hügel im Nordwesten machen.
Die Landschaft ist herbstlich dürr, nur die Laubbäume sind noch bunt; vorwiegend gelb.

Unterwegs schauen wir uns die Felsen von „Chudnite Skali“ (n42.9675, e27.2924) an. Die Felszacken wachsen direkt aus dem Stausee und auf halber Höhe tunnelt eine kleine Strasse mitten durchs Gestein. Hübsch anzuschauen, doch jetzt am Morgen liegt leider alles noch im Schatten.

In jedem Dorf gibt es so kleine Kioske, die alles Notwendige anbieten. Und sie alle haben einen Kaffee-Automaten vor der Tür. Hier kostet ein Kaffee mit Milch 40 Stotinki, also etwa 25 Rappen oder 20 Cent. Und schmecken tut er auch sehr gut.

Eine halbe Stunde weiter kommen wir nach Prowadija. Auf dem Felssporn oberhalb der Stadt befand sich 1'500 Jahre lang die Burg Ovech (n43.1867, e27.4333). Von der einst grossen Burganlage sind nur noch einige kümmerliche Ruinentrümmer übrig. Aber das rekonstruierte Burgtor und der grandioser Holzsteg sind trotzdem einen Besuch wert.

Westlich von Varna besuchen wir den „steinernen Wald Pobiti Kamani“ (n43.2283, e27.7059). Hier „wachsen“ zahllose Kalkstein-Säulen aus dem sandigen Boden. Manche der Steinröhren sind fünf, sechs Meter hoch und über einen Meter stämmig. Sie entstanden vor etwa 50 Millionen Jahren, als hier noch Meer war. Und später hat dann die Erosion diese Elefantenbeine wieder freigelegt. Wohl extra für uns Touristen.

Varna ist auch so eine grosse Hafen- und Industriestadt, wie Burgas. Heute fahren wir aber bloss dran vorbei und auf die andere Seite der Bucht. Hier schlendern wir ein wenig durch den Park und schauen zu, wie die Ozeanriesen aus dem Hafen hinaus fahren.
Unser heutiges „Hotel Zelenika“ liegt etwas oberhalb. Von da haben wir einen schönen Blick über die Bucht und Varna – wäre da nicht ein Neubau im Weg. Im Gegensatz zu den Luxushotels der letzten Tage ist das hier ein eher schlichtes Familienhotel. Den fehlenden Komfort macht die nette Gastgeberfamilie mehr als wett.

1. November 2017

Bulgarien: eine menschenleere Stadt am Sonnenstrand

Gar nicht weit von Nessebar ist der berühmte „Sonnenstrand“. Entlang der fünf Kilometer langen Strandpromenade drängeln sich hier mehr als 800 Hotels mit zusammen über 200'000 Gästebetten. Und daneben gibt es auch noch mindestens ebenso viele Restaurants und Bespassungs-Einrichtungen.
Begonnen hat hier alles im Jahr 1958. Damals entschloss das kommunistische Bulgarien, hier in der Bucht die Tourismus-Industrie anzusiedeln. Und zwar planvoll und im grossen Stil. Zuerst entstanden ein Dutzend Strandhotels am sonnigen Strand. Und dann kamen jedes Jahr ein paar mehr dazu.

Mit der Wende kam dann die Wende. Und die Investoren mit der ganz dicken Geldbörse. Seither wurden unzählige neue Hotels gebaut. Jedes grösser und protziger als seine Nachbarn; Spiegelglas, polierter Marmor und goldglänzendes Messing. „Mafia-Barock“ nennen die Einheimischen diesen Baustil.

Der Sonnenstrand ist jeweils vom April bis Oktober geöffnet. Im Winter ist er komplett zu. Die ganze Stadt ist geschlossen. Kein einziger Tourist und kein einziger Tourismus-Arbeiter ist da. Alle sind weg.
Hunderttausend Arbeitsplätze sind dann im Winterschlaf. Eine menschenleere Stadt. Wir fahren hin und sehen uns um. Gähnend leere Strassen und verrammelte Eingänge. Nur die Parkplätze sind voll; voll mit dösenden Mietautos. Die Banken, die Einkaufszentren, die Spassbäder, die Tankstellen und McDonals - alle sind im Winterschlaf. Eine Geisterstadt.

Vor gut zehn Jahren machte ich schon einmal hier Urlaub. Damals im „Hotel Glarus“, einem der ältesten am Sonnenstrand. Und heute sieht es immer noch genau so aus, wie damals. Wie das hässliche Entlein zwischen all den neuen Hotelpalästen. Nebenan schlagen ein paar Männer einen Verkaufsstand zu Kleinholz. Ihr Jahresvertrag scheint ausgelaufen zu sein. Nächstes Jahr sucht hier ein anderes Geschäft sein Glück.