6. April 2015

Marokko: Frau G. fällt auf ihren Mittelhandknochen

Tafraoute ist selbst bei schlechtem Wetter nett, aber ich bin immer noch erkältet. Die warme Dusche und die frischen Baguettes vom Laden gegenüber helfen mir dann auf die Beine. Der Hund im Fenster bellt mich an, knurre bärenmässig zurück.

Wir nutzen die paar Sonnenstrahlen zwischendurch und machen einen kleinen Ausflug in die Umgebung. Felskugeln so gross wie Einfamilienhäuser, rotbraune Häuser, lachende Menschen. Gut, bei den Menschinnen sieht man‘s nicht so genau, die sind nämlich meisten verschleiert. Die Frauen hier in der Gegend tragen nämlich oft das traditionelle schwarze Kleid mit dem bunten Saum. Und über den Kopf einen Schleier, was ihnen das Aussehen von Krähen gibt.

Irgendwo verlassen wir die Nebenstrasse und holpern auf einer rustikalen Piste in ein Seitental hinein. Dann lockt uns ein Schild nach Tirmtmat. Wir haben keine Ahnung, was uns da erwartet und die Strasse dorthin ist auch bloss ein schmaler Karrweg. Also fahren wir hin.

Nach einer etwas heiklen Bachüberquerung endet die „Strasse“ unterhalb der Moschee von Tirmtmat (N29.69069, W9.09400). Das Dorf besteht bloss aus wenigen Häusern und einige davon sind auch schon eingestürzt. Andere aber sind nagelneu; mit hellblauer Haustür und Garage, obwohl die Zufahrtstrasse fehlt.

Wir schlendern über die Felder und dem Bach entlang, als Frau G. ganz plötzlich und ganz ungünstig hinfällt. Erst dachte ich, sie hätte sich den Mittelhandknochen gebrochen, aber zum Glück scheint es nur eine sehr schmerzhafte Prellung/Zerrung/Stauchung zu sein. Ein provisorischer Verband hilft fürs erste.

Später kaufen wir in einer Apotheke richtiges Verbandsmaterial und Watte, um ihre lädierte Hand zu verbinden. Als Trost, und weil jemand kürzlichst Geburtstag hatte, gehen wir ins Café Atlas und bestellen ein Festmahl. Salat, Linsen und Hackfleisch-Sandwich mit Fritten.

Das Wetter zeigt sich wieder von der trüben Seite. Wir fahren drum in einen Palmgarten hinter Tafraoute und stellen uns unter eine – öööhm - Palme. Hier (N29.71273, W8.98702) ist es ganz nett und der Internetempfang besser als im Zentrum.

Gegen Abend kommen zwei Wächter vom Dorf und kassieren umgerechnet einen Euro Standgebühr. Dies seit es hier vor einigen Wochen einen bösen Tumult zwischen den Überwinterungs-Wohnmobilisten und den Anwohnern gegeben hat. Nun kostet der Platz etwas, dafür wird er jetzt bewacht und der Müll entsorgt. Und die Querulanten sind weg.

4. April 2015

bunte Ostern

Zum ersten Mal sah ich sie vor vielen Jahren im Iran – die farbige Küken. Es gibt sie aber anscheinend in ganz Asien. Und nun schwappt die Kücken-Mode auch nach Europa über. Um bunte Kücken zu bekommen, wird Farbe bereits ins Ei eingespritzt. Die Hühnchen kommen dann fertig gefärbt zur Welt.

Die Tierschützerinnen landauf-landab sind empört - von wegen Tiere quälen und so. Ich finde aber, warum soll man bloss ungefärbte Hühner quälen?
In diesem Sinne - frohe Ostern.

3. April 2015

Marokko: Schlucht und Schlucht

Tafroute. Mitte Vormittag drückt die Sonne durch Löcher in den Regenwolken. Aufbruch. Wir wollen die Täler und Schluchten hinter Tafraoute erkunden. Gegenüber der farbigen Steinen zweigt eine schmale Teerstrasse ab und windet sich kurvenreich bergauf. Nebel und Wind. Dann geht’s leicht bergab und dann durch die Ait Mansour Schlucht (N29.52788, W8.84802) südwärts. Die Sonne scheint und die wenigen Passanten winken freundlich.

Die Felslandschaft ist grossartig. Wegen dem November-Hochwasser ist die Strasse aber an vielen Stellen zerstört und erst notdürftig repariert - für uns aber kein Problem.

Nach etwa vierzig Kilometern fahren wir in ein Nebental des Oukas hinein (N29.46271, W8.84072). Hier fehlt von der Piste jede Spur, nur noch Kies und Geröll. Frau G. sammelt Blumen zum Trocknen und ich suche Skorpione. Finde keine, bloss Ameisennester und unter einem Stein eine winzige Eidechse.

Wir mittagsschläfeln gemütlich in unserem Möbelwagen, als das Unglück brutalst zuschlägt. Mich sticht eine Wespe ins Bein, also eigentlich in die Hinterbacke. Ich sag euch: Schmetterlinge im Bauch ist das eine; Wespe am Arsch ist dann aber eine ganz andere Liga!
Wie dem auch sei - ich strample das Untier hinaus, als ein Windstoss die Hecktür zuschlägt und mir den grossen Zeh einklemmt. Stechender Schmerz, meine wüsten Flüche helfen kaum. Wenn ich recht bedenke, fing der heutige Tag ja schon ungut an. In der Nacht hatte ich nämlich Albträume: Ich fuhr in einem weissen BMW-Cabrio zum Shopping – grauslig, es schaudert mich jetzt noch.

