7. Dezember 2017

Valencia: der Samenspender an der Mauer

Valencia: Das mittelalterliche Leben war geprägt von Frömmigkeit, Geistern und Dämonen. Und wer nicht gottesfürchtig lebte, dem drohte höllische Verderbnis. Bei den Göttern half ja beten, aber gegen die bösen Geistern reichte das nicht.

Fratzen, Spottfiguren, Neidköpfe und vieles mehr sollen das Unheil abwehren. An den gotischen Bauten kann man noch einige entdecken.

Zum Beispiel an der Ostfassade der Kathedrale. Über dem Almoinator präsentiert eine Frau ihre prallen Brüste. Vermutlich will sie uns damit vor dem sündigen Leben warnen?

An der Westfassade der Lonja de la Seda, der alten Seidenbörse, rubbelt ein Engel seinen Schwengel. Warum und wieso? Wir modernen Menschen verstehen die mittelalterliche Bildersprache kaum noch.

Siehe auch: die Judensau und die Spottfiguren im Elsass

6. Dezember 2017

Valencia: meine Stadt

Valencia. Seit einigen Tagen kränkle und fiebere ich sinnlos vor mich hin. Auch heute Morgen ist es noch nicht richtig besser. Nichtsdestotrotz gehe ich früh in die Stadt. Jetzt am Morgen scheint die Sonne noch nicht in die Gassen hinein und deshalb ist es zugig und arschkalt. Aber die prachtvollen Fassaden schauen im Morgenlicht wunderschön aus.

Ich schlendere weiter in die Innenstadt; bis zum Mercat Central, der grossen Markthalle. Schon aussen sieht sie beeindruckend aus. Und erst recht innen. Eine Jugendstil-Gusseisen-Halle aus den 1920-er Jahren voller Verkaufsläden und Marktstände; über 900 sollen es sein, habe ich gelesen. Dummerweise komme ich aber grad vom Frühstück und kann deswegen bloss mit den Augen essen.

Einzig einen neuen Gürtel kaufe ich, denn der alte steht kurz vor dem Platzen. Rund um die Markthalle gibt es einige schöne Gassen und kleinen Plätze. Beim Jungfrauenbrunnen setze mich in ein Strassencafé und lasse mich besonnen. Ich bilde mir ein, das sei hilfreich beim gesunden.

Valencias Kathedrale sieht irgendwie unfertig aus. Die Türme sind bloss Stummel und eine Fassade hat sie gar keine. Nur Mauern und komische Dächer. Erbaut wurde sie um 1240 in den Mauern einer Moschee. Seither hat man sie natürlich immer wieder umgebaut und ergänzt. Deshalb ist sie heute ein romanisch-gotisch-barocker Stilmix.

Am Nachmittag suche ich mir ein Lieblings-Café für die nächsten Tage. Ich finde das „Café Federal“ und sitze lange da und lese. Es ist richtig gemütlich − und noch wichtiger; geheizt.
Den restlichen Nachmittag streife ich durch die Gassen und schaue dies und das an. Gefällt mir gut, dieses Valencia. Doch obwohl wunderschönes Wetter ist, sind die Gassen schattig und eiskalt.

5. Dezember 2017

nach Valencia: am Ziel

Oropesa del Mar. So, heute fahre ich endgültig weiter. Nach dem Mittag fahren mich Lucia und Peti zum Bahnhof. Wir sind zeitig da, denn ich brauche noch ein Billetes de tren. Diese verkauft hier der Wirt der Bahnhof-Bar.

Mit etwas Verspätung kommt mein Zug angerollt. Es ist ein hartsitziger Regionalzug mit recht wenigen Passagieren. Wir zuckeln an der Küste entlang südwärts. Viele Orangenbäume und wenig Dörfer. Einzig in Castellón ist etwas mehr los.
Nach etwas über einer Stunde Fahrt erreichen wir Valencia Estació del Nord. Valencias Nordbahnhof liegt im Süden der Stadt! Das erinnert mich an Budapest, wo das auch so ähnlich ist.
Die Estació del Nord ist ein prächtiger Kopfbahnhof mit einer imposanten Halle. Doch zuerst suche ich jetzt mein Hotel und schaue den Bahnhof später noch genauer an. Zum Glück ist es nicht weit bis zum Hotel.

Das Hotel Alkazar steht an einer schmalen, verkehrsfreien Altstadtgasse. Das ist gut, denn dann ist es hier wohl schön ruhig, denke ich. Zudem liegt mein Zimmer am Lichthof. Der ist aber so eng, dass ich selbst wenn ich mich strecke und verbiege den Himmel nicht sehen kann. Dafür zerdeppert ein Handwerker im Hof unten irgendwelche Blechkästen.

