31. Oktober 2017

Bulgarien: Nessebar, Denkmalschutz vom Baumarkt

Nessebar ist ein kleines historisches Städtchen auf einer Insel. Ein Damm verbindet es mit der Neustadt auf dem Festland. Als ich um 1990 das erste Mal hier war, war da noch Kommunismus und Kalter Krieg. Und die Neustadt bestand bloss aus ein paar Häusern. Jetzt zieht sich der Häuserbrei kilometerweit am Strand entlang und überwuchert die ganze Gegend.

Das alte Nessebar (42.6586, 27.7333) ist wegen seiner historischen Holzhäuser berühmt und denkmalgeschützt. Die Häuser drängeln sich eng an die krummen und grob gepflasterten Strassen. Dazwischen hat es da und dort einen kleinen Platz mit Schattenbäumen oder einer Kirchen. Oder einer Kirchenruine.
Im Sommer überschwemmen jeden Tag zehntausende Touristen das malerische Städtchen, doch jetzt im Spätherbst sind wir fast die einzigen. Vielleicht bin ich ich ja ein Egoist, aber so ganz ohne die Ausflügler ist es hier ganz besonders nett.

Wir schlendern kreuz und quer durch die Gassen und sehen uns die alten Häuser an. Die meisten wurden aber jüngst renoviert und schauen jetzt aus wie neu. Leider ist dabei viel Charme verlorengegangen. Ich verstehe ja, dass die Fassaden ab und zu erneuert werden müssen. Auch dass das Holz im Baumarkt billiger ist. Aber warum muss man dann noch auf alles „Nussbaum antik“ aus der Dose pinseln?

Manche Ruinen sind eingezäunt. Ich vermutlich damit sie nicht abhauen? Wie auch immer; wir setzen uns in ein Fischrestaurant und futtern marinierten Hühnerspiess. Schmeckt ausgezeichnet. Und mein geliebtes Bosa gibt es hier auch.

30. Oktober 2017

Bulgarien: Burgas ist nicht nur hässlich

Sozopol. Auch heute scheint wieder die Sonne und das Meer kräuselt sich enzianblau. Im Frühstücksraum sind wir die ersten und greifen reichlich zu. Dann schütteln wir die Krümel ab und checken aus. Denn heute wollen wir weiter. Weiter nach Burgas und Nessebar.
Burgas ist eine grosse Hafenstadt mit Ölraffinerien und Schwerindustrie rund herum. Deshalb wirkt Burgas auf den ersten Blick etwas – öööhm – spröd und abweisend. Doch ich weiss von früher, dass es in Burgas auch einige richtig schönen Ecken gibt.


Wir parkieren hinter der Hafenverwaltung und spazieren quer durch den Stadtpark bis zum Pier (n42.4954, e27.4852). Die vielen verrammelten Gartenlokale zeigen, wie beliebt der Park und der Strand im Sommer sind. Aber ausser ein paar Jogger und Hündeler sind wir heute die einzigen hier.
Der Pier ist aus klotzigem Beton und so etwas wie das Wahrzeichen von Burgas. Von draussen sieht man nur den Stadtpark-Hügel, nicht aber die Stadt dahinter. Schön. Und sau kalt.

Wir rundgangen an der „Kiril und Methodius Kathedrale“ vorbei zur „Aleksandrovska“, der Flaniermeile im Stadtzentrum. Viele Häuserzeilen sind noch aus der Jahrhundertwende, dazwischen klotzen aber auch einige Ostblockbauten mit ihrer Betonästhetik.


Überall in Bulgarien gibt es diese Kioske. Entweder ist der Tresen auf Kniehöhe oder so klein, dass man kaum hineinsehen kann. Oder beides.
Wir beäugen die Schaufenster und sitzen ausgiebig in einem Strassencafé. Dann haben wir alles gesehen und fahren weiter zu den Salinen am Stadtrand. Hier könne man wunderbar Wasservögel beobachten, prahlt eine Infotafel. Doch heute sind keine Vögel anwesend. Und die eigentlichen Salinen sind viel zu weit weg, um etwas zu erkennen. Nur trübweisse Salzhügel und ein paar Möwen, die das Meersalz würzen.

Wenn schon keine Wasservögel, dann schauen wir uns halt die Flugzeugsammlung vor dem internationalen Flughafen Burgas an. Hier stehen die üblichen Rasen-Flugzeuge, wie überall in Osteuropa: Tupolev, Antonov, Mig aus den 1960 und 70-er Jahren. Und mitten im Verkehrskreisel noch eine schöne Iljuschin Il-14 von 1958.

Heute übernachten wir im „Hotel Festa Panorama“ in Nessebar. Das Hotel ist ganz ein nobles und wir bekommen sogar ein Zimmer mit schönem Meerblick. Am Pool sonnen sich graue und faltige Wesen. Wie Echsen tanken sie Sonne um in Bewegung zu kommen.

