30. Mai 2014

ein Rückblick auf Weissrussland

So, wieder zuhause. Weissrussland hat uns komplett überrascht. Nie hätten wir gedacht, dass das so ein buntes Land mit lauter freundlichen Menschen ist. Vielleicht ist es tatsächlich noch nicht vom Tourismus „verdorben“. Jedenfalls haben wir uns sauwohl gefühlt.

Ursprünglich wollte ich ja mit der Bahn hinfahren, aber das dauerte zu lange und ich wollte nicht die halbe Zeit im Zug verbringen. Also hin fliegen; nach Minsk gab es nur wenige, aber teure Flüge. Darum flogen wir nach Vilnius. Und da wir nicht bloaa Minsk, sondern Weissrussland anschauen wollten, nutzten wir die Freiheiten eines Mietautos.
Die Strassen in Belarus sind viel besser, als in den umliegenden Ländern. Benzin und Diesel sind billig und es gibt kaum Verkehr. Ein Auto-Paradies.

In Weissrussland haben wir die Hotels vor Ort gebucht. Das klappt problemlos und sie sind auch nicht teuer. Allerdings sind manche aussen nicht angeschrieben und daher schwer zu finden. Und manche sind etwas – öööhm – rustikal. Oder sagen wir eigenwillig.

Eine problemlose Tour durch ein schönes Land. Sobald der Visumzwang abgeschafft ist besuchen wir Minsk.

29. Mai 2014

Weissrussland: Externer Nasenbohrer in Litauen

Vilnius: Als ich um viertel nach fünf aus dem Fenster schaue, quält sich grad die Sonne über die Hügel. Hübsch bunt, aber wozu, um die Zeit schaut doch eh keiner hin.

Ich liege noch etwas herum und warte aufs Morgenessen. Denn heute will ich eine kulinarische Schneise quer durchs jungfräuliche Frühstücks-Buffet schlagen. Aber wir sind zu spät, einige Koreaner und Franzosen sind schon drüber.

Um neun Uhr schlendern wir zum Busbahnhof hinüber. Auf einem Plakat bohrt einer einem anderen in dessen Nase; wer's mag! Wir sitzen herum und warten auf den Flughafenbus. Dann kommt er und wir fahren mit.

Am Flughafen ist es sehr ruhig, kaum Leute da. Irgendwann können wir einsteigen. Wieder dieser Propeller-Flieger. Die Mixer heulen auf und schon eine halbe Stunde später landen wir in Riga. Hier müssen wir einige Stunden auf den Weiterflug warten.
Am Nebentisch sitzt eine russische Reiseleiterin. Wir plaudern übers Reisen, Russland und den Konflikt in der Ukraine. Die Zeit vergeht wie im Fluge.

Um 16:10 geht’s  weiter. Unsere Boeing 737 ist halbleer. Während sich die Leute in der vorderen Hälfte dichtgedrängt ii ihr Gestühl klemmen, ist es bei uns hinten komplett leer. Frau G. und ich beanspruchen je drei Sitzplätze. Unter uns verschwindet Lettland im Dunst.

Um halb sechs landen wir fahrplanmässig in Zürich. Eine Viertelstunde später fährt bereits unser Zug mit uns nachhause.
Ich mache mir immer noch Gedanken wegen heute Morgen: Weshalb bohrt der Mann in der fremden Nasen - rätselhaftes Baltikum.

28. Mai 2014

Weissrussland: sprachlos und ein plüschiger Kerl

Lida: Wie jeden Morgen ist das Frühstück eine besondere Herausforderung. Frau G. zeigt heute im „Wortlos- Büchlein“ auf Spiegeleier; und es funktioniert. Ich zeige auf ein Etwas auf dem Nachbartisch. Ich bekomme Kartoffelküchlein mit Sahne, vermutlich sind das „Draniki“.

Es ist trüb und wolkenverhangen. Wir verzichten auf die Sehenswürdigkeiten und fahren Richtung Litauen. Ich sehe auf einem Feld eine Antonov An-2 stehen und ausgerechnet jetzt beginnt es zu regnen.

Bereits viele Kilometer vor der Grenze stauen sich die Lastwagen. Wir fahren mal auf der Gegenfahrbahn bis ganz nach vorne. Ein Polizist gibt uns einen Zettel für Eishockey-Fans und damit werden wir bevorzugt abgefertigt. Während wir im Auto sitzen, wuseln die Grenzbeamten emsig umher und erledigen unseren Papierkram. Wobei man aber auch sagen muss, eigentlich ist es ja deren Papierkram, ich käme gut ohne zurecht.
Nach einigen Minuten verabschieden wir uns und fahren rüber zu den Litauern. Eine Viertelstunde Kolonne stehen und wir sind wieder in der EU. Es seicht in Strömen und wir rollen der Hauptstadt Vilnius entgegen. Die Strasse ist schlechter als in Weissrussland, dafür sind die Häuser schöner.

