6. Juni 2012

Baltikum: Zeppelin in Litauen

Klaipėdia ist eine langgezogene und grosse Hafenstadt. Früher war es deutsch und hiess Memel. Die Altstadt brannte immer mal wieder nieder und/oder wurde zusammengeschossen, so dass heute wenig altes mehr erhalten ist. An so einem trüben Tag sieht die Stadt etwas schäbig aus.

Einige alte Riegelhäuser stehen noch. Allerdings sind die meisten nicht so beeindruckend, da die Holzkonstruktion verputz ist – wegen dem Brandschutz.

Während es in den Neustadtquartieren geschäftig zugeht, ist es in der Altstadt eher gemächlich.
Vielleicht liegt es aber bloss an den dunkelgrauen Wolken, dass uns die Stadt nur mässig begeistert.

So schlimm, dass man gleich die Fenster zumauern muss, ist es aber nun auch wieder nicht!

Es beginnt zu regnen. Es riecht nach nassem Asphalt und Meer. Wir essen eine Memel-Wurst und buchen eine Autofähre für die Rückfahrt. In gut zwei Wochen soll sie uns von Liepaja nach Travemünde bringen.

Der kleinen Bronze-Maus kann man seine Wünsche ins Ohr flüstern. Und vielleicht gehen diese dann in Erfüllung. Ich wünsche mir Sonnenschein.

Am Abend essen wir eine litauische Spezialität: „Cepelinai“ – Zeppeline. Kartoffelknödel mit Speck-Zwiebelfüllung. Die sind nach den deutschen Zeppelinen geformt, die einst hier in der Gegend gebaut wurden. Schmecken gut; die Zeppeline.

5. Juni 2012

Baltikum: gegenüber die Russen und ein dummer Fisch

Unser erster Tag in Litauen beginnt mit blauem Himmel und Sonnenschein. Die Wolken von gestern sind verschwunden. Die Fischer auch; aber es sind bereits wieder die nächsten da.

Der Nemunas bildet die Grenze zwischen Litauen und der russischen Exklave Kaliningrad. In einem kleinen Dorf, Smalininkai (n55.0717, e22.5852), treffen einen alten Mann aus Deutschland. Er musste vor 68 Jahren wegen dem Krieg aus diesem Dorf fliehen. Und heute ist er das erste Mal wieder hier.

Er erzählt: Damals sei Smalininkai ein florierendes, deutsches Städtchen mit einem Hafen und Bahnhof gewesen. Heute ist davon kaum noch etwas übrig. Das meiste wurde im Krieg zerstört. Oder danach von den Sowjets. Der Bahnhof und die Hafenkräne sind verschwunden, der Hafen verlandet und die Strassen sind zugewachsen.

In Ventė finden wir einen wirklich schönen Übernachtungsplatz direkt am Strand. Gegenüber sehen wir die Kurischen Nehrungen, eine spaghettiförmige Insel. Wir sitzen am Strand und lesen, und dösen.

Ich fange einen Fisch; einen dummen Fisch. Er war, den Reifenspuren nach, von einem Bootsanhänger überfahren worden. Und liegt nun mausetot da. Aber trotzdem; ich habe ihn gefangen - eigenhändig. Und nur das zählt.

4. Juni 2012

Baltikum: Besuch in Litauen

Giżycko. Jetzt wo wir schon mal auf einem Campingplatz sind, nutzen wir die Gelegenheit zur Wäsche. Frau G. erledigt das für uns beide, da ich mich ahnungslos gebe. Über Nacht lassen wir die Wäsche im Fahrerhaus trocken.

Nach dem Mittag verabschieden wir uns von Toni und Vreni. Wir wollen heute noch ein Stück fahren. Die Landschaft ist malerisch wie im Pippi-Langstrumpf-Film. Allerdings sind nun immer mehr dunkle Wolken am Himmel. Und es beginnt zu tröpfeln.

Auf der Suche nach einem Kaffee latschen wir in einen Blasmusik-Wettkampf. Musikanten in bunten Uniformen und Mädchen mit so Wirbelstöcken wetteifern um den Sieg. Wir schauen ein wenig zu, fahren aber vor dem Finale weiter.
Gegen Abend kommen wir an die Grenze nach Litauen. Sie ist komplett unbemannt und wir können einfach durchbrausen. EU! Die alten Grenzanlagen werden nun als Lastwagenparkplatz genutzt. Die Landschaft ist topfeben; aber was kann man anderes erwarten in einem Land, dessen höchster Berg keine 300 Meter hoch ist.

Etwas oberhalb von Marijampole finden wir an einem kleinen See einen schönen Übernachtungsplatz. Direkt am Ufer unter einer grossen Weide. Die Wolken sind dunkelgrau und die Stechmücken in der Überzahl.

Irgendwann kommen drei Fischer an Land. Drei Fische haben sie gefangen, jeder kleiner als ein Fischstäbchen. Sie sind richtig begeistert, als sie erfahren, dass wir keine Deutschen, sondern Schweizer sind! Sie schenken uns eine Flasche roten Most. Kaum haben sie sich verabschiedet, sind sie auch schon wieder zurück. Diesmal mit einer Flasche Hochprozentigem.
Später am Abend besuchen uns zwei weitere Mannen und fragen nach Bier. Haben wir nicht; aber eine Flasche roten Most können wir ihnen abgeben.