28. Oktober 2017

Bulgarien: urlauben am Schwarzen Meer.

Sozopol. Das Schwarze Meer beginnt – oder endet – direkt vor unserem Hotel. Ein feiner Sandstrand, gegenüber die Altstadt und rundherum viel Meer. Und wir sind die einzigen Touristen. Das hat den Vorteil, dass wir nur einheimische Bulgaren treffen - und den Nachteil, dass alles zu ist.

Wir schlendern bis zur Landspitze. Hier liegen noch die Ruinentrümmer eines mittelalterlichen Klosters (n42.4254, e27.6999) und viele bunte Katzen.
Die Altstadt Sozopol ist für ihre alten und denkmalgeschützten Holzhäuser bekannt. Wir schauen einige an, doch die meisten sind nicht besonders alt. Und auch nur einigermassen schön. Aber die Stimmung ist sehr friedlich.

Wir kaufen Konfitüre aus grünen Feigen und Baumnüssen. Sie sei „säähr gut“, sagt die Verkäuferin in gebrochenem Deutsch, „ganz besonders zu Palatschinka“.
An den Bäumen hängen grüne kugelige Früchte, die ich noch nie gesehen habe. Am Abend musst ich im Internet nachschlagen: Es sind die Früchte vom „Milchorangenbaum“.

Gegenüber von Hafen ist eine Insel. Hier war bis vor wenigen Jahren ein Stützpunkt der bulgarischen Schwarzmeer-Flotte. Jetzt stehen die Gebäude leer und sind teilweise schon ausgeweidet. Ich will mir die ehemalige Marineakademie (n42.4260, e27.6903) aus der Nähe anschauen. Doch der Pförtner will nicht und schickt uns weg.
Zwischen den Holzhäusern stehen da und dort gemauerte Kapellen. Die sind aber so niedrig, dass man nur gebückt hinein kommt. Das sollen einst die Türken so befohlen haben.

Sozopol ist im tiefen Winterschlaf. Fast alle Ladengeschäfte und Gaststätten sind zu. Das vereinfacht es uns erheblich, ein Lieblingslokal zu finden. Unseres liegt gleich am Busbahnhof und ist das allereinzige, das da geöffnet hat.
Wir hängen herum, schauen den Leuten zu und lesen. An der Sonne ist es schwitzig hiess, am Schatten aber frostig kalt. Ideales Klima um sich eine Erkältung zu besorgen.

26. Oktober 2017

Bulgarien: Wald- und Wiesenkreuzfahrt

Stara Sagora. Das Hotel ist opulenter als sein Frühstück. Ich bekomme bloss einnen Kaffee und ein Käsetoast. Wir fahren zeitig los. Und nach Norden. Die Landschaft ist lieblich und die Bäume leuchten postkartenbunt.

In den 1960-er Jahren staute man in einem Bergtal einen Stausee auf. Dabei versank ein Dorf komplett im Wasser. Wegen dem nierigen Wasserstand ist seit einigen Jahren die ehemalige Dorfkirche (n42.6347, e25.8857) aber wieder aufgetaucht.

Ich kenne Fotos, wo Kanuten im Kirchenschiff herumpaddeln. Jetzt steht die entbeinte Kirche bereits fast einen Kilometer vom Ufer entfernt.
Die Kirche war einst Iwan Rilski, dem Heiligen Johann von Rila, geweiht. Seit sie wieder auf dem Trockenen steht, wird sie auch wieder besucht. Jedenfalls stehen Opfergaben und Ikonen in den Altarnischen.

Nun wollen wir ans Schwarze Meer. Wir sausen nach Osten. In Yambol machen wir Mittagsrast und schauen uns das „Museum des siegreichen Kampfes“ an. Davon berichte ich dann später mal.
Es ist sommerlich warm und wir beschliessen die restlichen hundert Kilometer auf kleinen Nebenstrassen zu fahren. Da hat es so gut wie keinen Verkehr und wir kommen an ausgestorbenen Dörfern vorbei. Später fahren wir viele Kilometer durch einen Eichenwald. Unsere Nebenstrasse wird zu einem Karrweg mit mächtigen Schlaglöchern und Pfützen. Manche sind knirtief und ich muss mit unserem Dacia heftig Schlangenlinen fahren. Soweit das auf einem so schmalen Pfad überhaupt möglich ist.

Gegen Abend kommen wir nach Sozopol an der Schwarzmeerküste. Im Hotel "Selena" bekommen wir ein nettes Zimmer. Doch leider auf der Südseite des Hotels; das Meer ist aber auf der Nordseite. Egal. Wir sind hundemüde und durstig.