Etwas nördlich von Vilnius befindet sich das „Europos Centro“, der geografische Mittelpunkt Europas. Nicht zu Verwechseln mit dem anderen Mittelpunk Europas oder der Welt. Den wollen wir noch gschwind anschauen, wo wir schon in der Nähe sind.

Der Mittelpunkt Europas liegt - oder steht - mitten in einem Golfplatz. Ein Denkmal, wie ein Pflock im Herzen.

Nach dieser soziokulturellen Exkursion fahren wir zurück in die Stadt. Bevor wir unseren roten Pfeil der Autovermietung zurückgeben, klopfen wir noch gschwind die Fussmatten aus - das muss reichen.
Wir wohnen wieder im Panorama Hotel, diesmal stadtseitig, also ohne Bahnhofsblick. Im Hotel lümmeln finnische Eishockey-Fans herum. Einer trägt eine Flagge und einen Helm, ein anderer einen Plüsch-Anzug und Hörner – und alles in blauweiss. Wir fläzen uns ins Zimmer und tun Sachen machen.

Als der regen etwas nachlässt schlendere ich zum Bahnhof hinüber und schaue mir das Eisenbahnmuseum an. Es ist eigentlich zu, aber dann müssten sie auch das Tor abschliessen. So nutze ich halt den freien Eintritt und schaue mir die Ausstellung an.

27. Mai 2014

Belarus: Saus und Braus

Baranawitschy ist ein grosser Eisenbahnknotenpunkt und hier gibt es eine schöne Eisenbahnsammlung. Da werden alte Lokomotiven, Bahnwagen und Spezialfahrzeuge ausgestellt. Ein interessanter Überblick über die weissrussische Bahngeschichte.

Auf dem Bahnhof nebenan ist auch viel unterwegs. Neben den Regionalzügen fahren hier auch viele russische Güterzüge; von und zur russischen Exklave Kaliningrad.

Diese russische Lok mit dem malerischen Namen "2TE10U" schleppt einen solchen; und sie hat anscheinend sogar ein Raucherabteil.

Nach all der Eisenbahnkultur schlendern wir über den Markt. Es ist wie immer, bunt und quirlig. Frau G. kauft sich eine Kuchenform mit kyrillischen Buchstaben drauf. Lesen können wir’s nicht, vielleicht steht demnächst eine schweinische Redewendung auf ihrem Kuchen!

Unsere letzte Etappe führt uns nordwärts. Wieder endlose Felder und Wälder. Wegweiser mit Ortsnamen, die Buchstaben wild geschüttelt. Und immer wieder stehen am Strassenrand bemalte Steine. Solche eiszeitliche Granitfindlinge sind in diesem sandigen Land rar und sie werden drum gesammelt.

Gegen Abend kommen wir nach Lida und beziehen ein tolles Zimmer im Hotel „Lida“. Das steht gleich hinter der Zitadelle Lida, die man anschauen könnte, wenn man wöllte. Tun wir aber nicht, zumindest nicht von innen. Aber ein Stadtspaziergang muss schon sein. Im Kulturpalast gehen Ballett-Mädchen ein und aus, aber das Restaurant ist zu.

Heute wollen wir uns ein Nachtessen im Hotelrestaurant leisten. Dies vor allem, weil es eines hat und wir kein anderes finden konnten. Es öffnet um 19 Uhr, die Tür ist aber bis halb acht abgeschlossen. Und das Personal kommt um viertel vor, geht aber schon um neun.

Wir sind die einzigen Gäste im grossen Speisesaal, der den Charme einer Turnhalle mit Dorfdisco versprüht. Irgendwann trägt ein Mann eine elektrische Orgel herein und wir fürchten schon hausgemachte musikalischer Unterhaltung. Kurze Zeit später geht er wieder, lässt aber sein Instrument zurück, vermutlich als Warnung.
Wie dem auch sei, wir tafeln wie die Könige: Zwiebel-Speckröllchen zur Vorspeise und nachher käseüberbackener Hackfleisch-Bratling und Kartoffelgratin. Mundet wirklich gut.

26. Mai 2014

Weissrussland: ein psychedelisches Wisent

Die Morgensonne wirft psychedelische Lichtstreifen auf die eh schon gestreifte Wand. Zum Frühstück bestellen wir Spiegeleier mit Wurst und Kaffee, etwas anderes geben unsere Sprachkenntnisse noch nicht her. Schmeckt ausgezeichnet.