Nun wechseln wir in die Timguelchte Schlucht (N29.54673, W8.78621). Die Strasse wird – öööhm – rustikal. Sie ist vom Hochwasser kilometerweit zerstört. Dafür wieder schöne Palmen, Mandel- und Arganbäume. Und spektakuläre rote Felsen.

Aufs Mal ziehen Wolken auf und kurz darauf fallen Regentropfen. Dann kommt dichter Nebel und wir sind froh, dass es bis Tafraoute nicht mehr weit ist.
Wir übernachten zum dritten Mal im Stadtzentrum, bloss stellen wir heute unseren Schlafwagen andersherum hin. Nicht dass die Anwohner noch denken, wir würden für immer bleiben.

Im Haus gegenüber steht jeden Tag ein Hund im Fenster und kläfft jeden an. Heute will ich ihn beruhigen, spreche ganz liiieb mit ihm - da flippt er komplett aus. Der dumme Hund bellt sich schier die Lunge aus dem Hals.

2. April 2015

Marokko: Applaus-Applaus, ein vegetarisches Schaf

Tafroute. Ganz unerwartet weckt uns die Morgensonne. Blau statt grau, welch eine Überraschung. Ganz aufgeregt schlinge ich das Frühstück runter und dann nichts wie los - zu den blauen Steinen.

Ein paar Kilometer hinter Tafraoute hat der belgisch/französische Künstler Jean Vérame 1984 die Felsen angemalt. Die riesenhaften Felskugeln leuchten himmelblau, violett und rosa.

Ursprünglich waren die Felsen tintenblau und rot bemalt. Als die Original-Farbe langsam verblasste, pinselten die Marokkaner die Steine neu an. Selbstverständlich im allerorts so beliebten Hellblau. Leider.

Zwischen den Steinen treffen wir Pia und Heinz, die schon ein Leben lang reisen und seit vielen Jahren im Auto wohnen. Wir setzen uns zu ihnen uns verplappern den ganzen Nachmittag. Dann kommen die Wolken und wir gehen nachhause.

Auch heute wohnen wieder im Zentrum von Tafraoute. Im Atlas-Café nebenan gibt’s heissen Tee und WiFi, später auch noch eine Gemüse-Tajine. Diese enthält zwar kaum Gemüse, dafür aber viel Schaffleisch.
Knapp vor den ersten Regentropfen erreichen wir unsern Möbelwagen. Es ist kalt und der Muezzin heiser. Noch lange lümmeln wir auf unsern Sofas herum und lauschen den Regentropfe auf dem Dachfenster. Hört sich an wie Applaus.

1. April 2015

Marokko: ohne Hosen im Regenland

Amtoudi. Seit gestern Abend werde ich von einer Erkältung geplagt. Heisse Stirn, kalte Füsse und eine saftende Schnuddernase. Deshalb bleibe ich heute Morgen liegen, während Frau G. ganz allein zur Speicherburg hinauf wandert. Es ist stark bewölkt und kaum 10°C, als sie losmarschiert.
Später nutze ich die Wartezeit und wasche meine Hosen. Als ich eine neue Hose anziehen will, haben die alle kurze Beine. Ich habe doch tatsächlich nur ein einziges paar lange Hosen mit – und die hängen jetzt nass an der Leine!
Nach etwa eineinhalb Stunden kommt Frau G. zurück und nötigt mich, bis meine Hosen trocken sind, ihre Trainerhosen zu tragen. Also den ganzen Tag!

Inzwischen hat es begonnen zu regnen. Eigentlich wollten wir dem schlechten Wetter ausweichen, doch es regnet überall. So beschliessen wir heute weiter zu fahren. Wenn sich dann in zwei drei Tagen das Wetter bessert, sind wir wenigstens schon da.

Frau G. fährt. Ich sitze daneben und kritisiere ihre Fahrweise. Sie fährt immer so nahe am ausgefransten Strassenrand und weicht jedem Entgegenkommenden bereitwillig aus.
«Wie ein Hosenscheisser, der immer der Hauswand entlang geht und glaubt, keiner rieche ihn» sage ich. «Dann fahr du doch!» war ihre nicht sehr subtile Reaktion! Seit sie diese Ausbildung „Personalführung und Kommunikation“ macht, ist sie irgendwie aufmüpfig.

Wir fahren auf einer kleinen Nebenstrasse durch die Hügel. Nebel, Regen, manchmal beides. Kaum Dörfer, aber überall blühende Blumen.

Dann kommen wir nach Tafraoute, dem Städtchen bei den blauen Steinen. Wir finden einen ruhigen Platz im Zentrum, wo wir übernachten wollen. Rundherum gibt es zwar einige Campingplätze, aber die sind voller französischer Wohnmobile und viel zu weit vom Stadleben.

Als der Nieselregen nachlässt schlendern wir durch die Gassen. Ich will Hosen kaufen, sagt Frau G. Sie haben meine Grösse aber nicht vorrätig und bis morgen sind meine alten sowieso wieder trocken. Also kaufe ich stattdessen diese fettgebacken Teigkringel; sechs Stück für fünf Dirham. Heiss und knusprig schmecken die wie – öööhm - guuut.