Valencia sei die kleine, hübsche Schwester Barcelonas sagt man. Und mein erster Eindruck bestätigt das. Der Himmel ist enzianblau und die prachtvollen Fassaden leuchten goldig in der Abendsonne. Und ich habe Hunger. Wegen einer Veranstaltung ist hier aber alles abgesperrt und die meisten Geschäfte sind zu. In einem japanischen Laden kaufe ich Erdbeer-Joghurt und ein Stück Pizza-Imitat. Beides mit eher zweifelhaftem Geschmack, doch der Hunger schluckt's runter.

Im Fernsehen läuft ein Film, den sie in Tabernas gedreht haben. Ich erkenne die Kulissen, denn genau diese haben wir uns diesen Februar angeschaut.

Renfe R. Express 18093, Oropesa-Valencia, 2. Klasse € 8.55

4. Dezember 2017

nach Valencia: Nichtstun und Muscheln

Oropesa del Mar. Jetzt bin ich schon den dritten Tag hier und bleibe noch bis Morgen. Dann muss ich aber los, denn eigentlich will ich ja nach Valencia.
Es ist bewölkt. Das ist tagsüber eher ungünstig, aber dafür ist es in der Nacht sehr mild. Zumindest so mild, dass mein Heizgebläse nie ansprang.

Meine Erkältung von letzter Woche hat mich wieder eingeholt. Mir ist so-la-la und die Nase rinnt. Also bleibe ich zuhause und wohne meinen Bungalow ab.
Zum Glück ist ganz in der Nähe ein Supermarkt, wo ich Reiseausrüstung kaufen kann; Zahnseide und ein Salamibrot. Und auf dem Nachauseweg schaue ich noch bei den Ferien-Maschinen vorbei. Meherere Dutzend zwölfstöckige Ferienhäuser mit jeweils mehr als hundert Wohnungen. Und zur Zeit sind fast alle unbemannt.

Am Nachmittag sind wir drei bei unseren Nachbar Ruth und Mario zum Muschel-Essen eingeladen. Er koche die weltbesten Miesmuscheln aller Zeiten, erzählt man. Und so ist es; die besten Muscheln, die ich ja gegessen habe.

Und dazu gibt es noch gebratene Paprika und danach eine flauschige Torte.
Inzwischen ist die Wolkendecke verschwunden und es weht ein kühler Wind. Wir sitzen noch lange draussen und schauen zu, wie die Sonne hinter den Palmen versinkt.

Auf dem Liegestuhl landet ein schier unterarmlanges Insekten-Getier. Vermutlich ist es eine „Gottesanbeterin“, aber sicher bin ich mir da nicht. Für das Foto tue ich „es“ um platzieren. Es schaut grimmig in meine Kamera.

Heute war ein wunderbarer Tag. Ich habe wie geplant so gut wie gar nichts gemacht.

2. Dezember 2017

nach Valencia: mit dem Flamingo tanzen

Oropesa del Mar. Es war eine kühle Nacht in meinem Bungalow. Die Heizung hat zwar eifrig gebrummt, aber es wurde nicht warm. Am Morgen habe ich die Ursache dann entdeckt: Der Lüftungsklappe war zu und so wurde nur das Heizungsgehäuse warm, meine Wohnung aber nicht.
Ausserdem ist heute bewölkt. Das erste Mal seit vielen Wochen, erzählen die Leute ganz begeistert. Ein schwacher Trost  für mich.

Gegen Mittag radeln wir ins vier Kilometer entfernte Ortszentrum. Neben den vielen Hotels gibt es hinter dem Bahnhof auch noch eine kleine Altstadt. Rund um den hübschen Dorfplatz gibt es einige Cafés. Wir setzen uns in den nicht vorhandenen Schatten blattloser Platanen und geniessen den Urlaub. Zwischendurch scheint die Sonne, dann wälzen sich wieder graue Wolken über den Himmel.


Eine geröllige Burgruine bildet den Höhepunkt von Oropesa. Sie steht auf einem kargen Hügel mitten in der Altstadt. Von da oben kann ich die ganze Landschaft überblicken. In der Ferne sehe ich die Ferienklötze, wo ich wohne.
Die Altstadt ist recht hübsch und sehr spanisch. Doch rund herum stehen lauter Wohnblocks von fragwürdiger Ästhetik.

In einem Strandlokal futtern wir den Tagesteller: Salatteller, grüne Bohnen mit Schinken. Und dann muss ich mich zwischen Tintenfisch oder Hühnerschenkel entscheiden – und mag heute beides nicht. Bestelle dann aber das gebratene Hühnerbein, weil es mit Gemüse und Pommes Frites serviert wird. Und das mag ich.

Manchmal ist es wolkig, dann wieder windig oder himmelblau und warm. Entweder bin ich zu warm angezogen oder friere jämmerlich − Erkältungswetter! Am Strand badet ein einziger Mann und einer fährt mit so einem Kite-Buggy herum. Mich fröstelt.

In der Abenddämmerung pedalen wir nachhause. Im Nachbar-Camping ist heute Flamenco-Abend. Oder Flamingo-Abend? Ich hab’s nicht recht verstanden; aber heute müssen die Vögel ohne mich tanzen…