Wie dem auch sei, wir befreien unser Auto aus dem Hinterhofgefängnis und fahren früh los. Jetzt wo wir schon mal in der Gegend sind, machen wir gleich einen Abstecher nach Mir. Denn auch da gibt es ein weltbekanntes Schloss.

Und tatsächlich, wie im Märchen steht es am Ufer eines Teiches. Im Schilf hocken Fischer und fischen, im Geäst zwitschern Vögel. Der kühle Wind jagt Wolken über den Himmel. Und gefällts.

Hierher fuhren auf einer ganz kleinen Nebenstrasse, mitten durch ein altertümliches Dorf. Holzhäuser in allen möglichen Farben. Aber ausser einigen Hühnern sehen wir keine andere Lebewesen. Wo sind die Leute hin?

Nun aber nehmen wir die Autobahn. Sie ist perfekt ausgestattet und es hat kaum Verkehr, ein richtiges Autoparadies.

Auf einem Hoger neben der Autobahn steht ein gigantischer Wisent. Er ist das Wappentier der hiesigen Region, dessen Name ich weder lesen noch schreiben kann. Ich schaue mir das Getier aus der Nähe an und bin - ääähm - beeindruckt. Wisente hab ich mir irgendwie weniger flach vorgestellt. Mehr so rundlich, odr so.

24. Mai 2014

Weissrussland: rosarotes Rätsel

Neulich im Hotel. An der Wand hängt so ein Ding, ohne erkennbare Funktion. Zwar ist es am Strom angeschlossen, hat aber keinen Ein- oder Ausschalter!

Ich vermute, das ist so eine Abhörwanze. Aber wieso ist sie rosarot? Rätselhaft.

23. Mai 2014

Weissrussland: Wald und Wald und Russen-Pop

Borisov. Die Morgensonne prahlt vom blauen Himmel. Heute haben wir Grosses vor. Wir wollen quer durchs Land fahren um uns den Westen Weissrusslands etwas näher anschauen.
Zuerst geht’s aber ein Stück nach Süden. Sehr viel Landschaft. Dann und wann ein karges Bauerndorf mit diesen bunten Holzhäusern. Dann wieder Tümpel, vor allem aber kilometerlange Raps- und Weizenfelder. Komisch nur, dass wir kaum Bauernhöfe sehen - wohl alles Kolchosen nach Sowjet-Vorbild.

Hier unten sollte irgendwo der geografische "Mittelpunkt Weissrusslands" sein. Der liegt ausgerechnet in einem abgelegenen Waldstück, zu dem nur ein Matschpfad hinführt. Das ist uns dann aber doch zu blöd und so fahren wir halt weiter. Stellvertretend habe ich ein Foto eines Bus-Häuschens gemacht, odr so.

Später führt unsere Strasse schnurgerade durch grosse Wälder. Oft viele Dutzend Kilometer lang nur Wald, dann eine Lichtung und dann wieder Wald, und Wald. Warnschilder versprechen einen springenden Hirsch von rechts – kommt aber keiner. Wir rollen dahin. Aus dem Autoradio plärrt Belarus-Pop. Wolken türmen sich himmelhoch, unglaublich schön.

Njaswisch soll wunderschön sein, habe ich gestern irgendwo gelesen. Also fahren wir hin. Das Städtchen ist nichts Besonderes, aber auf einer Insel im Teich steht ein prächtiges Wasserschloss aus dem 16. Jahrhundert. Leider ist es arg überrestauriert und gleicht eher einem Neubau. Oder einer Filmkulisse. Aber schön hier.
In einem gemütlichen Gartenrestaurant unter den Linden bieten sie Bratwurst an. In der bebilderten Speisekarte sieht die toll aus, in Wirklichkeit eher gräulich. Sie ist mehr gesotten als gebraten, aber mit Kümmel und Senfsamen gewürzt und schmeckt tadellos. Bloss ausschauen tut sie halt übel. Am Nebentisch sitzen Eishockey-Fans aus Lettland. Die ersten Touristen, die wir sehen.

Eigentlich möchten wir hier in Njaswisch übernachten. Es gibt zwei Hotels. Das eine sieht aus wie eine abgehalfterte Kaserne, andere wird grad umgebaut. Ein paar Kilometer weiter finden wir dann das Hotel „Magistral“. Es liegt direkt an der Autobahn und kostet 25 Euro, quittungsfrei. Unser Zimmer ist grau-gelb diagonal gestreift und tadellos. Und es gibt funktionierendes WiFi.