3. Juni 2012

Baltikum: Landschiffe und wirbelnde Engel

Der Oberlandkanal verläuft von Elbląg nach Ostróda. Das wäre eigentlich nicht besonders erwähnenswert, läge dieses Ostróda nicht ungeschickterweise hundert Meter höher als Elbląg. Für einen Schifffahrtskanal ist so etwas eher ungünstig.
Am Oberlandkanal löste man das Höhenproblem mit fünf Rampen, wo die Schiffe mitsamt den Passagieren über Land geschleppt werden.

Das Schiff fährt über einen Schienenwagen. Der wird dann auf den Hügel gezogen und das Schiff in den nächsten Kanalabschnitt entlassen. Vier der fünf Aufzüge werden immer noch mit Wasserkraft angetrieben.

Die Mechanik funktioniert seit 1850 nahezu unverändert. Zur Steuerung bedarf es eines einzigen Hebels. Ziehen = fährt!

Die Wallfahrtskirche in Święta Lipka war bisher gelb. Neulich wurde sie neu bemalt, nun ist die orange und bunt. Berühmt ist die barocke Orgel mit über hundert Pfeifen. Und allerhand beweglichem Zierrat. Goldene Engel mit Schalmeien, Puten mit Glöcklein und Heiligenfiguren mit Strahlenkranz; sie alle drehen, nicken, und wirbeln zur Musik umher. Kitschig.

Zwischen der wunderschönen Orgelmusik erklärte uns ein Pole auf Polnisch irgendwas. Er verbrauchte dabei einen ganzen Jahresvorrat an „s“, „sch“, „c“ und „z“. Ich verstand nichts; aber ein paarmal glaubte ich das Wort „Wurscht“ zu hören.

Am Abend fahren wir an einen See bei Giżycko. Da trafen wir auf dem Camping Toni und Vreni (www.puravidaweb.ch). Sie sind auf dem Weg nach oben, nach Finnland. Wir plaudern ganz nett übers Reisen und so. Und wir essen toten Fisch und Fritten, und grau-lila Suppe. Schmeckte gut.

Der Campingplatz ist wirklich schön und die Leute da sind überaus nett und vielsprachig. (www.elixirhotel.com).

2. Juni 2012

Baltikum: Polen kopfüber

Polen hat sich zu einem modernen Land entwickelt. Kaum mehr etwas erinnert an die sozialistischen Zeiten. Die Städte sind renoviert und die Autos neu. Alles ganz normal. Wäre da nicht dieses Haus!

Als ich neulich ein Bild von dem Haus sah, dachte ich erst: Welch ein schreckliches Unglück - ein Haus ist umgefallen! Das wollen wir uns mal aus der Nähe ansehen.
Das Haus steht - oder liegt? - in einer Waldlichtung irgendwo südlich von Gdansk (n54.2184, e18.1020). Mitten in einem Freilichtmuseumvergnügungstierpark. Auch innen ist alles zunderopsi und schief. Manchen Besuchern wird davon ganz schwindlig. Uns nicht; wir essen deshalb eine Wurst.

Wir benutzen gerne die kleinen Landstrassen. Manchmal hat es kilometerlange Alleen, solche, wo die Baumkronen zusammenwachsen. Wie ein grüner Tunnel. Die Dörfer haben oft unaussprechliche Namen wie „Strzepcz“ oder „Wdzydze“. Eines heisst etwas wie „Godzilla“ – und schaut auch so aus.

Am Nachmittag besichtigen wir die Marienburg in Malbork. Eine riesengrosset Kloster- und Festungsanlage aus Backstein. Höfe, Türme, Säle und Kapellen. Grossartig anzuschauen.


Marienburg wurde immer wieder in Kriegszeiten zerstört. Dann wieder aufgebaut – und abermals zerstört. Heute ist kaum mehr etwas aus dem Mittelalter erhalten geblieben.

Heute Morgen ist der Frau G. ihre Zahnbürste ins Klo gefallen. Ich hätte sie da wieder rausgefischt, aber sie wollte sie nicht mehr zurück haben – ums Verrecken nicht!

1. Juni 2012

Baltikum: mittelalterliches Polen, ganz modern

Toruń ist eine quirlige Stadt und liegt an der Weichsel. Die Altstadthäuser protzen mit ihren üppig dekorierten Fassaden. Heute ist es auch nicht mehr so heiss und es weht ein frisches Lüftchen. Uns ist vögeliwohl hier.

Der Rathausturm ist vierzig Meter hoch. Da muss ich hinauf, 172 Treppenstufen später geniessen wir einen Rundblick über die Dächer. Die Weichsel mit der mächtigen Stahlbrücke, gegenüber einige Kirchtürme und in der Ferne die Hochhäuser der Vorstadt. Grandios.

Wir haben ja noch einen langen Weg vor uns, darum fahren wir heute noch etwas weiter. Die Strassen sind perfekt ausgebaut und es hat meist kaum Verkehr. Die Kornfelder reichen bis zum Horizont und die Wälder auch. Wir kommen gut voran und übernachten in Grudziądz.

Grudziądz liegt auch an der Weichsel und hat auch eine schöne Altstadt, alles aus rotem Backstein gemauert. Wir schlendern ein wenig durch die Gassen und trinken in einem Strassencafé Limonade. Dazu gibt es schnelles Wlan umsonst, so wie überall.

Heute betrat ich erwartungsvoll eine öffentliche Bedürfnisanstalt. Am Eingang war ein kleines Fensterchen. Ich bückte mich und die Bedienstete dahinter fragte „gross oder klein?“. Je nach dem kostete es einen halben oder einen ganzen Zloty Eintrittsgebühr. Jetzt könnte ich natürlich „klein“ sagen und dann „gross“ machen. Aber ich will doch nicht bescheissen. - Womit auch gleich der Ausdruck „bescheissen“ erklärt wäre.