25. Oktober 2017

Bulgarien: die Tabak-Lokomotiven

Gestern besuchten wir noch Kaloyanovets; ein kleines Dorf im Nirgendwo. Aber mit einem Bahnhof. Und mit was für einen, einem Dampflok-Friedhof!


Gleich hinter dem Bahnhof von Kaloyanovets, unweit von Stara Sagora, hat die bulgarische Eisenbahnverwaltung einst eine grosse Zahl von Dampflokomotiven eingelagert. Sie dienten als „strategische Reserve“ und sollten im Kriegsfall, wenn die anderen Züge oder das Stromnetz zerstört wären, in den Einsatz kommen. Der Ernstfall kam nicht und die Dampfloks schlafen seither friedlich im Gebüsch.

Auch heute stehen die Dampflokomotiven noch in ihrem Versteck. Hier in Kaloyanovets sind es etwa fünfzehn Dampfloks, einige Dieselloks, ein Schienenkran und zahllose Personen- und Güterwagen. Alles rostet leise vor sich hin und das Grünzeug klettert durch alle Ritzen.

Mehrere sind deutsche Einheitsdampflokomotiven aus den 1930-er Jahren. Damals kaufte die bulgarische Bahn 23 dieser Dampfloks. Sechs davon wurden von der „Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik“ in Winterthur hergestellt und nach Bulgarien geliefert. Mangels Geld bezahlte sie Bulgarien mit Tabak, weshalb sie heute „Tabakloks“ nennt. Vor einigen Jahren wurde eine der Loks in die Schweiz zurückgeholt und nun wieder hergerichtet.

24. Oktober 2017

Bulgarien: Plovdiv ist eine schöne

Pasardschik. Das Hotel-Frühstück ist mehr als opulent; neben dem üblichen gibt es heute auch noch gebackenen Kürbis und eingelegten Aal. Grossartig; und das bei einem Zimmer für unter dreissig Euro.
Wir rollen gemütlich auf der Landstrasse nach Osten. Es hat wenig Verkehr und wir kommen gut voran. Dann sehe ich in den Weinreben-Feldern ein griechisches Hügelgrab. Wir laufen hin und ‒ es ist ein Denkmal für die Opfer des russisch-türkischen Krieges von 1878 (n42.1636, e24.5384). Vom Denkmal auf dem Gipfel haben wir einen schönen Rundblick über die Felder und bis zu den Bergen am Horizont.

Schon bald erreichen wir Plovdiv. Wir parkieren unser Auto am Flussufer und schlendern in die Altstadt hinüber. Über den Fluss führt eine Brücke, die wie die Rialto-Brücke in Venedig beidseits mit Ladengeschäften bebaut ist. Einfach nicht so romantisch, aber trotzdem voller geschäftigem Leben.
Die Fussgängerzone geht schnurgerade nach Süden. Früher war genau hier ein römisches Stadium. Die ausgegrabenen Reste stehen heute mitten in der Strasse herum.

Plovdivs Altstadt ist auf einem Hügel etwas oberhalb und mit uralten Holzhäusern und grobsteinigem Strassenpflaster. Und gleich daneben sind die Ruinen eines römischen Philippopolis-Theaters (n42.1472, e24.7513). Es ist etwa 1'900 Jahre alt und aus hellem Marmor. Wir setzen uns gleich daneben in ein Strassencafé und geniessen das milde Herbstwetter. Die Bäume sind knallgelb und rascheln mit ihrem Laub.

Die Tarator ist eine kalte Gurkensuppe und sie sei eine bulgarische Spezialität, sagt man uns. Wir probieren sie bei der erstbesten Gelegenheit. Und sie schmeckt überraschend elegant und fein, und ganz leicht nach Baumnuss.

Ganz in der Nähe schaue ich mir noch gschwind eine interessante Beton-Hängebrücke (n42.1424, e24.7065) an. Sie hängt ganz schlapp über dem 150 Meter breiten Rudersee. Dann fahren wir los.

Gegen Abend kommen wir nach Stara Sagora und fahren direkt zum „Hotel Vereia“. Das Hotel ist nobler als erwartet und unser Zimmer ist wirklich schön. Wir wirken schon fast ein wenig wie Fremdkörper.
Später essen wir einen kleinen Happen im Restaurant gegenüber. Die Speisekarte gibt es bloss mit kyrillischen Buchstaben. Ich lese sie der Frau G. vor ‒ ich habe ja zuhause schon kräftig geübt. Die Tresenfrau fragt, ob wir Spanier seien? «Nö, Schweizarsko», doch sie spricht trotzdem spanisch mit uns. Und sie hilft mir mit der korrekten Aussprache der bulgarischen Wörter. Es gibt viel zu Lachen und zu Essen.