Als wir vom Feierabend-Nickerchen erwachen ist es bereits Nacht. Wir setzen uns nebeneinander aufs Bett und essen den mitgebrachten russischen Salat. Uns ist pudelwohl.

22. Mai 2014

Weissrussland: die Klodeckel-Mütze sagt nein!

Borisov. Wies scheint liegt das alte Borisov am östlichen Ufer der Berezina. Jedenfalls sind da eine grosse orthodoxe Kirche, ein grosser Markt und viele buntangemalte Häuser aus dem 19. Jahrhundert. Schaut aus wie in Weissrussland.

Wir schlendern zwischen den Marktständen umher und beschauen die feilgebotenen Waren. Kartoffeln, Spielsachen, Schnaps, Gartenwerkzeug, Unterwäsche – einfach alles. Ich möchte eine Bratwurst, gibt es aber hier keine.

Es beginnt wieder zu regnen. Unsere Reisegruppe beschliesst in einem Shoppingcenter Schutz zu suchen. Ein riesiger Einkaufspalast. Die langen Regale platzen fast vor lauter Waren. Ich kaufe mir eine Wurst im Teig – besser als nichts.

Während Frau G. sich im Hotel entspannt, schlendere ich zum Bahnhof, Züge gucken. Es ist viel Eisenbahnverkehr und ich mache schöne Fotos von den exotischen Zügen. Auf einem Abstellgeleis fotografiere ich einen Bau-Zug mit einer M62. Und dann fährt ein neuer Stadler Flirt aus Schweizer Produktion ein. Und dann ein Fernzug nach Moskau. Und dann - kommt ein Uniformierter mit einer klodeckelgrossen Mütze und einem ernsten Gesicht. Pantomimisch erklärt er mir, dass es verboten sei Züge zu fotografieren; und ich nun die Bilder löschen müsse. Was ich natürlich verstehe, da könnte ja jeder kommen und ...

Als wir am Abend am Bahnhof vorbei fahren, fotografiere ich aus Trotz einen Güterzug mit Militärfahrzeugen drauf. Ha – das hat er nun davon, der Mützenmann. Ich hab sein Geheimnis gelüftet; die Armee fährt mit dem Zug.

21. Mai 2014

Weissrussland: Schicksal an der Beresina

Borisov. Die Nächte hier im Norden sind recht kurz, am Morgen ist jedenfalls immer schon taghell. Wie das hier im Hotel mit dem Frühstück geht, wissen wir nicht. Vermutlich hat man uns das gesagt, aber wir verstehen dieses Weissrussen so schlecht.

Wir erahnen aber, was die Kellnerin fragt und ich antworte: ääähm - zwei Kaffee und etwas zu futtern. Sie nickt und kurze Zeit später bekommen wir Spiegeleier mit Speck und Dill. Dazu einige Käsebrote und Kaffee. Perfekt. Fremdsprachenkenntnisse werden vielleicht doch überbewertet.

Das Wetter bessert sich allmählich und so fahren wir quer durch die Stadt zum nagelneuen Fussballstadion. Das liegt wie eine silberne Blase mitten im Wald. Geplant von slowenischen Architekturbüro OFIS, 13'000 Sitzplätze und sehr interessant anzuschauen.

Der Grund, warum wir ausgerechnet in Borisov halt machten – ihr ahnt es – ist ein anderer, nämlich die Beresina. Dieser Fluss spielt in der Schweizer Geschichte eine tragische Rolle.
Nur kurz die Geschichte dazu: Um 1800 herum war die Schweiz von Frankreich besetzt. Für Napoleons Russlandfeldzug musste sie deshalb Soldaten liefern. Die Grande Armée kämpfte sich dann quer durch Europa bis nach Moskau. Dort gewannen aber dummerweise die Russen die Oberhand und Napoleons Armee musste flüchten. Ende November 1812 erreichte sie die Beresina. Die Schweizer Regimente deckten hier den Rückzug der französischen Armee. Fast keiner von ihnen hat das überlebt. Am Ende kamen nur etwa 400 von den ursprünglich 8‘000 Soldaten zurück in die Heimat.

Heute erinnern verschiedene Denkmäler an die Toten von damals. Zuerst besuchen wir einige am westlichen Ufer. Viel Granit und Inschriften.
Wir fahren weiter nach Norden. Strassendörfer mit bunten Häusern, ab und zu eine Kirche. Dann über die Beresina hinüber zu einem weiteren Denkmal.

Die Beresina ist noch ein völlig naturbelassener Fluss. Zahllose Flussarme schlängeln sich durch das flache Tal. Schilf und Sandbänke, Frösche und Fischer. Ein richtiges Paradies.